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Nr. 246 Ministerkonferenz, Wien, 17. Dezember 1860 – Protokoll II - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Rechberg; BdE. und anw. (Rechberg 17. 12.), Mecséry 19. 12., Schmerling vidit, Plener 23. 12., Lasser 24. 12., Szécsen 25. 12., FML. Schmerling 25. 12.; abw. Degenfeld, Vay.

MRZ. – KZ. 4202 –

Protokoll II der zu Wien am 17. Dezember 1860 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des kaiserlichen Hauses etc. Grafen v. Rechberg.

I. Kaiserliche Verordnung wegen Einführung der Banknoten in Venetien

Der Finanzminister las den Entwurf der kaiserlichen Verordnung über die in der Konferenz vom 14. d. M. sub I. in thesi angenommene Einführung der Noten der privilegierten österreichischen National-Zettelbank mit Zwangskurs im lombardisch-venezianischen Königreiche.

Derselbe wurde in der Hauptsache von der Konferenz einstimmig angenommen.

Außer einigen stilistischen, vom Finanzminister selbst akzeptierten Änderungen in §§ 1 und 2 wurden noch folgenden Modifikationen beliebt: Auf Antrag des Ministers v. Lasser, daß bei Silberzahlungen die in Österreich zufolge des Münzvertrags gesetzlichen Kurs habenden alten österreichischen und adie im Auslande geprägtena Vereinsmünzen nicht ausgeschlossen sein sollen, daß daher in diesen Paragraphen statt des gebrauchten Ausdrucks „österreichische Silbermünzen“ eine alle nach dem Münzvertrage gesetzlich in Österreich zugelassenen Münzen umfassende Textierung gewählt werde, welche zu finden der Finanzminister sich vorbehielt; ferner, daß, da es praktisch nicht möglich ist, am Zahlungstage selbst den Kurs desselben Tages in Venedig überall in Anwendung zu bringen, nicht dieser, sondern der Vortag zur Berechnung des Aufgeldes angenommen werden soll; dann daß zu § 7 bei der Bestimmung über die Nichtgeltendmachung der Versäumnis des Gläubigers zugunsten des Ärars, der Nachsatz „derselbe möge das Geld an diesem oder einem späteren Tage erheben“ entfallen könne; endlich, daß der Unterschied zwischen den Zuschlägen, nämlich denjenigen, welche von den lf. Steuern für die Staatskassen, dann jenen, welche für Landes- oder Kommunalbedürfnis erhoben werden, gehörig hervorgehoben werde.

Da nach dem Entwurfe der 25. Dezember als Tag der Kundmachung und der Wirksamkeit der Verordnung festgesetzt, dieser aber und der folgende ein hoher Festtag ist, so wurde einerseits die Publikation an einem dieser beiden Tage, wo besonders in Venedig große Lebhaftigkeit auf den Plätzen etc. herrscht, widerraten, andererseits vom Polizeiminister hervorgehoben, daß das Publikum, um sich nach den neuen Bestimmungen einrichten zu können, doch mindestens einen Tag früher davon in Kenntnis gesetzt werden sollte. Es wurde sich also darüber geeiniget, die Wirksamkeit der Verordnung von || S. 175 PDF || dem auf die Publikation folgenden Tage beginnen zu lassen, die Kundmachung selbst aber nach vorläufigem telegraphischen Einvernehmen mit dem Finanzpräfekten auf den 27. oder 28. Dezember 1860 zu bestimmen.

Über den vom Finanzminister ebenfalls vorgelesenen au. Einbegleitungsvortrag, welcher zur Veröffentlichung bestimmt ist, fand die Konferenz nur zu bemerken, daß am Schlusse, wo die Bitte um baldige Zustandebringung des Reichsrates im Sinne des Diploms vom 20. Oktober gestellt ist, die Textierung nach dem Antrage des Ministerpräsidenten dahin abgeändert werde, daß, nachdem es ohnehin in der Ah. Absicht Sr. Majestät liegt, die Maßregeln zur Einberufung des Reichsrates zu beschleunigen, alsdann dem Finanzminister die Gelegenheit werde geboten werden, die gegenwärtig unverschiebliche Einführung der Banknoten in Venetien vor dem Reichsrate zu rechtfertigen1.

II. Kaiserliche Verordnung wegen Sistierung der Silberzahlung der Kupons des Nationalanleihens

Der Finanzminister las den Entwurf der kaiserlichen Verordnung wegen der in der Konferenz vom 14. d. M sub II. in thesi gutgeheißenen Sistierung der Silberzahlung für die Kupons vom Nationalanleihen2.

Er weicht bezüglich der Berechnung des Aufgeldes von den damals gefaßten Beschlüssen nur darin ab, daß nicht die letzte Woche des Vormonats und die drei ersten Wochen des Monats vor dem Verfallstage, sondern überhaupt der Monat vor dem Verfallstage zur Durchschnittsberechnung des Agio bzw. des Aufgelds angenommen werden soll, weil diese letztere Modalität dem Börsegebrauche entspricht.

Weder gegen diese Abänderung noch gegen die übrigen Bestimmungen des Entwurfs wurde eine Einwendung erhoben3.

III. Steuerverweigerung in Ungarn betreffend

Höchst klägliche Berichte der Finanzorgane aus allen Teilen des Preßburger Verwaltungsgebietes über die Unmöglichkeit der Handhabung der Steuer- und Gebührengesetze in Ungern, indem dieselben teils offen übertreten, teils deren Rechtsbestand öffentlich selbst von der Kanzel herab angegriffen wird4, bestimmten den Finanzminister – besonders mit Hinblick auf den von der Pester Komitatskongregation diesfalls gefaßten, für die übrigen Versammlungen maßgebenden Beschluß5 – den bereits wiederholt an den ungrischen Hofkanzler gestellten, bisher jedoch abgelehnten Antrag in der Konferenz zu erneuern, daß den Obergespänen aufgetragen werde zu publizieren, wienach die bestehenden Steuer- und Gebührengesetze und -vorschriften sowie die mit deren Vollzug betrauten Organe im Sinne des Diploms vom 20. Oktober bis zur verfassungsmäßigen Änderung derselben in voller Wirksamkeit zu bleiben haben6.

|| S. 176 PDF || Minister Graf Szécsen machte darauf aufmerksam, daß zwischen Nichtzahlung der Steuern und Steuerverweigerung zu unterscheiden sei. Für erstere bestehen die gesetzlichen Exekutionsmittel. Haben diese keinen Erfolg, so sei das eine Erscheinung, die auch zu andern Zeiten vorkommen kann, und dagegen gebe es kein Mittel, weil niemand gezwungen werden könne, sich an öffentlichen exekutiven Lizitationen zu beteiligen. Gegen wirkliche Steuerverweigerung aber, als Widersetzung gegen die Gesetze, liege in dem gerichtlichen Einschreiten wider die Renitenten das gesetzliche Mittel. Dazu muß aber das Faktum konstatiert sein. Auch die Anrufung der Militärassistenz, setzte der Ministerpräsident hinzu, sei in solchen Fällen angezeigt. Was aber die Repression gegen die Pester Komitatsbeschlüsse betrifft, so müsse der Zeitpunkt, wann dieselbe einzutreten haben werde, nach der Ansicht des Minister Graf Szécsen der Beurteilung des ungrischen Hofkanzlers überlassen werden7.

Ah. E. Ich haben den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, 29. Dezember 1860.