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Nr. 232 Ministerkonferenz, Wien, 17., 18., 20. und 22. November 1860 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • Sammelprotokoll; RS.; P. Marherr; VS. Rechberg; BdE. a (Rechberg 22./ 30. 11.), Gołuchowski 23. 11., Mecséry 25. 11., Vay 26. 11., Degenfeld 26. 11., FML. Schmerling 26. 11., Lasser 27. 11., Szécsen, Plener 29. 11.

MRZ. – KZ. 3948 –

[Tagesordnungspunkte]

Protokoll der zu Wien am 17., 18., 20. und 22. November 1860 abgehaltenen Ministerkonferenzen unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des kaiserlichen Hauses etc. Grafen v. Rechberg. [Sitzung vom 17. November]         [anw. Rechberg, Gołuchowski, Mecséry, Vay, Degenfeld, Lasser, Szécsen, Plener]

[I.] Landesordnung für Böhmen

Gegenstand der Beratung war der beiliegende Entwurf der Landesordnung für das Königreich Böhmen.b Hierbei ergaben sich folgende Bemerkungen:

Im § 2 hätte Minister v. Lasser die Weglassung der Bestimmung des Vorsitzes im Landtage sowie überhaupt eine andere Einteilung der Paragraphen bis 5 in der Art gewünscht, daß erst nach der Aufzählung der obersten Landesoffiziere des Vorsitzes des Oberstburggrafen erwähnt werde, weil dieser Posten nur von dem jeweiligen Statthalter bekleidet werden kann und es in der Absicht des Staatsministers liegt, gerade jetzt einen Statthalter vorzuschlagen, der nicht zum Oberstburggrafen geeignet ist1, wornach also gleich bei erstem Zusammentreten des Landtags der Ausnahmsfall rücksichtlich des Vorsitzes eintreten würde. Der Staatsminister glaubte indes, auf diese Andeutung nicht weiter eingehen zu sollen, weil das Statut nicht bloß für den ersten Landtag, sondern für alle Zeiten gelten und die Regel sein soll, daß der Oberstburggraf präsidiere, es mithin angemessen erscheint, diese Regel voranzustellen.

Dagegen nahm er keinen Anstand, im § 3, wo von den Eigenschaften zur Erlangung der Würde eines Obersten Landesoffiziers die Rede ist, diejenige Bestimmung einzuschalten, welche im § 6 sub 3. hinsichtlich der landtäflichen Grundbesitzer enthalten ist, nämlich daß der Besitz eines vormals jurisdiktionsberechtigten Gutskörpers erfordert wird. Es würde daher die Stelle: „dem inkolatsberechtigten Adel in Böhmen angehört“ ebenso wie die gleichartige Stelle im § 5, II., bei den Landesoffizieren also lauten: „dem Inkolatsberechtigten, einen landtäflichen, vormals jurisdiktions­berechtigten Gutskörper besitzenden Adel in Böhmen angehörend“.

Auf die Andeutung des Polizeiministers , es müsse klar gemacht werden, ob die Funktionsdauer des Oberstburggrafen als erster Landesoffizier gleich jener der im § 5 sub II. nur auf die Dauer des Landtags ernannten anderen Landesoffiziere beschränkt sei, erwiderte der Staatsminister , daß dieses nicht der Fall sein könne, weil nur der Statthalter || S. 78 PDF || zur Würde des Oberstburggrafen berufen sei, es also nicht angehe, der Krone, die ihn ernennt, bezüglich der Statthalterschaftsdauer irgend eine Beschränkung aufzuerlegen. Darum sei nur bezüglich der im § 5 genannten Landesoffiziere eine Funktionsdauer festgesetzt, nicht aber für den Oberstburggrafen.

Bei § 4 besteht zwischen dem Staatsminister, welcher 104, und dem Polizeiminister mit Graf Nostitz2, welche nur 100 Mitglieder, aber in zwei Kurien, beantragen, eine Differenz. Die Frage wegen der Kurien wird später bei der Geschäftsordnung zur Beratung kommen, wobei Minister Graf Szécsen seine besondere Meinung zu entwickeln sich vorbehielt3. Was die Zahl der Mitglieder betrifft, so erklärte der Polizeiminister , hierauf kein besonderes Gewicht zu legen.

§ 5, I., lit. f beanständete Graf Szécsen den Generalgroßmeister des Kreuzherrnordens. Derselbe schien ihm so wie dem Kriegsminister keine so hervorragende Persönlichkeit, um vor den anderen Äbten der großen Stifte einen Anspruch auf ein Vorrecht zu haben. Er hatte zwar, wie der Staatsminister bemerkte, auch nach der früheren Verfassung dieses persönliche Vorrecht; nachdem jedoch der Polizeiminister erklärt hatte, daß es keinem Bedenken unterliege, ihn mit den anderen im § 6 ad 2. aufgeführten Landesprälaten zu kumulieren, vereinigte sich die Konferenz in dem einhelligen Antrage, denselben hier zu streichen und im § 6 ad 2. einzuschalten. Hiernach entfällt von der im § 4 festgesetzten Gesamtzahl der Mitglieder eines, welches anderwärts einzubringen sein wird.

§ 5, II. wurde außer der schon oben bei § 3 berührten Einschaltung des „landtäflichen, vormals jurisdiktionsberechtigten Gutsbesitzes“ auch noch bei der Stellvertretung des Oberstburggrafen der Einschub beliebt: „in Ermangelung oder“ vor den Worten „in Verhinderungsfällen“.

§ 6 ad 2. kommt der Generalgroßmeister des Kreuzherrnordens gemäß Obigem einzuschalten.

[§ 6] Ad 3. Nachdem unter dem „gebundenen adeligen Familienbesitze“, wie die Parenthese zeigt, nur Fideikommisse, nicht aber auch Lehen verstanden werden wollen, welche, da es deren so viele kleine in Böhmen gibt und dem Lehenbande ohnehin eine Änderung bevorsteht, absichtlich hier ausgeschlossen würden, und nachdem „Majorate“ und „Seniorate“ nur besondere Arten von Fideikommissen sind, so beantragte der Minister v. Lasser statt der Worte „gebundenen etc.“ bis „Seniorate“ einfach zu setzen „des landtäflichen, unter dem Fideikommißbande stehenden Besitzes“, wodurch auch aller Zweifel beseitigt wird, daß Lehen, die ebenfalls zum gebundenen Besitz gehören, hier nicht gemeint sind. Die Konferenz war hiermit einverstanden.

Weiters beantragte derselbe Minister die Weglassung des Schlußsatzes wegen Vertretung der „Frauen und Minderjährigen“, weil dies ein neues, weder in den bisher publizierten Landesstatuten, noch in der früheren böhmischen Landesverfassung adoptiertes Prinzip wäre und nur in seltenen Ausnahmsfällen, zumal rücksichtlich der Frauen, in Anwendung käme. Graf Szécsen unterstützte diesen Antrag, weil, sobald die Zahl von zehn Vertretern in jedem Fall beibehalten wird, das Prinzip, die Gesamtmasse des Fideikommißbesitzes || S. 79 PDF || vertreten zu lassen, auch dann gewahrt bleibt, wenn Frauen und Minorenne entfallen. Letztere wurden, wie der Polizeiminister bemerkte, vornehmlich aus dem Grunde aufgenommen, um eine genügende Anzahl von Wählern zu haben, wenn zufällig viele Fideikommisse gleichzeitig in Händen von Minorennen wären (Fideikommißbesitzerin ist ihm derzeit eine bekannt). Indessen unterläge es keinem Bedenken, diese sonst nirgends vorkommende Bestimmung fallenzulassen, nachdem die Summe der Fideikommißbesitzer in Böhmen, wie der Staatsminister bemerkte, die ansehnliche Zahl von 52 erreicht. Die Konferenz entschied sich daher für die Weglassung des Nachsatzes „und wobei etc.“ bis zum Ende.

