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Nr. 229 Ministerkonferenz, Wien, 17. November 1860 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr (RS. Marherr und Klaps); VS. Rechberg; BdE. und anw. (Rechberg 17./ 30. 11.), Gołuchowski 21. 11., Mecséry 22. 11., Vay 22. 11., Lasser 22. 11., Degenfeld, Szécsen, Plener 29. 11.

MRZ. – KZ. 3954 –

Protokoll der zu Wien am 17. November 1860 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des kaiserlichen Hauses etc. Grafen v. Rechberg.

I. Vorschlag für den Posten eines Statthalters in Böhmen

Der Staatsminister eröffnete seine Absicht, für den erledigten Posten eines Statthalters in Böhmen Sr. Majestät den dermaligen Statthalter in Mähren, Grafen Forgách, au. vorzuschlagen1, und da derselbe das böhmische Inkolat nicht besitzt, mithin nicht zugleich das Amt eines Oberstburggrafen bekleiden kann, dieses letztere seinerzeit nach Aktivierung des böhmischen Landesstatuts2 durch den dem Oberstburggrafen im Range unmittelbar nachstehenden Landesoffizier versehen zu lassen.

Minister Graf Szécsen äußerte das Bedenken, es stehe mit der allgemeinen politischen Richtung der Regierung, den historisch begründeten Wünschen der einzelnen Kronländer möglichst zu entsprechen, nicht im Einklang, wenn an die Spitze der politischen Verwaltung Böhmens ein Mann gestellt würde, der dem Lande nicht angehört und die mit jenem Posten verfassungsmäßig verbundene Stelle des ersten Landesoffiziers nicht bekleiden kann. In dem Augenblicke, wo die Reaktivierung der alten Landeswürden in Ungern teils erfolgt, teils in der Ausführung begriffen ist, würde ein von dem alten Herkommen abweichender Vorgang in Böhmen den übelsten Eindruck im Lande machen, als eine Zurücksetzung desselben gegen Ungern angesehen werden und dem neuen Statthalter seine ämtliche Stellung sehr erschweren. Obwohl minder bekannt mit den Verhältnissen und Persönlichkeiten des Landes würde Graf Szécsen gleichwohl in dem Grafen Clam eine solche Persönlichkeit zu finden glauben, welche für den erledigten Posten in beiden Beziehungen vollkommen geeignet wäre. Sollte diese nicht beliebt werden, so würde er es vorziehen, wenn mit der Besetzung der Statthalterstelle so lange innegehalten würde, bis das Landesstatut publiziert und der erste Landesoffizier ernannt werden kann3.

|| S. 59 PDF || Der Staatsminister entgegnete, er habe bei dem Umstande, daß im Entwurfe für das böhmische Landesstatut die Stelle des Oberstburggrafen dem jeweiligen Statthalter, wenn er die verfassungsmäßigen Eigenschaften besitzt, vorbehalten ist, den für beide Posten geeigneten Grafen Nostitz in Vorschlag bringen wollen4. Nachdem aber dieser die Übernahme beider Posten zugleich abgelehnt hat und die Besetzung der Statthalterstelle unter den gegenwärtigen Verhältnissen nicht länger mehr verschoben werden kann, weil das Land einer kräftigen administrativen Leitung bedarf, der fungierende Vizepräsident5 aber bei aller sonstigen Befähigung derjenigen selbständigen Stellung entbehrt, die hierzu erforderlich ist, azumal derselbe den Statthalterposten nur temporär versieht,a Graf Forgách dagegen aus seiner früheren Dienstleistung in Böhmen mit dem Lande und im Lande wohl bekannt, dort gewiß gut aufgenommen werden wird, endlich eine geeignetere Person für diesen Posten dem Staatsminister [sich] dermal nicht darbietet, so glaubte er auf seinem Antrage umso mehr verharren zu müssen, als seiner bei anderen Gelegenheiten gemachten Erfahrung zufolge die Ah. Genehmigung des Landesstatuts und sohin die Ernennung der böhmischen Landesoffiziere nicht so schnell erfolgen dürfte, um mit der Ernennung des Statthalters ohne Nachteil des Dienstes bis dahin zuwarten zu können6.

