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Nr. 241 Ministerkonferenz, Wien, 8. Dezember 1860 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Rechberg; BdE. und anw. (Rechberg 8. 12.), Gołuchowski 9. 12., Mecséry 10. 12., Lasser 10. 12., Szécsen 11. 12., Plener 24. 12., FML. Schmerling 27. 12., Szőgyény (bei II und III abw.) 11. 12.; abw. Degenfeld, Vay.

MRZ. – KZ. 4234 –

Protokoll der zu Wien am 8. Dezember 1860 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des kaiserlichen Hauses Grafen v. Rechberg.

I. Reorganisierung der ungarischen Statthalterei

Der zweite ungrische Hofkanzler referierte über die Anträge des Tavernikus v. Mailáth wegen Organisierung der ungrischen Statthalterei im Sinne der einschlägigen Gesetzartikel1.

Nach denselben wäre die ungrische Statthalterei als dirigens Regni dicasterium wiederherzustellen und bei derselben zwei Kommissionen, eine für geistliche, die zweite für Studiensachen einzusetzen, und ihr die früher gehabte, dermal der Finanzlandesdirektion übertragene Gebarung mit dem Vermögen und den Gütern der politischen Fonds wieder einzuräumen.

Gegen den letzteren Antrag erhob der Leiter des Finanzministeriums Bedenken, weil er darin eine Gefährdung nicht nur der bedeutenden Forderungen des Ärars für die diesen Fonden gegebenen Vorschüsse, sondern auch des unter der Finanzverwaltung sehr gesteigerten Ertrags der Fondsgüter zu erblicken glaubte. Nachdem jedoch der Hofkanzler versicherte, daß die Gebarung mit diesen Fonds von jeher der Statthalterei zustand und anstandslos geführt wurde, daß ferner im Lande ein großer Wert darauf gelegt wird, sie wieder in den Händen der Landesstelle zu sehen, daß es sich endlich hier nur um die Zuerkennung derselben in thesi handelt, die Abrechnung mit dem Ärar und die Sicherstellung seiner etwaigen Forderungen aber bei der wirklichen Übergabe zwischen den beteiligten Behörden ausgetragen werden kann, erklärte sich die Konferenz hiermit einverstanden, und behielt sich der Leiter des Finanzministeriums vor, die hiebei zu beobachtenden Kautelen nachträglich zu Protokoll zu geben, da ihm augenblicklich die näheren Daten über den Stand der ärarischen Vorschüsse nicht zu Gebote stehen2.

|| S. 147 PDF || a Es handelt sich erstens um Übergabe der Verwaltung der Fondsentitäten an die ungarische Statthalterei, dann zweitens um gänzliche Emanzipierung des Dispositivums über das Fonds­vermögen und namentlich der Kassagebarung vom Einflusse der Finanzbehörde. Die erste Maßregel, wodurch die dermalen von den Finanzbezirksdirektionen und von der Finanzlandesdirektion mit dem besten Erfolge geführte Administration der Fondsgüter an die königlich ungarische Statthalterei übergehen soll, halte ich für ganz unzweckmäßig, weil für diesen gemeinschaftlich mit den Staatsdomänen bestehenden Verwaltungszweig alle Vorbedingungen in ökonomisch-administrativer und forsttechnischer Beziehung bei der Finanzbehörde bereits vorhanden sind und einen einheitlichen und gedeihlichen Dienstesvollzug verbürgen, dessen Beweise in dem nachweisbar außerordentlich gestiegenen Renteinkommen unwiderleglich vorliegen und den hohen Wert der finanziellen Geschäftsführung gegenüber der vormaligen ungarischen Gebarung bei der gewesenen und wieder neu einzuführenden königlichen Statthalterei in das evidenteste Licht stellen. Wird die Verwaltung den Fondsdomänen abgenommen und der königlich ungarischen Statthalterei übergeben, so fehlt der kontrollierende und leitende Einfluß der Finanzbezirksdirektionen, und es erwächst mit der Zersplitterung auch eine Verteuerung des Dienstes, weil bei der Statthalterei etwas der bereits bei der Finanzlandesdirektion bestehenden und daselbst nicht zu vermindernden Arbeitskraft Ähnliches neu geschaffen und hergestellt werden muß.