[§ 6] Ad 4. schlug der Polizeiminister bei den Schlußworten, wo von dem Reinerträgnisse die Rede ist, statt des Wortes „beziehen“ vor, zu setzen „nachweisen“, was auch angenommen wurde. Auf die Andeutung des Leiters des Finanzministeriums und des Ministerpräsidenten, ob nicht statt des Reinerträgnisses vielmehr die von dem Gute entfallende Steuer als Wahlzensus zu bestimmen wäre, glaubte der Staatsminister nicht eingehen zu sollen, weil dabei wieder die Frage gestellt würde, ob die Steuer mit oder ohne Zuschlag zu rechnen sei, und weil ja der katastrierte Reinertrag die Basis der Steuer bildet.

[§ 6] Ad 5. wurde die vom Polizeiminister beantragte stilistische Modifikation statt „von Abgeordneten sämtlicher Gemeinden des Landes mit Ausnahme etc.“ zu setzen „von Abgerodneten derjenigen Gemeinden des Landes, welche nicht zu den nach dem folgenden Absatze etc. Industrialorten gehören“ [angenommen].

[§ 6] Ad 6. ergäbe sich nach dem Antrage des Staatsministers hier die Gelegenheit, den bei § 5, I. f, entfallenen Vertreter durch Erhöhung der Zahl der städtischen Abgeordneten von 20 auf 21 einzubringen.

Weiters trat die schon bei dem bezüglichen Paragraph des Landesstatuts für Österreich ob der Enns besprochene Meinungsdifferenz über die Art der Wahl dieser Vertreter hervor4. Der Staatsminister und der Polizeiminister beharrten bei ihrer damaligen Ansicht, daß die Abgeordneten durch die Gemeindevertretungen aus ihrer Mitte zu wählen seien, wogegen die Majorität der Konferenz die ebenfalls schon dort ausgesprochene Ansicht festhielt, die Abgeordneten zwar ebenfalls durch die Gemeindevertretungen, aber nicht aus ihnen, sondern aus den zur Gemeindevertretung wählbaren Gemeindegliedern, welche eine bestimmte, später näher zu bezeichnende Steuer entrichten, wählen zu lassen. Die Begründung der beiden Anträge ist in dem Konferenzprotokolle vom 3. November über das Landesstatut für ob der Enns ausführlich enthalten. Übrigens erklärte der Polizeiminister , sich dem Majoritätsantrage in dem Falle anschließen zu wollen, wenn derselbe in allen Landesstatuten durchgeführt würde. Der Ministerpräsident endlich, welcher der Konferenz vom 3. d. [M.] nicht beigewohnt hatte, schloß sich ebenfalls dem Majoritätsantrage an, weil es ihm bedenklich erschien, die Gemeindevertretung zu einem politischen Körper zu machen.

Belangend endlich die Benennung der Städte, so würde der Polizeiminister es vorgezogen haben, wenn statt „der meist bevölkerten“ die Bestimmung „der nicht unter 5000 Seelen zählenden“ || S. 80 PDF || angenommen worden wäre; denn alsdann würde darin die Erklärung gelegen sein, warum zwei sehr bedeutende Städte, Brüx und Rumburg, nicht aufgenommen worden sind, nämlich weil sie weniger als 5000 Einwohner haben. Würde dieses nicht beliebt und würde den Städten noch ein 21. Abgeordneter zugewiesen, so dürften die beiden genannten Städte unter die Vertretungsberechtigten aufgenommen und die Gruppen darnach entsprechend eingeteilt werden. Auch Minister v. Lasser cund der Leiter des Finanzministeriums (letzterer aufgrund der Anschauungen aus seiner früheren Dienstleistung in Böhmen)c und der Leiter des Finanzministeriums (letzterer aufgrund der Anschauungen aus seiner früheren Dienstleistung in Böhmen) führte den beiden Städten Rumburg und Brüx das Wort, die eben ihrer Bedeutung wegen in dem 1855 vorbereiteten Entwurfe zur Vertretung beantragt waren. Minister Graf Szécsen war vom allgemeinen konservativen Standpunkte aus gegen das Prinzip, der politischen Berechtigung die Volkszahl zum Grunde zu legen. Vielmehr soll sie, auf historischer Basis beruhend, als ein Rechtd angesehen werden, das dem positiven Gesetze, nicht einer Zufälligkeit, wie dies die wandelbare Volkszahl ist, seinen Ursprung verdankt. Er würde daher vorziehen, von der Beziehung auf die Bevölkerung in diesem Absatze des Paragraphes ganz abzugehen und einfach zu sagen: „20 oder 21 Abgeordnete der nachbenannten Städte“.

Hiermit vereinigte sich auch in der Sitzung vom 18. November 1860 (wobei statt des Kriegsministers FML. Ritter v. Schmerling intervenierte) die Stimmenmehrheit der Konferenz unter Aufnahme der Städte Brüx und Rumburg in das Verzeichnis. Der Staats- und der Polizeiminister (welcher letzterer schließlich sich dem Ausdrucke „meistbevölkerten“ konformierte) blieben bei dem ursprünglichen Texte des Absatzes; würde aber „nachbenannten“ beliebt, so wäre der Polizeiminister ebenfalls für die Aufnahme von Brüx und Rumburg.

[§ 6] Ad 7. Da die Bedeutung der böhmischen Handelskammern sowohl in bezug auf die Zahl ihrer Mitglieder als auch in bezug auf die Entwicklung der von ihnen vertretenen Bezirke eine sehr verschiedene ist, so beantragte der Staatsminister selbst, daß von der Bestimmung einer gleichen Anzahl der Abgeordneten (zwei für jede Kammer) sowie von der Höhe des im § 8 sub 2. bestimmten Zensus von 200 f. abgegangen werde. Es sind nämlich bei der Handelskammer in

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|| S. 81 PDF || Um also ein richtiges Verhältnis unter diesen verschiedenen Handelskammern bezüglich der Zahl der Abgeordneten herzustellen, glaubte der Staatsminister, den zwei in Zahl und Steuerleistung der Mitglieder alle anderen überwiegenden Kammern in Prag und Reichenberg je drei, den übrigen drei Kammern einen Abgeordneten für jede zuzuweisen. Sonach entfielen hier im ganzen neun Abgeordnete statt zehn und es würden von der Gesamtzahl der 104 Landtagsmitglieder (§ 4) nach Abrechnung des Kreuzherrn und des zehnten der Handelskammern zwei Deputierte ausfallen. Um weiters den Kreis der Wählbarkeit besonders in den kleineren Handelskammern zu erweitern, welche nur 8, 16 und beziehungsweise 27 mit 200 f. besteuerte Mitglieder zählen, würde der Staatsminister glauben, daß der Wahlzensus bei allen von 200 f. (§ 8 sub 2) auf 100 f. herabgesetzt werde.

In Ansehung der Zahl der den Handelskammern zu gewährenden Abgeordneten bemerkte der Minister v. Lasser , daß die Handelskammer in Eger, ungeachtet der geringen Zahl ihrer mit 200 f. und 100 f. besteuerten Mitglieder, dennoch mit Rücksicht auf die ihr obliegende Vertretung eines ausgedehnten und durch die wohl kleine aber im Erzgebirge sehr ausgebreitete Industrie wichtigen Bezirkes mehr Beachtung verdiene als jene von Pilsen und Budweis, und daß ihm daher der Sprung von drei Abgeordneten für Prag und Reichenberg auf einen für Eger zu stark zu sein scheint. Er würde daher dem Antrage des Staatsministers mit der Modifikation beitreten, daß für die Handelskammer in Eger zwei Abgeordnete bestimmt werden. Sonach bliebe die Gesamtzahl der Handelskammer­deputierten zehn, es fiele somit von der Zahl der 104 Abgeordneten nur mehr einer aus, der dann auch ohne Anstand den städtischen Abgeordneten unter Voraussetzung der Einbeziehung von Brüx und Rumburg in die Vertretung zugegeben werden könnte. Hiermit war die Konferenz einverstanden.