Der Polizeiminister würde es zwar auch vorziehen, wenn mit der Besetzung bis zum Erscheinen des Statuts und Ernennung des Landesoffizieres gewartet werden könnte, vorausgesetzt, daß letztere binnen weniger Wochen erfolgte; falls dies aber, wie der Staatsminister andeutete, nicht zu erwarten wäre, glaubte auch er, daß die unverzügliche Besetzung der Statthalterstelle einem länger dauernden Provisorium vorzuziehen sei, indem er nicht besorgt, daß die Ernennung Forgáchs einen positiv üblen Eindruck im Lande machen werde.

Der ungrische Hofkanzler stimmte mit dem Minister Graf Szécsen.

Minister Ritter v. Lasser bemerkte, so wünschenswert es gewesen wäre, wenn bei der ersten Besetzung ein Eingeborener, Inkolatsberechtigter, hätte berücksichtigt werden können, so wenig läßt sich dies als Grundsatz durchführen, denn man kann die Krone nicht zwingen, auf die von ihr abhängigen Posten Männer zu setzen, die ihr Vertrauen nicht besitzen, oder Männer ihres Vertrauens bloß darum auszuschließen, weil sie nicht für die Bekleidung von Landeswürden qualifiziert sind. Wäre mit der Verschiebung der Besetzung ein evidenter Vorteil verbunden, so möchte sie gerechtfertigt sein; allein, die gleichzeitige Ernennung des Statthalters und der Landeswürdenträger nach dem Statut scheint von untergeordnetem politischen Wert zu sein, dagegen die Gefahr umso größer, wenn das Land unter der gegenwärtig schon sich zeigenden Erregung auch nur wenige || S. 60 PDF || Wochen ohne Statthalter bleibt, indem der Vizepräsident schon vermöge seiner untergeordneten Stellung nicht jene Wirksamkeit entfalten kann wie ein wirklicher Landeschef. Minister v. Lasser trat daher der Ansicht des Staatsministers bei, welche auch der Kriegsminister und der Leiter des Finanzministeriums teilten, letzterer übrigens mit dem Zusatze, daß er, falls nicht überwiegende administrative Rücksichten für die sogleiche Besetzung sprächen und falls das Erscheinen des Statuts binnen kurzer Frist erfolgen könnte, auch für die Verschiebung stimmen würde.

Der Ministerpräsident , gestützt auf eine ihm vom Grafen Nostitz selbst gemachte Mitteilung, wie bedenklich es wäre, mit der Besetzung der Statthalterstelle für Böhmen ohne Rücksicht auf das Landesstatut vorzugehen, war in der Erwartung der möglichst raschen Erledigung des letzteren mit der ersten Alternative des Polizeiministers beziehungsweise zweiten des Ministers Grafen Szécsen einverstanden.

Da sich sonach die Stimmen gleich geteilt haben, wurde der Vortrag dieses Gegenstandes für eine unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät stattfindende Konferenz vorbehalten7.

II. Maßregeln gegen die Presse

Se. Majestät haben mit Ah. Handbillet vom 17. November 1860 aus Anlaß eines Artikels im „Wanderer“ vom 13. d. [M.], Nr. 263, über das Landesstatut für Salzburg bden Zustand der Presse als einen Gefahr bringenden zu bezeichnen und das Ministerium aufzufordern geruht, Abhilfe zu findenb .8 Der Polizeiminister bemerkte, er bringe den Gegenstand zum Vortrage, weil es sich nicht nur um einen einzelnen Akt der behördlichen Tätigkeit, sondern vielmehr um die höchst wichtige und folgenschwere Stellung der Regierung zur Presse überhaupt handelt. Die Presse ist der Gradmesser der politischen Zustände und für Österreich, namentlich dem Auslande gegenüber, der Maßstab der größeren oder geringeren Aufrichtigkeit, mit der die Regierung seit dem 20. Oktober den verfassungsmäßigen Weg betritt und verfolgt.