Was die Fonds- und Kassagebarung betrifft, so kann ich die auf meine mehr als fünfjährige Dienstleistung im Königreich Ungarn (Ofen und Preßburg) gegründete Anschauung nicht [ver]bergen, daß die Disposition bei der königlich ungarischen Statthalterei über die zu elozierenden Fondskapitalien, die Haltung in betreff der Eintreibung schuldiger Kapitalien und Zinsen sehr oft von Protektion der meist zu den Adelsfamilien zählenden Schuldner geleitet war und daß ich namentlich in Ofen bei der Finanzlandesdirektion häufig Gelegenheit hatte, den bedauerlichen Zustand der Gebarung und namentlich des enormen, teilweise verjährten Interessensausstands und die Lauigkeit der dagegen ergriffenen behördlichen Aktion wahrzunehmen und bei der Finanzlandesdirektion auf die Einleitung strengerer, das Fondseigentum sichernder Maßregeln einzuwirken. Ich verspreche mir von der Ausschließung des finanziellen Einflusses auf die der königlich ungarischen Statthalterei zur Gänze zu überlassenden Disposition gar keinen guten Erfolg für die Sicherheit des Fondsvermögens, muß mich aber dagegen auch vom finanziellen Standpunkte mit Hinblick auf die beträchtlichen, vom Ärar dem Fonds erteilten Vorschüsse aussprechen, deren baldige Hereinbringung von einer wirtschaftlichen und genauen Verwaltung des Fondsvermögens abhängt. Sollte jedoch die Ausschließung des unmittelbaren Einflusses der Finanzlandesdirektion beliebt werden, so müßte das Ärar in betreff der Rückerstattung seiner Vorschußaktiva vollständig gesichert und festgestellt werden, daß, falls auch die Fonds durch eintretende Zufälle in die Lage kämen, ihre Stiftungs- und sonstigen Verbindlichkeiten nicht erfüllen zu können, das Ärar wegen einer Dotierung derselben nicht mehr in Anspruch genommen werden wird. Bleibt die Dotations- bzw. Vorschußleistungspflicht des Ärars aufrecht, so kann auch auf die Ingerenz || S. 148 PDF || der Finanzbehörde bei Fondsdispositionen nicht verzichtet werden, indem sonst für die Interessen des Ärars gar keine Garantie besteht. Übrigens mache ich auf die am 4. und 7. Dezember d. J. Z.68231 und 68007 an den Herrn ungarischen Hofkanzler ergangenen Noten des Finanzministeriums aufmerksam, welche mehrere auf den Gegenstand bezugnehmende Kautelen behandeln, auf deren Annahme ich im finanziellen Interesse hohen Wert legen muß3.

Mit der Einsetzung der Studienkommission wird der Antrag verbunden, die dermal bestehenden Schulräte zu entfernen und durch die alte Einrichtung der Distriktualschulendirektoren zu ersetzen. Auf Antrag des Staatsministers erklärte jedoch die Konferenz, dermalen in die prinzipielle Lösung dieser Frage nicht eingehen, sondern dieselbe dem Zeitpunkte vorbehalten zu sollen, wann die Statthalterei selbst, dann die ungrische Hofkanzlei im Einvernehmen mit dem einzusetzenden Studienrate ihre Ansichten hierüber werde ausgesprochen haben.

Belangend den Personalstand der Statthalterei bwird ein zweiter Vizepräsident mit 5250 f. Gehalt beantragt, welchenb der Hofkanzler für den zweiten Vizepräsidenten cnach Analogie des für den ersten Vizepräsidenten Ah. bemessenen Gehaltes auf 4200 mit einer Funktionszulage vonc 1050 f. herabzusetzen erachtete. Hierdurch entfallen zwei der bisher bestandenen Hofräte; ein dritter, Szalay, wird zum Chef des Präsidialbüros ddes königlichen Statthaltersd oder der Palatinalkanzlei extra statum und zugleich als Vizepräsident der Grundentlastungskommission beantragt.

Da nach der eigenen Bemerkung des Hofkanzlers bei der Statthalterei Hofräte nicht zu bestehen haben, so fand es Minister v. Lasser abnorm, in dem Augenblicke, wo der Status dieser Landesstelle systemisiert werden soll, gleich eine Ausnahme mit Bestellung eines Hofrats extra statum eintreten zu lassen, und der Polizeiminister deutete darauf hin, daß hier von den Personen ganz abzusehen und sich auf die Bestimmung zu beschränken wäre, daß, nachdem überhaupt keine Hofräte bei der Statthalterei zu bestehen haben, auch der Chef der Palatinalkanzlei nicht Hofrat sein könne. Wenn Szalay, setzte der Staatsminister hinzu, zugleich Vizepräsident der Grundentlastungskommission bleibt, so möge ihm sein Gehalt aus dem Grundentlastungsfonds angewiesen werden.

Bei diesen Differenzen schlug Minister Graf Szécsen in der Rücksicht auf den besonderen Wert, welcher auf die Leitung des Präsidialbüros durch Szalay gelegt wird, den sofort auch vom Hofkanzler akzeptierten Mittelweg vor, daß Szalay mit dieser Leitung betraut, sein Gehalt aber auf den Grundentlastungsfonds überwiesen werde, bis das Präsidialbüro durch den einstigen Statthalter oder Palatin systemisiert werden wird.

|| S. 149 PDF || An Räten werden 20 (vorderhand davon nur 15 Stellen zu besetzen), und zwar sechs à 3200 fr. Gehalt, acht à 2600 f. und sechs à 2100 f. beantragt.