Bezüglich des Zensus kam die Frage zur Sprache, ob unter der Steuer von 200 f. beziehungsweise 100 f. bloß die Erwerbsteuer oder Einkommensteuer oder auch Realsteuern begriffen sein sollen. In den bisher erschienenen Statuten ist eben auch nur der Ausdruck „direkte Steuer“ gebraucht worden. Wenn, bemerkte Ritter v. Lasser, bloß die Steuer berücksichtigt werden wollte, welche von dem industriellen Etablissement des betreffenden Mitglieds entrichtet wird, so wäre ein gleicher Zensus für alle von 50 fr. hinreichend, weil der Wahlkörper selbst genügende Garantie gewährt, daß eine gute Wahl getroffen werde. Hiermit war auch der Leiter des Finanzministeriums einverstanden. Mit Rücksicht jedoch auf den Umstand, daß in den übrigen Landesstatuten auf einen so niedrigen Satz nicht herabgegangen worden ist, mit Rücksicht ferner auf den überwiegenden Vorzug der Handelskammern von Prag und Reichenberg über die anderen, war die Majorität für den Antrag des Polizeiministers, bei Prag und Reichenberg 200 f., bei den übrigen Kammern 100 f. als Zensus festzusetzen.

§ 7. Dem Minister Graf Szécsen schien bei einem Landtagskörper von 100 oder 104 Personen die Wahl von Ersatzmännern nicht notwendig zu sein. Sie besteht auch in Ungern nicht und dürfte hier umso mehr entfallen, als vorübergehende Verhinderungen einzelner Mitglieder bei einem so großen Körper kaum fühlbar sein können, für bleibende Ausfälle aber durch Nachwahlen zu sorgen wäre.

Nach der Gegenbemerkung des Staatsministers aber handelt es sich darum, die Gelegenheit zu Agitationen während der Landtagsperiode zu vermeiden, welche zuverlässig || S. 82 PDF || gegeben wären, wenn Nachwahlen stattfinden müßten. Auch könnte durch den zufällig gleichzeitigen Abgang mehrerer Abgeordneter einer und derselben Kategorie leicht das Gleichgewicht gestört werden, das man rücksichtlich der verschiedenen Stände beim Entwurfe zu wahren beflissen war. Die Mehrheit der Konferenz war daher für die Ersatzmänner, wobei der Leiter des Finanzministeriums nur darauf aufmerksam machte, daß, wenn das Prinzip der Ersatzmänner bei den Landtagen aufrecht erhalten wird, es auch bei dem Reichsrate angenommen werden müsse, weil es dort wegen des Verhältnisses der einzelnen Kronländer gegeneinander umso notwendiger ist, die Vollzahl der von den Ländern gewählten Reichsräte zu erhalten.

Im § 8 ad 1. muß gemäß der zu § 5, II., gemachten Bemerkung nach den Worten „land- oder lehentäflich“ eingeschaltet werden „vormals jurisdiktionsberechtigten“.e Ad 2. würde nach dem oben zu § 6, Art. 7, Erörterten der Zensus der wählbaren Handelskammermitglieder zu berichtigen sein. Außerdem beantragte der Minister v. Lasser die Streichung der Worte „im Kammerbezirke wohnen“ als zu beschränkend, was auch allseitig angenommen wurde.

Schließlich brachte der Staatsminister die Frage zur Sprache, ob nicht auch das Erfordernis der christlichen Religion aufzunehmen sei, was in den bisher erschienenen Statuten nicht vorkommt, weil in den Ländern, für welche sie bestimmt sind, die Juden zum Besitz und Wohnsitz ohnehin nicht berechtigt sind. In Böhmen ist dies nun anders; es können Juden gewählt werden; indessen glaubt man nicht, daß es oder wenigstens daß es häufig geschehen werde, und man besorgt, daß eine ausdrückliche Ausschließung der Juden zu sehr verletzen würde. Der Staatsminister hat daher jenes Erfordernis nicht aufgenommen, womit die Konferenz umso mehr einverstanden war, als der Leiter des Finanzministeriums versicherte, daß nach der Äußerung der Judennotabilitäten eine derartige Exklusive den deprimierendsten Eindruck auf die Geldwelt des In- und Auslandes hervorbringen würde, was ihm natürlich von seinem Standpunkte aus höchst unangenehm sein müßte.

§ 10, 2. Zeile, können die Worte „der Oberstlandesoffiziere und“ wegbleiben, weil die Funktionsdauer derselben schon im § 5, II., bestimmt ist und weil, wenn nicht die hier genannten Landesoffiziere speziell aufgeführt werden, darunter auch der Oberstburggraf begriffen wäre, was nach § 3 nicht angeht.

Im 2. Absatze wünschte Minister Graf Szécsen die Worte „aus wichtigen Gründen“ zu beseitigen, denn der Kaiser hat unzweifelhaft das Recht, den Landtag vor Ablauf der Landtagsperiode aufzulösen, ohne über die Gründe Rechenschaft zu geben. Blieben jene Worte, so gäben sie Anlaß zu der Vermutung, der Landtag dürfe sich in eine Erörterung über die Wichtigkeit der Gründe einlassen.

Weiters brachte der Ministerpräsident die Frage zur Sprache, was mit den in den Reichsrat berufenen Landtagsmitgliedern zu geschehen habe, wenn während ihrer Verwendung im Reichsrate der Landtag, dem sie angehören, aufgelöst würde.

Der Staatsminister hielt es nicht für wünschenswert, daß der Reichsrat berufen werde, während die Landtage fungieren. Sollte es gleichwohl geschehen und inzwischen ein oder || S. 83 PDF || der andere Landtag aufgelöst werde, so müßte der einem solchen angehörende Reichsrat austreten, indem sein Mandat mit dem Erlöschen des Mandatars ebenfalls aufhört. Minister v. Lasser bemerkte dagegen, welche Störung hiermit in die Funktionen des Reichsrates gebracht würde und zwar unnötigerweise, indem der aus dem Landtage gewählte Reichsrat nicht der Vertreter des Landtags, sondern des Landes selbst ist, und dies auch dann bleibt, wenn der Landtag aufgelöst wäre.

Hierüber wird übrigens bei der Beratung über das Reichsratsstatut noch das weitere erörtert werden können.

§ 11 lautet nach einer vom Grafen Nostitz entworfenen Alternative dahin, daß den Landtagsmitgliedern eine Entschädigung gebühre, welche, damit der Landesfonds nicht zu sehr in Anspruch genommen wird, aus den Wahlkreisen entrichtet werden soll.

Der Staatsminister zieht jedoch seine Textierung vor, der auch die mehreren Stimmen der Konferenz beitraten, Minister v. Lasser mit der Beschränkung, daß nur den gewählten Mitgliedern eine Entschädigung zugesprochen werde. Graf Szécsen , FML. Ritter v. Schmerling und der Ministerpräsident waren dagegen für die Streichung des Paragraphs, weil, wenn auch nichts hierwegen im Statut gesagt ist, dem Landtage doch freisteht, solche Entschädigungen zu bewilligen, der Ministerpräsident aber aus dem Grunde, weil er prinzipiell gegen bezahlte Landesvertreter ist.

§ 14. Konform mit seinem in Übereinstimmung mit Graf Nostitz vorgeschlagenen Antrage verteidigte der Polizeiminister die Bestellung des Landesausschusses durch das Gesetz in der Art, daß derselbe unter seinen acht Mitgliedern einen Vertreter aus den im § 5 sub I und III, einen aus den im § 6 sub 3, einen aus den im § 6 sub 4, einen aus den sub 5, einen aus den sub 3, 4 und 5 benannten Landtagsgliedern, endlich drei aus jenen der im § 6 sub 6 und 7 gedachten Landtagsgliedern zusammengesetzt werde. Zweck des Antrages ist, dem Landtagsausschusse, der als das vollziehende Organ des Landtags mit wichtigen Funktionen betraut und gewissermaßen ein fortgesetzter Landtag, ein Landtag im kleinen ist, in seiner Zusammensetzung und in dem Verhältnisse seiner Mitglieder aus den verschiedenen Stände- und Interessengruppen den Charakter des Landtags selbst im vornhinein zu sichern. Wird die Bildung des Ausschusses unbedingt der Wahl des Landtages überlassen, so ist zu besorgen, daß eine im Landtage vorherrschende Partei sich der Wahl bemächtige und dabei ihr Übergewicht auch in den Ausschuß übertrage, der dann nicht mehr der Repräsentant des Landtags in seiner verfassungsmäßigen Zusammensetzung, sondern der Vertreter der herrschenden Partei sein würde.