Werden nun die Mittel ins Auge gefaßt, mit denen obiger Ah. Befehl vollzogen und namentlich der von Sr. Majestät beabsichtigte Endzweck, die Besserung der Presse im Regierungssinne, erreicht werden soll, so ergibt sich folgendes: Auf gesetzlichem Boden 1. strafgerichtliche Verfolgung – hängt von der Beurteilung der Gerichte ab – liegt außerhalb der Sphäre des Befehls und bringt ohne Sicherheit des Erfolges durch die Öffentlichkeit und Art des Prozesses in den meisten Fällen mehr Nachteile als Vorteile. || S. 61 PDF || 2. Polizeiliche Beanständigung, Konfiskation. Soll sie gesetzlich bleiben, muß das Strafverfahren nachfolgen, erfolgt es nicht, muß ein zweifelhaft gesetzliches Mittel, die Nichtausfolgung des mit Beschlag belegten Exemplares angewendet werden. Diese Maßregel ist schon deswegen eine unsichere, weil die Durchführung in den Händen untergeordneter Organe (eine Stunde vor der Ausgabe) ruht. 3. Verwarnung. Zur Anwendung dieses Repressivmittels wird eine beharrliche Verfolgung einer gefährlichen Richtung nach den im § 22 der Preßordnung bezeichneten Bedingungen erfordert9. Nur als gerecht angewandte, jeder Willkür ferne liegende Maßregel kann sie ihren Zweck erreichen, das Warum muß deutlich und unzweifelhaft hervortreten, die Motivierung muß umso unantastbarer und verständlicher sein, weil sie in der Hand einer einzelnen Person, des Statthalters, liegt. Wie schwierig diese Bedingungen bei den unendlichen Mitteln, die das Wort als Ausdruck der Gedanken zur Verhüllung derselben bietet, zu erfüllen sind, haben vielfältige Beispiele der letzten Vergangenheit gelehrt. 4. Suspension (§ 22). Das wirksamste Mittel kann erst nach zwei fruchtlosen Verwarnungen angewendet werden, braucht daher Zeit und wirkt nur als vollzogener Akt, nicht als Drohung.

Auf nicht gesetzlichem, aber praktischen Boden stehen als Preßmaßregeln: Rügen – Verbote. Erstere wirken nur gegenüber einer Presse, welche mit der Regierung nicht in prinzipieller Opposition steht, letztere sind nur in bestimmten, meist die auswärtige Politik betreffenden Fragen anwendbar, die sich scharf formulieren lassen, in der inneren Politik aber durchaus nicht, weil eben das Feld des Gefährlichen zu groß ist, und Schweigen ebenso schädlich, ja oft noch mehr als Sprechen ist.

Nebst diesen Repressivmitteln erübrigt nur noch die gütliche Verständigung auf verschiedenen Wegen. Dieselbe braucht Zeit und Geld, erstere insbesondere dann, wenn durch frühere Verhältnisse eine gewisse Gereiztheit und Feindseligkeit der Journale der Regierung gegenüber und einzelnen Organen derselben Fuß gefaßt hat.

Werden nun die eben erörterten Mittel zur Durchführung des Ah. Befehles ins Auge gefaßt, so ergibt sich mit Rücksicht auf die bei den einzelnen Maßregeln gemachten Bemerkungen nach der Überzeugung des Polizeiministers der Schluß: 1. daß die Anwendung der außerhalb des gesetzlichen Bodens stehenden Polizeimaßregeln mehr Schaden als Nutzen bringe; 2. daß aber selbst die formell auf gesetzlichem Boden fußenden, nicht der gerichtlichen, sondern der Polizeisphäre angehörenden Maßregeln nur dann wirksam sein können, wenn sie mit großer Vorsicht und nur in solchen Fällen, dann aber bestimmt und konsequent angewendet werden, wo die gesetzliche Basis unzweifelhaft und schlagend dargetan werden kann. Um den Aussprüchen der Behörden die nötige Sicherheit, das moralische Gewicht, und die Garantie des Ausschlusses jeder Willkür zu geben, behält sich der Polizeiminister vor, insbesondere für die Erteilung von Verwarnungen die Beigebung eines ganz kleinen, zweckmäßig zusammengesetzten Kollegiums für den Statthalter als Beirat zu beantragen. Da eine solche Verfügung im Gesetze nichts ändert, kann sie auch im Verordnungswege erlassen werden. 3. Daß endlich das größte Gewicht auf die früher angedeutete Verständigung mit den Redaktionen zu legen sei, durch welche nicht nur ein negatives, sondern auch ein positives Resultat erzielt werden kann. || S. 62 PDF || Diese Verständigung wird aber von dem Augenblicke [an] unmöglich, wo die Repressivmaßregeln mit Schärfe hervortreten.