Der Leiter des Finanzministeriums fand diese Abstufung ganz außer allem Verhältnisse zu dem diesfalls bei den übrigen Statthaltereien bestehenden Systeme und zu dem einstigen Status der ungrischen Statthalterei selbst, wo alle Räte mit 2000 f. besoldet waren. Er beantragte daher, daß für die höchste Gehaltsstufe von 3200 f., in welche selbst bei den Statthaltereien der größeren deutschen Provinzen nur ein oder zwei Räte fallen, drei Räte, für die mittlere mit 2500 f. acht, und für die letzte per 2100 f. neun Räte dem bestehenden Systeme gemäß bestimmt werden, was auch allseitig angenommen wurde.

Unter die Zahl der systemisierten Statthaltereiräte würde dann auch dem früheren System gemäß statt des dermaligen Landesmedizinalrates wieder der Protomedikus Sitz und Stimme haben. Außerdem wird Statthaltereirat Schäfer zur Beibehaltung extra statum angetragen, wogegen übrigens die oben bei Szalay gemachten Bemerkungen geltend gemacht wurden.

Nachdem endlich infolge Gesetzartikel 17 von 1790 nur Ungern bei der Statthalterei angestellt sein können, so glaubte der Tavernikus, die hiernach bei der neuen Besetzung durchfallenden dermaligen Statthaltereiräte dem Staatsminister zur anderweitigen Unterbringung empfehlen, weiters aber noch drei Statthaltereiräte, welche in diese Kategorie zwar nicht fallen, sich aber unter den gegenwärtigen Verhältnissen zur Belassung in ihrer Funktion nicht mehr eignen, zur Pensionierung mit dem normalmäßigen Traktament beantragen zu sollen. Der Hofkanzler war jedoch der Meinung, daß nach dem bei anderen Reorganisierungen beobachteten Vorgange den infolge derselben außer Verwendung kommenden Beamten, also hier diesen Statthaltereiräten, das übliche Begünstigungs­jahr von der Ah. Gnade zu erbitten wäre.

Die Konferenz erklärte dagegen, sich hier abgesehen von allen persönlichen Verhältnissen nur für den Grundsatz aussprechen zu können, daß denjenigen Räten, welche infolge dieser administrativen Reform ohne ihr Verschulden außer Verwendung kommen, das Begünstigungsjahr bewilligt werden möge4.

II. Exzesse in Nagykőrös und Maßregeln zur Aufrechthaltung der Gesetze

Aus Anlaß der in Nagykőrös stattgehabten Angriffe auf die Finanzwache etc. forderte der Leiter des Finanzministeriums den [zweiten] ungrischen Hofkanzler auf, die geeigneten Verfügungen zu treffen, daß während der Übergangsperiode die in den Ah. Erlässen vom 20. Oktober ausdrücklich angeordnete Beobachtung aller bestehenden Gesetze etc. gesichert werde5, weil sonst der Finanzdienst und das Einbringen der Steuern in Ungern zur Unmöglichkeit wird6.

Der Hofkanzler bemerkte, es seien hierwegen die gemessensten Weisungen an die Obergespäne und an den Tavernikus erlassen worden7. Welche weiteren Maßnahmen politischerseits zu ergreifen seien, wolle der Leiter des Finanzministeriums mit dem in wenigen Tagen zurückkehrenden ersten Hofkanzler verabreden.

III. Presseangelegenheiten

Nachdem der [zweite] ungrische Hofkanzler sich aus der Konferenz entfernt hatte, brachte der Polizeiminister mit Beziehung auf die Konferenzberatung vom 6. d. M. ad III. zur Kenntnis der Konferenz, daß er sich mit dem Ministerpräsidenten und dem Minister Grafen Szécsen, ewelche nachträglich ihr Votum modifiziert hatten,e darüber geeinigt habe, dem Redakteur der „Ostdeutschen Post“ für diesmal eine bloß mündliche Verwarnung zu erteilen, welche nicht ohne guten Erfolg geblieben ist8.

IV. Presseangelegenheiten

Endlich machte der Ministerpräsident den Polizeiminister auf die Notwendigkeit aufmerksam, die hiesigen Journale, namentlich „Die Presse“, welche sich der kleindeutschen Partei zuneigt, über den Standpunkt zu belehren, welchen sie in den deutschen Angelegenheiten einzunehmen haben, wenn sie dabei nicht feindlich gegen ihre eigene Regierung auftreten wollen. Er hat die Berichtigung eines viele faktische Unrichtigkeiten enthaltenden Artikels der „Presse“ über Kurhessen bereits veranlaßt9.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 29. Dezember 1860.