Auch der Minister v. Lasser hielt es für nötig, daß die Art der Zusammensetzung des Ausschusses schon im vornhinein normiert werde, damit derselbe gleich beim ersten Landtage zuverlässig und im Sinne der Regierung zustandekomme. Denn es wäre möglich, daß der erste Landtag sich darüber nicht zu einigen vermöchte oder eine der Regierung unliebsame Kombination beschließen würde, wo dann doch das Einschreiten der Regierung geboten sein dürfte. Nur in der Modalität der Zusammensetzung wich Minister v. Lasser von dem Antrage des Polizeiministers ab, indem er mit Rücksicht auf die Größe der Landtagsgruppen, welche von zehn bis über zwanzig Mitglieder variieren, denjenigen Gruppen, welche zehn Individuen in den Landtag stellen, also: 1. den persönlich Berechtigten, 2. den Vertretern des gebundenen Besitzes, 3. den Handelskammern je einen, || S. 84 PDF || zusammen drei, den übrigen drei aus 20 oder über 20 Vertretern bestehenden Landtagsgruppen je zwei, zusammen sechs, im ganzen also neun Ausschußbeisitzer zuteilen, somit, seiner Überzeugung nach, das getreueste Abbild des Landtags im kleinen darstellen würde.

Der Staatsminister erklärte sich im Grundsatze gegen die Bestimmung über die Zusammensetzung des Ausschusses durch das Statut, weil ihm solche gegen die Autonomie des Landtages in inneren eigenen Angelegenheiten zu verstoßen scheint, auch in keinem der bisher publizierten Statute angenommen worden ist. Dieser Ansicht trat auch der ungrische Hofkanzler fund der Vertreter des Kriegsministersf bei.

Alle übrigen Votanten aber erklärten sich für die Bestimmung der Art der Zusammensetzung des Ausschusses durch das Statut. Was die Auswahl zwischen den beiden Alternativen des Polizeiministers und des Ministers v. Lasser betrifft, so war stante concluso in thesi der Staatsminister für die Ansicht des Polizeiministers, welcher sich auch die Mehrheit der Konferenz anschloß, indem die Zahl von acht Mitgliedern die historische Berechtigung für sich hat und die Notwendigkeit entfällt, dem Vorsitzenden das calculumg Minervae einzuräumen5, welches notwendig wäre, wenn bei neun Beisitzern und dem Präsidenten, zusammen also zehn Votanten, sich die Stimmengleichheit, fünf gegen fünf, ergab. Der Leiter des Finanzministeriums trat der Meinung des Ministers v. Lasser bei.

Dem Majoritätsantrage gemäß würde also der § 14 zu lauten haben: „Der Landesausschuß besteht aus acht Beisitzern und zwar etc.“ folgen die Details.

Schließlich beantragte Minister v. Lasser noch den Zusatz, daß die Funktion des Landesausschusses auch nach der Auflösung des Landtages fortzudauern habe, bis er durch eine neue Wahl der Beisitzer ersetzt ist, was auch allseitig angenommen wurde, weil die administrative Funktion des Ausschusses nicht stillstehen kann.

§ 15. Dieser Paragraph wurde nach dem vom Graf Szécsen zu dem bezüglichen Paragraphen des Landesstatutes für ob der Enns gestellten Antrage entworfen6. Nach reiflicher Überlegung fand Graf Szécsen selbst diese Textierung nicht für passend, weil sie zu der Auslegung Anlaß geben könnte, als hätte der Landtag bei keinem jener Gegenstände mitzuwirken, welche der Kompetenz des Reichsrates oder der gemeinsamen Behandlung desselben nach Art. III des Diploms vom 20. Oktober 1860 vorbehalten sind, während doch nach dem Inhalt der Art. I und III vorausgesetzt werden muß, daß er bei legislativen Angelegenheiten, welche nicht ausschließend dem Reichsrate vorbehalten sind (Art. II), wenigstens gehört werde. In ähnlicher Weise sprach sich Minister v. Lasser aus und schlug nach längerer Besprechung der Art, wie diese Auslegung im § 15 zur Geltung zu bringen wäre, ohne sich in eine eigentliche Auslegung der Art. I und III des Diploms einzulassen (welche, wie der Leiter des Finanzministeriums bemerkte, die Befugnis des Ministeriums überschreiten würde) folgende Fassung des § 15 vor: || S. 85 PDF || „Der Landtag ist berufen, bei der Ausübung der gesetzgebenden Gewalt nach Maßgabe der Bestimmungen des kaiserlichen Diploms zur Regelung der inneren staatsrechtlichen Verhältnisse der Monarchie vom 20. Oktober 1860 mitzuwirken. Er ist berechtigt, sich etc.“ wie im Entwurf. Hiermit war die Konferenz einverstanden.

Im zweiten Absatze des § 15 beantragte der Leiter des Finanzministeriums die Weglassung der Worte „nach Maßgabe dieses Statuts“, wogegen der Staatsminister auf deren Beibehaltung einen Wert legte, damit der Landtag sich seine Kompetenz gegenwärtig halte.

Der Schlußabsatz hätte nach der vom ungrischen Hofkanzler und FML. v. Schmerling geteilten Ansicht des Grafen Szécsen als selbstverständlich zu entfallen, jedenfalls wäre darin das Wort „gründlich“ als fast beleidigend für den Landtag zu streichen. Die übrigen Votanten aber waren für die Beibehaltung des dritten Absatzes, jedoch, wie Minister v. Lasser beantragte, in der bei den publizierten Landesstatuten gebrauchten Textierung: „Er hat über alle Gegenstände, worüber er von der Regierung zu Rate gezogen wird, Gutachten und Vorschläge abzugeben.“ Der Staatsminister legte keinen besonderen Wert auf die Beibehaltung dieses Absatzes, war aber, falls sie beliebt würde, auch nicht gegen die oben vorgeschlagene Fassung.

§ 19. Da wir, bemerkte Minister v. Lasser , eine allgemeine definitive Städte- und Landgemeindeordnung noch nicht haben, dem Landtage aber, wie der Staatsminister hervorhob, der Einfluß auf das Gemeindewesen gewahrt bleiben muß, so wurde nach dem Antrage des ersteren und des Polizeiministers eine etwas allgemeiner gehaltene Textierung des Paragraphes von der Stimmenmehrheit in der Art beliebt: „Der Landtag hat auf die Angelegenheiten der Gemeinden im Lande denjenigen Einfluß zu üben, der ihm nach den bestehenden oder verfassungsmäßig zu erlassenden Gemeindegesetzen zukommt.“ Minister Graf Szécsen nähme keinen Anstand, den Paragraphen zu streichen, weil der Landtag eben durch die Gemeindegesetze den Einfluß auf die Gemeindeangelegenheiten erhält, nicht aber durch das Landesstatut.

Im § 22 hat das Wort „gründliche“ nach dem oben bei § 15 Bemerkten zu entfallen. Desgleichen wurde vom Polizeiminister beantragt, die Worte „im Namen der Gesamtheit des inkolatsberechtigten böhmischen Adels“ zu generalisieren durch die Worte „für besondere Körperschaften“. Hiermit wäre die Möglichkeit geboten, die Detailbestimmungen des zweiten Absatzes des Paragraphen wegzulassen. Die Konferenz war mit obigem Antrage einverstanden, die Detailbestimmungen aber könnten bleiben, da sie nicht taxativ, sondern nur mit dem Eingange: „Hierher gehört namentlich etc.“ aufgeführt sind.

Sitzung am 20. November 1860. Vorsitz und Gegenwärtige wie am 18. n. M.

[§ 23] Beim Beginn der Beratung über das III. Hauptstück „Geschäftsbehandlung“ nahm Minister Graf Szécsen aus dem vom Polizeiminister gemachten, weiter unten erörterten Antrage auf Zulassung der Abteilung der Landtagsversammlung in zwei Kurien Veranlassung, seine bei § 4 vorbehaltene Meinung zu entwickeln7. Seiner Meinung nach || S. 86 PDF || sollte der große böhmische Landtagskörper in zwei voneinander gesonderte selbständige Körper, ein Ober- und ein Unterhaus, oder welche Benennung man ihnen sonst geben will, geteilt werden. In das Oberhaus oder in die 1. Abteilung wären die vermöge § 5, I., II. III. IV. h(mit dem Zusatze jedoch, daß in diesem Falle alle großjährigen Besitzer fideikommissarischer Güter einzutreten hätten)h, dann § 6, 1., 2., 3. und 4. in den Landtag berufenen Personen, in die zweite Abteilung die nach § 6 sub 5., 6. und 7. berufenen Vertreter zu weisen.

