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Nr. 217 Ministerkonferenz, Wien, 5. Oktober 1860 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Ransonnet; VS. Kaiser; BdE. und anw. Erzherzog Wilhelm, (Rechberg 4. 10.), Thun 6. 10., Nádasdy 6. 10., Gołuchowski 6. 10., Thierry 6. 10., Plener 7. 10., Franck; abw. Erzherzog Rainer.

MRZ. – KZ. 3296 –

Protokoll der Ministerkonferenz am 5. Oktober 1860 unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des Kaisers.

I. Ausschreibung der direkten Steuern für 1861

Der Leiter des Finanzministeriums hat soeben Sr. Majestät den Entwurf des Steuerausschreibungs­patentes für 1861 vorgelegt und darin folgenden Eingang beantragt: „Zur Bedeckung der Staats­erfordernisse im Verwaltungsjahr 1861 finden Wir nach Vernehmung Unserer Minister und nach Anhörung Unseres verstärkten Reichsrates folgendes anzuordnen“.

Se. k. k. apost. Majestät geruhten die Frage aufzuwerfen, ob diese Textierung mit Hinblick auf die Ergebnisse der Verhandlungen des verstärkten Reichsrates über das Budget in formaler Beziehung keinem Anstand unterliege.

Reichsrat v. Plener glaubte, daß diese Fassung dem Ergebnisse der Vorverhandlungen völlig entsprechen dürfte, denn das Budget für 1861, welches nicht bloß die Ausgaben, sondern auch die Bedeckung und darunter namentlich die direkten Steuern in sich begreift, sei zuerst in der Ministerkonferenz beraten und darauf vom verstärkten Reichsrate geprüft worden, dessen diesfälliger Bericht sich bereits in der Händen Sr. Majestät befindet1. Im Laufe der reichsrätlichen Beratungen ist zwar viel über die Höhe der Steuer und über das einigen Steuern zum Grunde liegende System geklagt, aber doch auch wiederholt anerkannt worden, daß die Bedürfnisse des Staatsschatzes dermal (d.i. für 1861) keine Reduktion der direkten Steuer zulassen. Darin liegt also offenbar eine Zustimmung zur Ausschreibung der Steuern für 1861 nach dem dermaligen Ausmaße. Die Minister des Inneren und der Justiz machten dagegen geltend, daß die Frage über die Steuerausschreibung für 1861 bei dem verstärkten Reichsrate niemals explizit zur Sprache gebracht und das diesfällige Patent nie auch nur erwähnt worden sei, so wie das letztere auch noch nicht in der Ministerkonferenz beraten wurde. Der vorgeschlagene Eingang des Patents steht daher mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht ganz im Einklang, und diese Stimmführer brachten sofort au. in Antrag, daß Se. Majestät über das Patent sowohl die tg. Minister als den ständigen Reichsrat zu vernehmen geruhen, welcher letztere durch die bestehenden Ah. Anordnungen berufen ist, sein Gutachten über alle Patente und kaiserlichen Verordnungen abzugeben. Der Kultusminister trat dieser Meinung bei mit dem Bemerken, man müsse hier zwischen der || S. 455 PDF || Begutachtung des Budgets und der Vernehmung über die Form des fraglichen, infolge der Ah. Genehmigung des Budgets zu erlassenden Ah. Patents unterscheiden. Diese Vernehmung der Minister und des ständigen Reichsrates dürfte hier in der üblichen Weise Ah. angeordnet werden.

Se. Majestät der Kaiser geruhten hierauf den Leiter des Finanzministeriums zu beauftragen, den Patententwurf vorzulesen.

Da nach geschehener Vorlesung und Motivierung des Entwurfes von keiner Seite eine Erinnerung dagegen erhoben wurde, erklärten Se. Majestät die Ah. Absicht, darüber den ständigen Reichsrat Ah. zu vernehmen2.

II. Feststellung des Voranschlages für 1861

Nachdem der Bericht des verstärkten Reichsrates über den Staatsvoranschlag für 1861 bereits in Ah. Händen sich befindet3 und der Beginn dieses Verwaltungsjahres nahe bevorsteht4, ist es dringend, den Voranschlag definitiv Ah. festzustellen. Se. Majestät der Kaiser geruhten daher, den Leiter des Finanzministeriums zu beauftragen, daß er die vom verstärkten Reichsrate beantragten Modifikationen in der Ministerkonferenz zur Beratung bringe und nach dem Ausschlage derselben die weiteren Anträge Allerhöchstenortes erstatte. Der Bericht des verstärkten Reichsrates samt allen Protokollen werde dem Reichsrat v. Plener im Wege des Ministerpräsidenten zukommen5.

III. Wünsche und Beschwerden, welche bei den Verhandlungen des verstärkten Reichsrates in Anregung kamen

Nachdem es ferner in der Ah. Absicht liegt, sämtliche beim verstärkten Reichsrate in Anregung gebrachte Gravamina prüfen zu lassen und sie nach Tunlichkeit zu beheben, übernahm es Reichsrat v. Plener, alle diese Wünsche und Beschwerden aus den Protokollen auszuziehen und nach den Verwaltungszweigen gesichtet aSr. Majestät dem Kaiser zu unterlegen, damit sie nach Beratung in der Konferenz an sämtliche Chefs der Zentralbehörden verteilt werden, welche darüber ihre au. Anträge an Se. Majestät zu erstatten habena .6

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 10. Oktober 1860.