Dies ist nach der Anschauung des Polizeiministers der Standpunkt, auf den sich die Regierung gegenüber der Presse allein stellen kann, nachdem am 20. Oktober ein Verfassungsleben proklamiert und organische Einrichtungen ins Leben gerufen wurden, mit denen die frühere Behandlung der Presse durchaus unverträglich ist. Es gibt nur einen Weg noch, der allerdings offen steht, der Weg der Diktatur, er ist besser als der der halben Maßregeln. Er wird vielleicht einmal betreten werden müssen, allein, im gegenwärtigen Momente dürfte er kaum angezeigt sein. Da aber diese Anschauung, wenn sie zum Ziele führen soll, nicht bloß eine vereinzelte sein darf, sondern nur dann durchgeführt werden kann, wenn sie als Ausdruck der Gesamtregierung in ihrer Anwendung auf die einzelnen Fälle mit Sicherheit zur Geltung gebracht werden kann, so erlaubt sich der Polizeiminister den unvorgreiflichen Antrag, für den Fall als die hohe Konferenz demselben beistimmt, einen au. Vortrag an Se. k. k. Ah. Majestät zu erstatten, in welchem unter Darstellung der entwickelten Verhältnisse und Gründe gebeten wird, diese Darstellung zur Ah. Kenntnis zu nehmen und die Festhaltung dieser Grundsätze Ag. zu gestatten.