In einem so großen und wichtigen Kronlande wie Böhmen schien ihm diese Teilung zulässig, weil nach derselben bei einer Gesamtzahl von 104 Mitgliedern für jede der beiden Abteilungen noch eine ansehnliche Zahl von Mitgliedern entfällt. Hiermit behebt sich auch die Einwendung, die darauf gestützt ist, daß eine solche Teilung in anderen Kronländern wegen der geringen Zahl der Landtagsmitglieder nicht zulässig sei, von selbst. Es ist ferner für Böhmen, wo ein so wichtiges aristokratisches Element wie – außer Ungarn – in keinem anderen Kronlande besteht, von dem höchsten Interesse für das Land und die Regierung, der Aristokratie eine hervorragende politische Stellung einzuräumen und in ihr als einem wesentlich konservativen Elemente dem Thron eine Stütze gegen zersetzende Bestrebungen zu verschaffen, wie sie es in Ungern durch so viele Jahre in der Magnatentafel gewesen ist. In einer Versammlung vereint ist das aristokratische Element in Gefahr, von der Majorität überflügelt zu werden, iwenn man derselben nicht ein unberechtigtes und für die anderen Elemente verletzendes Zahlenübergewicht geben willi, während es in einem selbständigen Körper ein wirkliches Gegengewicht des Demokratischen bildet und der Regierung gegen letzteres dient. Die Einwendung, daß eine solche Trennung in zwei Häuser gegen die historische Berechtigung des Landes sei, kann nicht mehr gelten, sobald, wie sowohl dieser Entwurf als auch die schon publizierten Landesstatute zeigen, in so vielen anderen Beziehungen davon ab- oder darüber hinaus gegangen wird. Wäre doch selbst die Abteilung in Kurien, wie sie vom Grafen Nostitz und vom Polizeiminister beantragt wird, außerhalb der historischen Berechtigung. Sie würde aber auch nach der Ansicht des Votanten alle Nachteile der vollständigen Trennung des Landtags in zwei Körper ohne einen einzigen und zwar den bereits erwähnten wesentlichsten Vorteil, der Stütze für den Thron, mit sich bringen, indem bei der Austragung bloßj materieller Interessefragen in den Kurien die ganze Gehässigkeit der einzelnen Klassen hervortreten und zu unausgesetzten Reibungen unter ihnen Anlaß geben würde. Will man überhaupt Landtage, so muß man darauf gefaßt sein, daß sie sich in großen Ländern zur wahren politischen Bedeutung erheben; die Aufgabe ist dann nur, ihren Wirkungskreis mit dem Reichsratsstatute in Einklang zu bringen und aus jeder Abteilung des Landtags die entsprechende Zahl von Vertretern auch für den Reichsrat zu bestimmen. Wenn man endlich aus der Bildung solcher Landtage in mehreren nichtungrischen Ländern eine Gefahr für die Einheit des Reiches zu sehen vermeint, so dürfte darauf zu erwidern sein, daß die Gefahr sich vielmehr in dem Maße verringert, als dem ungrischen Landtage, || S. 87 PDF || der in seiner Vollberechtigung allein den anderen Ländern gegenüber allerdings gefährlich sein könnte, in mehreren mit ähnlichen politischen Befugnissen ausgerüsteten Landtagen größerer Provinzen ein Gegengewicht gesetzt wird.

Für das Prinzip der Trennung des böhmischen Landtags in zwei selbständige Körper sprachen sich der ungrische Hofkanzler und der Ministerpräsident aus. Ersterer könnte dies mit Rücksicht auf Ungern nur befürworten, wenn die Verhältnisse Böhmens es erfordern, in einem vornehmlich aus erblichen Landtagsmitgliedern gebildeten Hause dem Throne eine Stütze zu geben. Es dürfte auch, wenn der Antrag des Polizeiministers wegen Zulassung von zwei Kurien beliebt würde, kaum bei dieser Einrichtung verbleiben, vielmehr bei dem voraussichtlichen Streben jeder dieser Kurien nach möglichster Selbständigkeit mit der Zeit sich von selbst eine Trennung in zwei politische Körper ergeben, wie diese sich in Ungern entwickelt hat, wo aus der ursprünglich einzigen Versammlung ein Ober- und ein Unterhaus sich gesondert hat. Der Ministerpräsident aber bemerkte zuvörderst zur Widerlegung des aus der historischen Berechtigung abzuleitenden Einwandes, daß in allen Statuten davon abgewichen werde, indem die ständische Vertretung in allen Ländern früher vornehmlich auf dem Erbrechte beruhte, während sie in den seither erschienenen Landesstatuten und hier im Entwurfe auf Wahlen basiert wird. Und doch hat die Erblichkeit entschieden den Vorzug vor den Wahlen, denn sie bildet die Stütze des auf gleichem Grunde ruhenden Throns. Sie ist der mächtigste Hebel für den ungestörten Gang der Regierung und gibt dem politischen Körper, der aus ihr hervorgeht, eine Unabhängigkeit, welche äußeren Einflüssen nie so ausgesetzt ist, wie ein aus Wahlen hervorgegangener. Bestand auch in Böhmen immer nur ein Landtagskörper, so war derselbe doch fast rein aristokratisch. Findet die Regierung es angemessen und notwendig, gegenwärtig von solcher Exklusivität abzugehen und sämtliche Klassen und Interessen der Bevölkerung an der Landesvertretung teilnehmen zu lassen, so entsteht, um nicht einen zu großen Körper zu bilden, die Notwendigkeit, ihn zu teilen, und diese wird von diesem Standpunkte aus sowohl den Vertretern des historischen Rechts einleuchten als auch von der öffentlichen Meinung anerkannt werden. Besorgt man endlich, daß zwei Kammern mehr Übergriffe als eine Versammlung sich erlauben möchten, so dürfte zur Beruhigung dienen, daß die Regierung Übergriffe des einen Hauses mittelst des Gegengewichts durch das andere leichter abwehren kann als die eines vereinigten Landtages.

