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Nr. 238 Ministerkonferenz, Wien, 4. Dezember 1860 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Ransonnet (RS. Klaps); VS. Kaiser; BdE. und anw. Erzherzog Rainer 11. 12., (Rechberg 6. 12.), Gołuchowski 7. 12., Mecséry 7. 12., Degenfeld 8. 12., Lasser 9. 12., Szécsen 9. 12., Šokčević [BdE. fehlt], Szőgyény, Plener 10. 12.; abw. Vay.

MRZ. – KZ. 4033 –

Protokoll der Ministerkonferenz am 4. Dezember 1860 unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des Kaisers.

I. Bitten der Banalkonferenz: 1. Geschäftssprache, 2. kroatische Hofkanzlei, 3. Organisierung der Komitate, 4. Wiedervereinigung Dalmatiens mit Kroatien

Minister Graf Szécsen las den infolge des in der Konferenz am 2. d. M. erhaltenen Ah. Befehls verfaßten Entwurf eines Ah. Handschreibens an den Ban von Kroatien, womit die Ah. Beschlüsse über die Bitten der Banalkonferenz kundgegeben werden dürften1.

1. Bitte: die Geschäftssprache bei der Statthalterei und Banaltafel betreffend.

Der referierende Minister bemerkte, er habe geglaubt, in den Ah. Erlaß ausdrücklich den Vorbehalt aufnehmen zu sollen, daß es jedermann unbenommen bleibe, wie bisher Eingaben in jeder der im Lande üblichen Sprachen zu überreichen. Der Fortbestand dieses Rechtes sei zwar selbstverständlich, allein, in bewegten Zeiten wie die gegenwärtigen erscheine es rätlich, auch den durch die Leidenschaften etwa zu versuchenden Mißdeutungen Allerhöchster Erlässe vorzubeugen.

Se. Majestät der Kaiser geruhten den Entwurf der Erledigung dieser Bitte im wesentlichen mit den Modifikationen Ag. zu genehmigen, daß 1. die Statthalterei und Banaltafel, um deren Geschäfts­sprache es sich hiebei ausschließend handelt, darin ausdrücklich genannt werden, und daß 2. der Ausdruck „im Verkehr mit den politischen und Gerichtsbehörden“ gebraucht werde, weil, wie Minister Ritter v. Lasser geltend machte, diese präzisere Textierung einerseits die Amtskorres­pondenz der Landesbehörden nach oben in sich begreift und andererseits jede Deutung ausschließt, als ob auch mit den Finanz- und Militärbehörden kroatisch korrespondiert werden könne.

2. Bitte: Die Bildung einer provisorischen kroatischen Hofkanzlei.

Minister Graf Szécsen bemerkte, bei der Textierung darauf Bedacht genommen zu haben, daß daraus nicht die Konzentrierung anderer als der politischen Geschäfte – namentlich der Polizeiangelegen­heiten – bei der kroatischen Hofkommission gefolgert werden können.

Nachdem jedoch der Leiter des Justizministeriums erklärt hatte, daß ohne Anstand auch die Geschäfte der administrativen Justiz, jedoch mit Vorbehalt der Kompetenz des Obersten Gerichtshofes, bei der kroatischen Hofkommission so wie bei der ungarischen Hofkanzlei behandelt werden könnten, und der Staatsminister sich auch mit der || S. 128 PDF || Überweisung der kroatischen Medizinal-, dann der Kultus- und Unterrichtsangelegenheiten einverstanden geäußert hatte, geruhten Se. k. k. apost. Majestät anzuordnen, daß dieser Teil des Ah. Handschreibens hiernach textiert, aber zugleich, nach dem Antrage des Hofkanzlers v. Szőgyény , bezüglich der Unterrichtsangelegenheiten die durch die Bildung des Unterrichtsrates bedingte Begrenzung ausgedrückt werde.

Schließlich nahm der Ban Baron Šokčević für den Chef der kroatischen Hofkommission den Titel „Präsident“ in Anspruch, wogegen kein Anstand erhoben ward.

3. Bitte: Organisierung der Komitate und Wahl der Obergespäne.

Über die von Se. k. k. apost. Majestät Ah. gestellte Frage, ob von der Begrenzung der Komitate nichts zu sagen sei, äußerte der Ban, daß hiezu keine Notwendigkeit vorhanden wäre.

4. Bitte: die Wiedervereinigung Dalmatiens.

Der Kanzler v. Szőgyény fand, daß die im vorgelesenen Entwurfe ausgedrückte positive „Ah. Gutheißung der Wiedervereinigung im Grundsatze“ zu weit gehe, indem Se. Majestät Allerhöchstsich in der letzten Konferenz bloß für eine Ah. Geneigtheit ausgesprochen haben, die Wiedervereinigung zu genehmigen, wenn der Wunsch auch von Dalmatien gehegt wird. Selbst das Ah. Handschreiben vom 20. Oktober, die Woiwodschaft betreffend, enthalte keinen so positiven Ausspruch, obgleich es sich hiebei nicht um ein besonderes altes Kronland, sondern nur um einen Verwaltungsbezirk handelt2.