Hierüber bemerkte der Staatsminister : Der von Sr. Majestät notierte Artikel sei wieder ein auffallender Beweis von der Richtigkeit der schon seit längerer Zeit gemachten Wahrnehmung, welchen gefährlichen Charakter die periodische Presse im allgemeinen angenommen habe. Die Fortdauer eines solchen ganz regellosen Zustandes derselben mache das Regieren zur Unmöglichkeit und führe geradezu zur Revolution, wenn es ihr gestattet bleibt, jede Maßregel der Regierung fort und fort systematisch anzugreifen und mit Kot zu bewerfen. cWenn es ihr ferner freisteht, gesetzliche Bestimmungen absichtlich zu entstellen und das Volk gegen die Regierung aufzureizen, wie dies beispielsweise der Wanderer in seinem Blatte vom 13. l. M. tut, wo er die Behauptung aufstellte, daß die adeligen Kuponsabschneider berechtigt wurden, in den Landtag Abgeordnete zu wählen, während den nicht adeligen ein gleiches Recht nicht zusteht – ein solches Manöver ist sehr wohl berechnet. Das große Publikum, namentlich die untere Volksklasse, liest das Gesetz über die Landesstatute nicht, und würde es auch dasselbe lesen, so ist dessen Auffassung kaum so weit ausgebildet, um die darin enthaltenen Bestimmungen gründlich zu verstehen, aber eine unwahre, böswillige und populäre Kritik begreift der gemeine Mann und erlangt nur zu leicht die falsche, ihm anempfohlene Überzeugung, daß sich das Volk wie ein Mann erheben, unter einen verwegenen Führer stellen und gegen die Regierung stemmen müsse, wie es auch der Wanderer sehr klar betont. Die meisten Blätter der Residenz verfolgen die neuerliche Richtung und machen systematische Opposition gegen die Regierung und verdächtigen ihre Organe. Gegen solche verderbliche Tendenzen, welche das Volk grundsätzlich korrumpieren, müsse also mit aller Energie aufgetreten werden, wenn sich die Regierung nicht mutwillig in die Revolution stürzen will. Hierzu seien die vom Gesetze gebotenen, vom Polizeiminister angeführten Mittel ausreichend, wenn sie mit Strenge und Beseitigung aller unzeitigen Schonungc Wenn es ihr ferner freisteht, gesetzliche Bestimmungen absichtlich zu entstellen und das Volk gegen die Regierung aufzureizen, wie dies beispielsweise der Wanderer in seinem Blatte vom 13. l. M. tut, wo er die Behauptung aufstellte, daß die adeligen Kuponsabschneider berechtigt wurden, in den Landtag Abgeordnete zu wählen, während den nicht adeligen ein gleiches Recht nicht zusteht – ein solches Manöver ist sehr wohl berechnet. Das große Publikum, namentlich die untere Volksklasse, liest das Gesetz über die Landesstatute nicht, und würde es auch dasselbe lesen, so ist dessen Auffassung kaum so weit ausgebildet, um die darin enthaltenen Bestimmungen gründlich zu verstehen, aber eine unwahre, böswillige und populäre Kritik begreift der gemeine Mann und erlangt nur zu leicht die falsche, ihm anempfohlene Überzeugung, daß sich das Volk wie ein Mann erheben, unter einen verwegenen Führer stellen und gegen die Regierung stemmen müsse, wie es auch der Wanderer sehr klar betont. Die meisten Blätter der Residenz verfolgen die neuerliche Richtung und machen systematische Opposition gegen die Regierung und verdächtigen ihre Organe. Gegen solche verderbliche Tendenzen, welche das Volk grundsätzlich korrumpieren, müsse also mit aller Energie aufgetreten werden, wenn sich die Regierung nicht mutwillig in die Revolution stürzen will. Hierzu seien die vom Gesetze gebotenen, vom Polizeiminister angeführten Mittel ausreichend, wenn sie mit Strenge und Beseitigung aller unzeitigen Schonung gehandhabt werden. || S. 63 PDF || Eines der vorzüglichsten Mittel seien die Verwarnungen; sie bedrohen die Existenz der Journale, und da diese im Grunde nichts als auf reichlichen Gewinn berechnete Unternehmungen sind, denen es zunächst nur um diesen, nicht aber um Wahrheit und Aufklärung zu tun ist, so werde, wenn einmal mit der Suspension oder Unterdrückung eines Journals ein Exempel statuiert ist, das eigene Interesse und die Sorge um die Erhaltung des Einkommens die anderen Unternehmungen vor Ausschreitungen abschrecken. Aber man müsse alsdann nicht, wie es leider bisher der Fall gewesen, bei der zweiten Verwarnung stehen bleiben, sondern unnachsichtlich auch mit der dritten Verwarnung und ihrer gesetzlichen Folge vorgehen, damit die Unternehmer nicht in dem Wahne bestärkt werden, die Regierung getraue sich nicht, zu diesem äußersten Mittel zu greifen. dDer spöttische Ton, mit welchem die meisten Journale die letzthin erfolgte Auflassung der Verwarnungen aufgenommen haben, beweist zur Genüge, wie tief die Autorität der Regierung bei den Journalisten gesunken ist. Fürwahr, meines Wissens besteht keine Regierung auf dem ganzen Kontinente, die sich ungestraft so beschimpfen ließe, wie die österreichische, denn die von Sr. Majestät erlassenen Verordnungen und Patente dienen den Witzbolden zum Stichblatte, um an der Kraft der Regierung zu rütteln. Wolle Gott, daß die Zukunft meine Voraussicht Lügen strafe. Allein, meines Erachtens ist der dermalige Zustand der Presse ein geradezu unhaltbarer. Wird ihr gestattet, auf der betretenen Bahn fortzuwühlen, so müssen die Ereignisse des Jahres 1848 wiederkehren.d Der spöttische Ton, mit welchem die meisten Journale die letzthin erfolgte Auflassung der Verwarnungen aufgenommen haben, beweist zur Genüge, wie tief die Autorität der Regierung bei den Journalisten gesunken ist10. Fürwahr, meines Wissens besteht keine Regierung auf dem ganzen Kontinente, die sich ungestraft so beschimpfen ließe, wie die österreichische, denn die von Sr. Majestät erlassenen Verordnungen und Patente dienen den Witzbolden zum Stichblatte, um an der Kraft der Regierung zu rütteln. Wolle Gott, daß die Zukunft meine Voraussicht Lügen strafe. Allein, meines Erachtens ist der dermalige Zustand der Presse ein geradezu unhaltbarer. Wird ihr gestattet, auf der betretenen Bahn fortzuwühlen, so müssen die Ereignisse des Jahres 1848 wiederkehren. Eben dieser durch die bisherige Nachsicht geweckte Wahn hat die Presse so kühn gemacht. Nachdem die meisten Blätter notorisch eine der Regierung feindliche Tendenz verfolgen, so werde es nicht schwer sein, sie wegen jedes dieser Tendenz huldigenden Artikels sogleich zu verwarnen; ist dann der dritte Fall eingetreten, so folge auf ihn sogleich die Suspension und die gute Wirkung auf die anderen werde nicht ausbleiben. In diesem Sinne sollten also die Statthalter zur Entfaltung der vollen Strenge angewiesen werden. In ähnlicher Weise sprachen sich Minister v. Lasser und der Ministerpräsident aus. Auch sie erkannten in der rücksichtslosen und konsequenten Anwendung der Verwarnung und beziehungsweisen Unterdrückung der schlechten Presse den wirksamsten Zügel und sprachen sich auch für die Anwendung derjenigen Abhilfsmittel aus, welche in dem Entgegentreten der besseren, im Sinne der Regierung wirkenden Journale und in der Beeinflußung der übrigen, sei es durch Geld oder persönliches Einwirken auf ihre Unternehmer sich darbieten.