Die übrigen, also mehreren Stimmen der Konferenz sprachen sich aber gegen die Trennung des Landtags in zwei selbständige Körper aus. Der Staatsminister bemerkte insbesondere: Die Einheit des Landtagskörpers mache den Haupttypus der ständischen Verfassung Böhmens von den ältesten bis in die neuesten Zeiten herab aus und habe denselben durch alle Phasen bewahrt, die sie zu verschiedenen Zeiten ihrer Entwicklung durchgemacht hat. Von dieser historisch fest begründeten Einrichtung in einem so wesentlichen Punkte der Verfassung gegenwärtig abzugehen, ohne daß hierzu vom Lande selbst die mindeste Anregung gegeben oder wenigstens die Wünsche oder Ansichten des Landes darüber vernommen worden wären, schiene jedenfalls sehr bedenklich und nicht begründet. Denn der böhmische Adel habe nicht die politische Stellung, die ihm Graf Szécsen vindiziert, ihm sie aber erst verleihen oder gewissermaßen dazu zu provozieren, liege nicht im Interesse der Regierung, denn es müßte dann dem Landtage überhaupt || S. 88 PDF || ein größerer Wirkungskreis, als nach dem kaiserlichen Diplom vom 20. Oktober zulässig wäre, eingeräumt, seine Wirksamkeit jener des ungrischen Landtags annähernd oder gleich gestaltet, sonach aber, um andere große Länder wie Galizien und Italien nicht zurückzusetzen, diesen das gleiche Recht wie Böhmen gewährt werden. Solchergestalt würde Österreich zu einem Föderativstaate weniger großer Länder, die kleinen aber unterdrückt werden. Der Polizeiminister hob besonders hervor, daß in Böhmen derzeit die Elemente nicht vorhanden sind, unter denen eine Abteilung des Landtags in zwei selbständige Körper gerechtfertigt wäre. Der böhmische Adel, der doch bei einem Oberhause zunächst in Frage käme, hat weder die Stellung noch den Einfluß im Lande wie jener Ungerns. Möglich, daß er ihn erlangt; aber die Regierung hat nicht Zeit mehr, bis dahin mit den Landesstatuten zu warten; der Adel müßte sein politisches Gewicht in das erst zu schaffende neue Institut mitbringen, welches wohl für große, mit wichtigen legislativen Befugnissen ausgerüstete politische Körper berechnet, nicht aber für unsere auf die bloße Mitwirkung bei legislativen Arbeiten beschränkten Landtage geeignet ist. Das Gegengewicht gegen den ungrischen Landtag dürfte auch nicht in ihnen, sondern im Reichsrate zu suchen sein. Minister v. Lasser kerklärte, daß er keineswegs die Angemessenheit der politischen Hebung des aristokratischen Elementes bestreiten und auch die Vorteile des Zweikammersystems nicht verkennen wolle. Diese Erörterungen seien aber nur passend für eine Voraussetzung, die beim böhmischen Landtage nicht eintrete. Alle diese Erörterungen haben Bedeutung für einen förmlich politischen, für einen konstitutionellen Vertretungskörper. Als solchen wolle und dürfe er aber den böhmischen Landtag sich nicht denken. Dieser Landtag dürfe merital nicht mehr Gewalten haben als der steirische, der obderennsische etc.; er hätte im wesentlichen nur die domestica des Landes Böhmen und die ganz speziellen Anliegen desselben zu behandeln. Ihn zu mehr machen, sei eine Gefahr für Österreich. In dessen Interesse liege es,j daß der böhmische Landtag nicht die Stellung haben könne wie der ungrische. Nicht wie dieser dem Könige von Ungern steht der böhmische Landtag dem Könige von Böhmen gegenüber, sondern dem Kaiser von Österreich; es kann daher weder in dem böhmischen noch lirgend einem Landtage der nicht ungrischen Länder der politische Schwerpunkt bezüglich der nicht ungrischen Provinzen und gegenüber dem Gewichte Ungarns gefunden werden, sondern nur in Wien respective im Reichsrate. Dieser Stimmführer hob also hervor, daß für die politischen Aufgaben, die dem böhmischen Landtage zugedacht sind, die Trennung desselben in zwei Häuser nicht erforderlich sei.k Der Leiter des Finanzministeriums legte mehr Gewicht für die Garantie der Einheit der Monarchie in denjenigen Teil der Vertreter, der nach dem Antrage des Grafen Szécsen in die zweite Kammer || S. 89 PDF || gehören würde als in die Aristokratie der nicht ungrischen Kronländer, mdagegen könne er in der Kräftigung des Adelselementes durchaus keine Stütze der Reichsgewalt erblicken. Ferner scheint ihm jede zu große politische Bedeutung der Landtage für die Reichseinheit gefährlich, welche nur durch eine wahrhaft politische Wirksamkeit des Zentralorganes, d. i. des Reichsrates, garantiert und überhaupt ermöglicht werden kann. Auch habe die Aristokratie der nicht ungarischen Kronländer im Volke gar keine Sympathien, jede weitere Bevorzugung des aristokratischen Elementes würde die ohnehin täglich steigende Abneigung gegen dasselbe in bedenklicher Weise vergrößern,l und FML. Ritter v. Schmerling würde bei dem Mangel der für ein Oberhaus qualifizierten Elemente in Böhmen vorziehen, wenn dem ungeteilten Landtage ein erweiterter Wirkungskreis eingeräumt würde.

Es kam nunmehr der Antrag des Grafen Nostitz beziehungsweise des Polizeiministers über die Zulassung der Kurien für gewisse Gegenstände zur Abstimmung. Nach demselben wäre unter Aufrechthaltung der Regel der Verhandlung in einer Versammlung die Verhandlung in zwei Kurien, deren erste aus den im § 5, I., II., III., IV., dann im § 6 sub 1., 2., 3. aufgeführten Personen unter dem Vorsitze des Oberstburggrafen, die zweite aus den im § 6 sub 4., 5., 6. und 7. erwähnten Abgeordneten unter dem Vorsitze des zweiten Oberstlandesoffiziers bestünde, in dem Falle zu pflegen, wenn dies entweder von Sr. Majestät angeordnet oder von mehr als der Hälfte der Mitglieder der einen oder der andern Kurie verlangt wird. Nach der Verhandlung des Gegenstandes in jeder der Kurien würde bei entgegengesetzten Beschlüssen durch Zusammentreten von Deputierten beider Kurien eine Übereinstimmung zu erzielen versucht werden, und nach dem Scheitern dieses Versuches die Angelegenheit mit den Beschlüssen beider Kurien zur Entscheidung Sr. Majestät vorgelegt. Zur Begründung dieses Antrags führte der Polizeiminister an, daß sich schon früher der Wunsch nach einer solchen Teilung geäußert habe, und daß es an sich als zweckmäßig erkannt werden müsse, bei Fragen, welche die Interessen einzelner Klassen der zur Vertretung Berechtigten in ihrer Gemeinsamkeit betreffen, in getrennten Kurien zu verhandeln, weil dadurch persönliche Reibungen zwischen den in ihren Interessen sich gegenüberstehenden Parteien vermieden werden. Obwohl übrigens eine solche Einrichtung gegenwärtig nach dem Erscheinen des kaiserlichen Diploms vom 20. Oktober zum Teil ihre Wichtigkeit verloren hat, so glaubte der Polizeiminister doch, sie als zweckmäßig zur Annahme empfehlen zu sollen.

Der Staatsminister erklärte sich auch gegen diesen Antrag, weil diese Einrichtung in der böhmischen Verfassung niemals bestanden hat und bei der jetzigen Strömung die Bezeichnung gewisser Personen für die erste oder zweite Kurie Anlaß zu Erörterungen geben würde, die der Regierung Verlegenheiten bereiten könnten. Auch sieht er einen wesentlichen Vorteil für den Abschluß der Verhandlung nicht, weil, wo die Interessen schroff sich entgegenstehen, kaum eine Vermittlung zu erwarten ist, ob nun in getrennten Kurien oder in einer Versammlung verhandelt wurde.

Minister v. Lasser unterstützte den Antrag des Polizeiministers in thesi. So wenig er für zwei getrennte Häuser des böhmischen Landtags stimmen könnte, welche dort nie bestanden, || S. 90 PDF || auch nach der Zahl der Gesamtlandtagsglieder zu kleine Körper werden und auch darum nicht notwendig sein dürften, weil der Zweck der Einrichtung eines Ober- und Unterhauses, das Gleichgewicht bei wichtigen Interessenfragen zu erhalten und eine Überstürzung bei legislativen Arbeiten zu vermeiden, bei Provinziallandtagen mit dem hier beantragten Wirkungskreise nicht so sehr als bei dem ungrischen in Betracht kommt, so hielte er doch eine zeitweilige itio in partes, eine Sonderung der Landtagsversammlung in Kurien für zweckmäßig, um bei gewissen Fragen, wo die besonderen materiellen Interessen einzelner Klassen mit jenen anderer in Konflikt kommen, während der Verhandlung den häuslichen Frieden zu erhalten. Es genügt, beispielsweise die Propinations-Patronatsrechte, Steuer auf Rübenzucker etc. zu erwähnen. Werden solche Angelegenheiten in Kurien verhandelt, so entfallen die in der Generalversammlung kaum vermeidlichen persönlichen Reibungen, und es ist bei der gegenseitigen Unterhandlung durch Deputierte der Kurien eine Ausgleichung eher zu erwarten als bei voller Landtagsversammlung. Auch der Analogie mit der Zusammensetzung des Landesausschusses entspricht die Abteilung der Kurien nach Gruppen. In formali sprach sich dieser Votant für den Antrag des Grafen Nostitz aus.

Die übrigen, also mehreren Stimmen vereinigten sich zwar auch in dem Antrage auf die Zulassung der Kurien, jedoch mit der vom Staatsminister vorgeschlagenen, auch vom Polizeiminister angenommenen Modifikation, daß die Zulassung der Kurien nie von Sr. Majestät abhängig gemacht, auch nicht von der Mehrheit einer Kurie, sondern von der Mehrheit der ganzen Landtagsversammlung ausgesprochen werde. Hiernach würde ein diesen Anträgen entsprechender Zusatz dem § 23 einzuschalten sein.