Die Minister Graf Degenfeld und Baron Mecséry, dann Reichsrat v. Plener teilten diese Meinung, letzterer mit dem Bemerken, daß bei ausschließender Annahme eines so weit zurückreichenden historischen Prinzips auch der Anspruch auf Inkorporierung Galiziens mit Ungarn begründet werden könnte! Überhaupt dürfte diese Bitte umso unbedenklicher ganz dilatorisch erledigt werden, da ja die drei anderen Bitten der Banalkonferenz von Sr. Majestät Ag. gewährt werden.

Minister Ritter v. Lasser würde folgende Textierung vorschlagen: „Bezüglich der näheren Verbindung von Kroatien, Slawonien und Dalmatien bin Ich geneigt, auf die vorgebrachten Wünsche einzugehen.“ Die „nähere Verbindung“ geht nämlich nicht soweit als die Wiedervereinigung und ist auch mit einer gewissen administrativen Scheidung vereinbar. Übrigens sei die Frage, ob Dalmatien ein eigenes Kronland für sich bildet, stets als eine offene behandelt worden. In der Reichsverfassung vom 4. März 1849, § 1, wurde Dalmatien in einer Gruppe mit Kroatien, Slawonien, Fiume und dem kroatischen Küstenlande genannt. Ein bestimmter Ah. Ausspruch darüber ist auch seitdem nicht erfolgt und Dalmatien erhielt auch keine eigene Landesverfassung.

Der Banus machte aufmerksam, daß eine bloß ganz vage Zusicherung über die Vereinigung Dalmatiens keinen befriedigenden Eindruck in Kroatien machen könne, nachdem der Landtag von 1848 darum petitoniert und der Landtagsabschied (das Ah. Patent vom 7. April 1850, RGBL. [Nr. 244/1850] Seite 993) bereits Verhandlungen darüber angeordnet hat, welche noch nicht begonnen haben.

Im Laufe der hierüber gepflogenen längeren Erörterung schlug Minister Graf Szécsen vor zu sagen: „Se. Majestät erwarten, daß die bezüglichen Anträge des kroatischen Landtages || S. 129 PDF || erneuert werden und Allerhöchstdieselben würden dann nach Erhebung der Verhältnisse in Dalmatien etc.“, wogegen der Leiter des Finanzministeriums einwendete, daß so das ganze Gewicht einseitig auf den Antrag des kroatischen Landtages gelegt würde. Der Staatsminister hielt an seinem früheren Antrage fest, daß bloß die Ah. Geneigtheit auszusprechen sei, mit dem Vorbehalte, die Landtage beider Länder darüber zu vernehmen. Die Banalkonferenz könne er im vorliegenden Falle nicht als über diese Frage kompetent betrachten. aEs verstoße gegen die Begriffe des Rechtes, einem Kronlande, welchem seitens der Ah. Autorität eine selbständige Verwaltung zugesichert wurde, über den Wunsch einzelner Personen eines anderen Kronlandes die selbständige Verwaltung entziehen zu wollen. Die serbische Woiwodschaft liefert hiezu ein trauriges Beispiel, und doch ist die Stellung Dalmatiens viel präziser ausgesprochen als dies bei der Woiwodschaft der Fall [ist]. Das Auskunftsmittel, den Wunsch der Dalmatiner mittelst zu berufender Vertrauensmänner sondieren zu wollen, ist ein so leidiges, daß es kaum näher erörtert zu werden verdient. Ein solch willkürlicher Akt der Regierung muß notwendigermaßen den peinlichsten Eindruck auf jeden bieder Denkenden machen, der es fühlt, wie schwer es die Völker empfinden, wenn ohne ihr rechtmäßiges Zutun über ihr Schicksal nach Laune verfügt wird. Derlei Beispiele liefert uns die Völkergruppe Österreichs zur Genüge.a Es verstoße gegen die Begriffe des Rechtes, einem Kronlande, welchem seitens der Ah. Autorität eine selbständige Verwaltung zugesichert wurde, über den Wunsch einzelner Personen eines anderen Kronlandes die selbständige Verwaltung entziehen zu wollen. Die serbische Woiwodschaft liefert hiezu ein trauriges Beispiel, und doch ist die Stellung Dalmatiens viel präziser ausgesprochen als dies bei der Woiwodschaft der Fall [ist]. Das Auskunftsmittel, den Wunsch der Dalmatiner mittelst zu berufender Vertrauensmänner sondieren zu wollen, ist ein so leidiges, daß es kaum näher erörtert zu werden verdient. Ein solch willkürlicher Akt der Regierung muß notwendigermaßen den peinlichsten Eindruck auf jeden bieder Denkenden machen, der es fühlt, wie schwer es die Völker empfinden, wenn ohne ihr rechtmäßiges Zutun über ihr Schicksal nach Laune verfügt wird. Derlei Beispiele liefert uns die Völkergruppeb Österreichs zur Genüge. Der Ban bemerkte hierauf, daß die ihm mit dem Ah. Handschreiben vom 20. Oktober vorgezeichnete Aufgabe, einen Vorschlag zur Zusammensetzung der kroatisch-slawonischen Landesvertretung einzureichen, notwendigerweise zur Ventilierung der Frage geführt habe, ob zu dieser Vertretung auch Deputierte aus Dalmatien beizuziehen seien. Er könne hiebei nicht unerwähnt lassen, daß in Kroatien der dort ganz neue Ausdruck „Landesvertretung“ einen ungünstigen Eindruck hervorgebracht habe, indem man in Kroatien, wie in Ungarn, einen „Landtag“ abhalten will. Es frage sich aber jetzt, was die Banalkonferenz in Absicht auf die Beteiligung Dalmatiens am kroatischen Landtage tun solle. Wird sie nicht am Ende auf das Gesetz vom Jahre 1848 zurückgehen wollen? Der Leiter des Finanzministeriums glaubte, daß die Banalkonferenz bei ihren Anträgen nur die gegenwärtige Abgrenzung Kroatiens mit Einschluß der Murinsel, jedoch ohne Syrmien und folgerecht ohne Dalmatien zur Grundlage nehmen könne. Minister Ritter v. Lasser erachtete, daß sie füglich einen alternativen Antrag mit oder ohne Beiziehung dalmatinischer Ablegaten erstatten könnte.