Alle übrigen Votanten erklärten sich für die Ansicht des Polizeiministers; Minister Graf Szécsen bemerkte insbesondere, daß gegen Ausschreitungen der Presse zwar alle gesetzlichen Mittel mit Strenge angewendet, aber über die Gesetze nicht hinausgegangen werden solle. Nachdem die Zensur abgeschafft, müsse man sich daran gewöhnen, mit der Presse, wie sie ist, zu regieren. Nur in dem Falle einer drohenden Revolution und wenn sie eine die öffentliche Sicherheit gefährdende Haltung annähme, müßte sie, gleichsam wie im Belagerungszustande, unter eine Diktatur gestellt und wegen || S. 64 PDF || ihrer Äußerungen ebenso wie jede andere aufrührerische Manifestation wegen Hochverrats gerichtlich verfolgt werden. Der Leiter des Finanzministeriums endlich fügte bei, er müsse von seinem Standpunkte aus jetzt, am Vorabende einer Kreditoperation, sich gegen eine allzu große Beschränkung der Presse verwahren, weil selbe erfahrungsgemäß nachteilig auf die Börse und somit auf die Kreditoperation rückwirken würde. eJede nicht vollkommen gesetzlich gerechtfertigte Maßregel, dann das sehr bedenkliche Verwarnungssystem, wobei Willkürlichkeiten nicht zu vermeiden seien, schaden weit mehr als sie nützen, sie schweigen die Presse tot oder jagen die boshaftesten Artikel in die ausländischen Blätter. Die Zeit ist aber dazu nicht angetan, um in Österreich die Presse unmöglich zu machen und es vom Auslande hermetisch abzuschließen; auch kann ich die ganze österreichische Presse nicht als österreichfeindlich überhaupt, sondern nur eine verschiedene politische Richtung verfolgend erkennen. Drei Hauptblätter Wiens kämpfen fortan für den Einheitsstaate .11

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 10. Dezember 1860.