Im übrigen wurden bei diesem Paragraphen noch folgende Textesänderungen beliebt: Der erste Absatz entfiele als selbstverständlich, und würde stattdessen im zweiten nach den zwei ersten Worten „Die Sitzungen“ eingeschaltet werden „des Landtags“. Im dritten Absatz beanständete der Polizeiminister , daß der Vorsitzende die zu verhandelnden Gegenstände zu bestimmen habe; es würde dies den Anschein haben, als könnte er Gegenstände von der Verhandlung ganz ausschließen. Es wurde also dieser Absatz folgendermaßen textiert: „Der Vorsitzende bestimmt die Reihenfolge der zu verhandelnden Gegenstände.“

§ 24 a. Wenn der Statthalter nicht zugleich Oberstburggraf, also Präsident des Landtags ist, so hielt Graf Szécsen dessen persönliches Erscheinen auf dem Landtage zur Verteidigung der Regierungsvorlagen nicht für angemessen, weil er Angriffen ausgesetzt ist. Se. Majestät haben, bemerkte der Staatsminister , zwar schon entschieden, daß er nicht persönlich zu erscheinen habe. Allein, es kann in wichtigen Angelegenheiten notwendig oder doch sehr nützlich sein, wenn er selbst kommt, die gewünschten Aufklärungen gibt und die gemachten Einwürfe widerlegt. Se. Majestät wären daher zu bitten, daß ihm diese Befugnis sowie das Recht, jederzeit das Wort zu ergreifen, gewahrt werden möge. Die Konferenz war hiermit einverstanden und nahm den hienach vom Minister v. Lasser formulierten Zusatz an: „Der Statthalter ist berechtigt, auf dem Landtage persönlich oder durch einen Stellvertreter zu erscheinen und jederzeit das Wort zu ergreifen.“

§ 25 wurde der Schlußabsatz zur mehreren Deutlichkeit also abgefaßt: „Der Vorsitzende hat das Recht mitzustimmen, und bei gleichgeteilten Stimmen gibt die seinige den Ausschlag.“

|| S. 91 PDF || § 27, erster Absatz. Da der Landtag, bemerkte der Polizeiminister, das Recht hat, Immediatvorstellungen Sr. Majestät zu überreichen, so ist auf diese die Regel, daß alle Verhandlungen im Wege des Statthalters zur Kenntnis des Kaisers gelangen, nicht anwendbar. Es wäre also in dieser Beziehung eine Ausnahmsbestimmung in den Paragraphen einzuschalten.

Hierüber bemerkte der Staatsminister , Se. Majestät würden über solche Immediatvorstellungen so wenig als über Ah. signierte Gesuche unmittelbar, ohne Einvernehmung der Behörden entscheiden, sondern dieselben vorläufig an den Statthalter zur Äußerung gelangen lassen. Es sei also im Wesen einerlei, ob solche Immediatvorstellungen unmittelbar an Se. Majestät gelangen und dann vom Statthalter vergutachtet werden, oder ob sie gleichzeitig mit dem Gutachten desselben vorgelegt werden. Letztere Modalität würde sich wenigstens als die einfachere und kürzere empfehlen. Legen die Stände einen besonderen Wert darauf, solche Eingaben unmittelbar vor den Thron zu bringen, so mögen sie es tun. Es handelt sich auch, fügte Minister v. Lasser hinzu, nicht darum, daß alle Verhandlungen des Landtages, namentlich über domestica, in denen er nach seinem Wirkungskreise verfügt, zur Entscheidung, sondern nur zur Kenntnis des Kaisers gebracht werden. Für letzteres genügt die Vorlage der Sitzungsprotokolle; für die zur Ah. Entscheidung vorzulegenden Angelegenheiten ist der Weg in den allgemeinen Vorschriften vorgezeichnet. Es dürfte also genügen, wenn im ersten Absatz § 27 bloß gesagt würde: „Die Sitzungsprotokolle des Landtags sind im Wege des Statthalters zur Kenntnis des Kaisers zu bringen.“ Hiermit war die Konferenz einverstanden.

§ 28. Da, wie der Ministerpräsident bemerkte, die vom Präsidenten sistierten Beschlüsse Gegenstände betreffen können, worüber der Landtag selbst oder worüber eine höhere Instanz entscheidet, so wurde zur Aufrechthaltung dieses Unterschiedes die auch in den anderen Landesstatuten erscheinende Klausel beliebt, daß der Vorsitzende die Ausführung eines solchen Beschlusses „insofern derselbe nicht ohnedies einer höheren Genehmigung bedarf“ sistiere und zur Ah. Schlußfassung vorlege.

Im § 29, zweiter Absatz, wurde der Schluß: „insoweit dies der vorhandene Raum gestattet“ als selbstverständlich weggelassen.

Anhang. Wahlordnung für den Landtag.

§ 1. Der Polizeiminister wünschte, daß der Wahlmodus des Domkapitels näher bestimmt werde, und zwar durch Vorschreibung der absoluten Stimmenmehrheit und, falls diese bei dem ersten und zweiten Scrutinium nicht erreicht würde, durch relative Mehrheit beim dritten. Denn es hat die Erfahrung früherer Jahre gezeigt, daß die Stimmen sich so zersplitterten, daß die Wahl vereitelt wurde.

Der Staatsminister erachtete jedoch nicht auf diesen Antrag einzugehen, um die bisherige Autonomie des Kapitels nicht [zu] beschränken, dessen Sache es sei, sich über einen Ablegaten zu vereinigen.

§ 3. Würde der Eingang im Sinne der Abstimmung zu § 6 ad 3. zu modifizieren sein.

Außerdem beantragte der Polizeiminister zum Schlusse des ersten Absatzes dieses Paragraphes, daß statt der Einsendung von Stimmzetteln der nicht persönlich erscheinenden Wähler die Bevollmächtigung zugestanden werden möge, und daß zur Wahl die absolute Stimmenmehrheit erforderlich und nur, wenn diese im ersten und zweiten || S. 92 PDF || Scrutinium nicht erreicht wird, die relative Mehrheit entscheidend sei. Die Wahlzettel geben nämlich Anlaß zu großer Zersplitterung der Stimmen und unterstützen die Bequemlichkeit der Wähler, die sich gern von der persönlichen Teilnahme an der Wahl dispensieren.

Der Antrag wegen Zulassung der Bevollmächtigung wurde allseitig angenommen, jedoch mit der Beschränkung, daß niemand außer seiner eigenen Stimme mehr als zwei Stimmen mandatario nomine abgeben dürfe.

Was die Forderung der absoluten Stimmenmehrheit betrifft, so würde der Staatsminister die Modalität seines Entwurfs, wornach die zehn, welche die meisten Stimmen erhielten, gewählt sind, vorziehen, weil sie die einfachste ist und jede Wiederholung des Wahlakts entbehrlich macht, während, wenn die absolute Mehrheit verlangt wird, es sehr oft zum zweiten und dritten Scrutinium kommt.

Die Mehrheit der Konferenz sprach sich jedoch für die Forderung der absoluten Stimmenmehrheit aus, weil es sonst, wie der Polizeiminister bemerkte, geschehen könnte, daß jemand durch relative Mehrheit gewählt wird, welcher der absoluten mißfällt. Wird bei dem ersten und zweiten Scrutinium die absolute Mehrheit nicht erreicht, so wäre nach dem Antrage des Ministers v. Lasser beim dritten Wahlgange die engere Wahl zwischen denjenigen nzwei Personenm vorzunehmen, welche die relativ meisten Stimmen oim zweiten Wahlversuche erlangt haben; und bei gleichen Stimmen entscheide das Los.n

Um endlich auch für die Ersatzmänner bessere Wahlen zu erzielen, schlug Minister Graf Szécsen vor, dieselben ebenfalls unmittelbar wie die Landtagsabgeordneten selbst, aber nach diesen wählen zu lassen, was auch angenommen wurde.

Ihre Zahl dürfte nach dem Erachten des Polizeiministers auf die Hälfte der Abgeordneten, also auf 5, beschränkt werden.