Nachdem Se. k. k. apost. Majestät auf die Unzukömmlichkeit hingewiesen hatten, daß die Konferenz, an welcher kein Dalmatiner teilnimmt, Anträge über die Vertretung Dalmatiens stelle, schlug der Polizeiminister vor, daß die Abhilfe durch die Beiziehung dalmatinischer Abgeordneter zur Banalkonferenz getroffen werde. Dies wäre der kürzeste Weg zur Schlichtung der Angelegenheit. Minister Graf Szécsen beantragte für den Fall der Ergreifung dieses Auskunftsmittels, daß der Banus gemeinschaftlich mit FML. Baron Mamula die diesfälligen Vertrauensmännerc zu wählen hätte, und es würde sich zunächst um Festsetzung ihrer Zahl handeln.

|| S. 130 PDF || Se. Majestät der Kaiser geruhten zu bestimmen, daß diese Wahl vom FML. Baron Mamula auszugehen habe, an den diesfalls das Nötige zu erlassen wäre3.

Reichsrat v. Plener sprach den Zweifel aus, ob überhaupt dalmatinische Deputierte sich bei der Banalkonferenz werden beteiligen wollen. In merito jedoch fände er es bedenklich, durch den in Rede stehenden Vorgang schon jetzt, noch vor Feststellung des Verhältnisses von Kroatien zu Ungarn die Vereinigungsfrage zur Entscheidung zu bringen.

Minister Ritter v. Lasser machte die politische Notwendigkeit geltend, die kroatische Nation zum Hüter Dalmatiens zu machen.

Über die Anfrage des Ban, ob die Konferenz nicht bis zum Eintreffen der Deputierten aus Dalmatien zu vertagen wäre, geruhten Se. Majestät der Kaiser nach dem Antrage des Ministers Graf Szécsen Ah. zu bestimmen, daß die Arbeiten wegen Konstituierung der Komitate und überhaupt jene, welche sich nicht auf allgemeine Landtagsangelegenheiten beziehen, mittlerweile fortzusetzen seien4.

II. Nachsicht der heurigen Rekrutierung für Triest

Se. k. k. apost. Majestät geruhten die Bitte der Stadt Triest zur Sprache zu bringen, daß ihr in Anbetracht der im vorigen Jahre gestellten bedeutenden Überzahl von Freiwilligen die heurige Rekrutierung Ag. nachgesehen werde. Die Sache ist wegen der für die nächsten Tage angeordneten ersten Losung dringend.

Der Staatsminister äußerte, das Gesuch verstoße zwar gegen ein Prinzip und werde nicht ohne Folgerungen bleiben; indes stelle er die Sache der Ah. Gnade anheim. Der Kriegsminister fand hier besondere Verhältnisse, welche für einen Ah. Gnadenakt sprechen dürften.

Nachdem Reichsrat v. Plener und der Ministerpräsident sich im gleichen Sinne geäußert hatten, geruhten Se. Majestät der Kaiser den Staatsminister zur Vortragserstattung über diesen Gegenstand aufzufordern5.

III. Rumänische Nationalversammlung

Schließlich geruhten Se. k. k. apost. Majestät dem Staatsminister das Gesuch des griechisch-nichtunierten Bischofs von Szamos-Újvár um Gestattung einer romänischen Nationalversammlung zur abweislichen Erledigung zu übergeben6.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 14. Dezember 1860.