§ 4. Der Polizeiminister fand die Anzahl der zu bildenden Wahlkreise zu groß und somit den Umfang der einzelnen zu klein, um darin den nicht gebundenen großen Grundbesitz gehörig berücksichtigen zu können. Als Beispiel führte er den Budweiser Kreis an, in welchem sich nur zwei Großgrundbesitzer befinden. Um daher eine dem Verhältnisse des großen Grundbesitzes mehr entsprechende Einteilung zu bewirken, schlug er vor, statt zwölf nur sechs Wahlkreise zu bilden und jedem derselben statt zwei vier Vertreter zuzuweisen.

Der Staatsminister erklärte sich hiermit einverstanden und behielt sich vor, einen eigenen Paragraphen für den mittleren und kleinen Grundbesitz und dessen Einteilung in p24 Wahlbezirkeo einzuschalten.

Bezüglich der Ersatzmänner hätte die Bemerkung zu § 3 zu gelten.

Zu § 5. Die Bestimmungen hinsichtlich der Einsendung der Stimmzettel hätten nach den oben angenommenen Bemerkungen zu entfallen, so wie jene bezüglich der Teilnahme der Frauen.

|| S. 93 PDF || Miteigentümer haben nach dem Entwurfe gemeinschaftlich nur eine Stimme abzugeben. Minister v. Lasser würde es für zweckmäßiger halten, wenn sie, statt hiernach alle beim Wahlakte zu erscheinen, aus ihrer Mitte einen Bevollmächtigten ernennen, der in ihrem Namen die Stimme abzugeben hätte.

Die Konferenz nahm in der Sitzung am 22. November 1860 (im Beisein des Kriegsministers und Abwesenheit des ungrischen Hofkanzlers) diesen Vorschlag an, welchem gemäß die bezügliche Stelle des § 5 abzuändern sein würde.

Zum unmittelbar folgenden Absatze erneuerte der Polizeiminister seinen schon bei dem Statute für [Österreich] ob der Enns gemachten Antrag8, auch moralische Personen, wenn sie im Besitze der hier zur aktiven Wahlfähigkeit erforderlichen Realität sind, durch ihre gesetzlichen oder ad actum zu ernennenden Bevollmächtigten an der Wahl teilnehmen zu lassen, bestand jedoch nur in dem Falle auf diesem Antrage, wenn dieser Grundsatz auch in allen übrigen Landesstatuten durchgeführt wird.

Der Staatsminister erklärte sich wie früher gegen diese Modalität, und Minister Ritter v. Lasser fügte hinzu, daß, nachdem von den in Böhmen bestehenden 925 Gütern der Kategorie dieses Paragraphes nur 29 in den Händen geistlicher, 37 in den Händen weltlicher Kommunitäten (meistens Städte) sich befinden, die ersteren aber ohnehin durch § 6 sub 1., die letzteren durch § 6 sub 6. ausreichend berücksichtigt sind, eine weitere Vertretung derselben noch aus dem Titel des Grundbesitzes nicht notwendig sein dürfte.

Bei der Wahl selbst hätte wie oben ad § 3 die absolute Stimmenmehrheit zu entscheiden, und im dritten Wahlgang die engere Wahl zu erfolgen; ebenso wären die Ersatzmänner besonders zu wählen.

§ 6. Was die Anfertigung der Verzeichnisse der Wahlberechtigten (welche, wie Graf Szécsen bemerkte, richtiger „Wählbare“ heißen sollten) betrifft, so machte der Polizeiminister auf die Unmöglichkeit aufmerksam, bei der Masse von mittleren und kleinen Grundbesitzern (in den 260 – 270 Gemeinden eines Wahlbezirks) solche Verzeichnisse zustandezubringen. Der Staatsminister würdigte diese Bemerkung vollkommen und schlug vor, daß die von den Gemeinden gesendeten Wähler ein von dem Steueramte ihres Bezirks beglaubigtes Verzeichnis der in ihrer Gemeinde befindlichen wählbaren Grundbesitzer mitzubringen haben, wornach die Verfassung und Publizierung der im Entwurfe gedachten Verzeichnisse und die hierauf Bezug nehmenden Bestimmungen entbehrlich wären. Die Konferenz war hiermit einverstanden.

Im übrigen wären die Modifikationen wegen Einsendung der Wahlzettel etc. nach den in den vorausgehenden Paragraphen gemachten Anträgen vorzunehmen.

§ 7, 2. Absatz. Hier brachte der Staatsminister in der Absicht, den Kreis der Wähler aus den zur gemeinschaftlichen Vertretung berufenen Städten zu vergrößern, in Antrag, daß außer den Bürgermeistern statt je zwei je sechs gewählte Mitglieder des Gemeindeausschusses zur Wahl zusammenzutreten haben, was auch allseitig angenommen wurde.

Auf die Bemerkung des Ministers v. Lasser , daß kein besonderer Grund vorhanden sein dürfte, hier eine mündliche Abstimmung vorzuschreiben, nachdem sonst überall || S. 94 PDF || mittelst Abgabe von Stimmzetteln gewählt wird, wurde sich in dem Antrage geeinigt, die mündliche Abstimmung fallen zu lassen und [sich] im übrigen wegen Forderung der absoluten Mehrheit sowie wegen abgesonderter Wahl der Ersatzmänner an die zu den vorigen Paragraphen angenommenen Modalitäten zu halten.

Der vierte und fünfte Absatz dieses Paragraphes in betreff der Alternierung bei Ausübung des Wahlrechts wurde über den eigenen Vorschlag des Staatsministers weggelassen, weil sich ein diesfälliges Übereinkommen wahrscheinlich faktisch von selbst machen dürfte.

Nachträglich zum § 8 sub 1. der Landesordnung bemerkte der Minister Graf Szécsen : Da es sehr wünschenswert ist, daß Besitzer land- oder lehentäflicher Güter in einem Wahlkreise oder Bezirke auch dann von den Gemeinden gewählt werden können, wenn sie sich von der betreffenden Gemeinde ausgeschieden haben, so wäre zur Beseitigung jedes diesfälligen, aus der vorliegenden Fassung dieses Absatzes nicht vollkommen zu lösenden Zweifels eine die obige Absicht klar ausdrückende Fassung zu wählen. Minister v. Lasser glaubte, solche in folgender Weise vorschlagen zu sollen, die auch allseitig angenommen wurde: „Außer diesen allgemeinen und den im § 6 angeführten besonderen Erfordernissen der Wählbarkeit müssen endlich 1. die Vertreter des mittleren und kleinen Grundbesitzes in dem betreffenden Wahlkreise entweder a) selbst wahlberechtigte Besitzer eines land- oder lehentäflichen, vormals jurisdiktionsberechtigten Gutskörpers sein oder b) die Wählbarkeit für eine Gemeindevertretung und eine Liegenschaft besitzen, deren“ etc. wie im Entwurf.

Zum Schlusse äußerte der Minister Graf Szécsen noch folgende Wünsche: 1. Es möge Sr. Majestät gefallen, in einer unter dem Ah. Vorsitze abzuhaltenden Konferenz die bei dem Statute für ob der Enns zur Sprache gebrachten und hier wiederholten prinzipiellen Anträge wegen Erweiterung des passiven Wahlrechtes bei Stadtgemeinden zur Entscheidung bringen zu lassen9; 2. in denjenigen Kronländern, für welche die Landesstatute bereits publiziert sind, die Einberufung der Landtage so bald als möglich zu veranlassen und hierwegen den Ah. Befehl an den Staatsminister zu erlassen, was, wie der Staatsminister bemerkte, zunächst davon abhängt, ob Se. Majestät den Allerhöchstdenselben bereits vorgelegten au. Antrag, die Gemeindevertretungen nach dem provisorischen Gemeindegesetze von 1849 erneuern zu lassen, zu genehmigen geruhen10; endlich 3. die dringende Frage über die Stellung der Protestanten in den nichtungrischen Kronländern baldmöglichst zu lösen, indem die befriedigende Lösung derselben den besten Eindruck machen und den gedeihlichen Erfolg der übrigen Regierungsmaßregeln wesentlich zu fördern geeignet sein würde.

In dieser Beziehung sind die Vorlagen beim Kultusministerium vorbereitet, wären also unverzüglich in Angriff zu nehmen11.

AhE. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, am 7. Dezember 1860.