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Nr. 207 Ministerkonferenz, Wien, 1. September 1860 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Ransonnet (RS. Klaps); VS. Kaiser; BdE. und anw. Erzherzog Wilhelm, Erzherzog Rainer, (Rechberg 3. 9.), Thun 8. 9., Nádasdy 8. 9., Gołuchowski 10. 9., Thierry, Benedek [BdE. fehlt], Plener 11. 9., FML. Schmerling 12. 9.

MRZ. – KZ. 2983 –

Protokoll der Ministerkonferenz am 1. September 1860 unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des Kaisers.

[I.] Die Frage über die Ah. Bestätigung der von den Evangelischen beider Bekenntnisse in Ungarn vorgenommenen Superintendentenwahlen

Der Kultusminister referierte infolge Ah. Auftrages über die Haltung, welche die Regierung gegenüber den bisher zu ihrer ämtlichen Kenntnis gelangtena Wahlen der Superintendenten in Ungarn anzunehmen hätte, und begann mit Vorlesung eines darauf Bezug habenden au. Vortrages des FZM. Ritters v. Benedek, welcher bgegen den bisher vom Kultusminister in evangelischen Angelegenheiten eingeschlagenen Weg Beschwerde erhebt und beantragt, daß die vier alten Superintendenturen A. B. unter Aufrechthaltung einer fünften für alle koordinierten Gemeindenb zu restituieren wären, damit man zur Abhaltung der Synode gelangen kann1. Der Kultusminister verwahrt sich gegen den im Vortrage ausgesprochenen Tadel über die Leitung der allerdings in große Verwirrung geratenen evangelischen Kirchenangelegenheit in Ungarn mit dem Bemerken, daß der Minister seit dem 15. Mai d. J. calle wichtigeren Verfügungen nur mit Ah. Genehmigung oder über Ah. Befehl getroffen und gar nichts anderes als durch das Gouvernement verfügtc habe2. Was die beklagte Ungewißheit über die Bestätigung der Superintendenten betrifft, so dürfte sich dieselbe durch die Ah. Beschlüsse über sein heutiges Referat beheben.

A. Superintendenten helvetischer Konfession.

1. Die Wahl des Zsarnay zum Superintendeten diesseits der Theiß, welche vor dem 15. Mai d. J. stattfand, sei streng genommen allerdings ungesetzlich, und auch die || S. 393 PDF || regierungsfeindliche Gesinnung dieses Mannes würde dessen Entfernung von einem einflußreichen Posten wünschenswert machen; allein, es ist mit Bestimmtheit vorauszusehen, daß wenn die Wahl kassiert und eine neue vorgenommen würde, dieselbe wieder auf Zsarnay fallen werde. Unter diesen Umständen dürften Se. Majestät Allerhöchstsich dahin auszusprechen geruhen, „daß über die Ungesetzlichkeit der stattgefundenen Wahl daus Gnaded hinausgegangen und dieselbe einstweilen bis zu der gemäß Art. IV von 17913 erfolgten Koordinierung der helvetischen eKirchenangelegenheit zur Ah. Kenntnis genommene werde.“ Der Kultusminister halte es für nötig, daß durch die bloß „einstweilige Ah. Genehmigung“ ausdrücklich darauf hingewiesen werde, wie der gegenwärtige Zustand nur ein Provisorium bis zur Durchführung des Ah. Patentes vom 1. September v. J. bilde. Die Regierung müsse die Herstellung der Ordnung im Sinne des Art. IV von 1791 anstreben, und es sei angezeigt, diesf auszusprechen.

Sämtliche Stimmführer traten der Meinung des Referenten bei, daß über die Ungesetzlichkeit der Wahl Zsarnays hinauszugehen wäre. Allein, FZM. Ritter v. Benedek, der Justizminister, Reichsrat v. Plener und der Ministerpräsident hielten es weder für notwendig noch für rätlich, diese Wahlbestätigung mit Bezug auf die angestrebte Koordinierung als eine bloß einstweilige zu bezeichnen. Daß der gegenwärtige Zustand in evangelicis überhaupt nur ein Provisorium ist, sei bekannt genug, und es bedürfe keines wiederholten Ah. Ausspruches darüber an dieser Stelle. Man würde im Lande darin nur allerlei Hintergedanken suchen und [dies] zu Agitationen ausbeuten.

Se. Majestät der Kaiser geruhten Allerhöchstsich dafür zu entscheiden, über die Ungesetzlichkeit der Wahl Zsarnays hinauszugehen und dieselbe ohne die beantragte Klausel zu genehmigen. Diese einfache Genehmigung habe auch bei den übrigen Fällen einzutreten4.

2. Török ist von 161 Gemeinden unter 241 zum Superintendenten in Pest erwählt worden. Es haben sich allerdings gerade die volkreichsten Gemeinden nicht für ihn erklärt, auch hat er in seiner Haltung der Regierung gegenüber zuletzt eine feindliche Schwenkung gemacht. Indessen glaubt doch der Kultusminister , daß die Wahl desselben nicht zu beanständen, sondern einfach zur Nachricht zu nehmen wäre.

Dieser Antrag, gegen den von keiner Seite eine Erinnerung erhoben wurde, erhielt sofort die Ah. Genehmigung5.

B. Superintendenten augsburgischer Konfession.

1. Der Ödenburger Superintendent Haubner wurde wegen Teilnahme an der Revolution kriegsrechtlich seines Amtes entsetzt, zu sechsjährigem Kerker verurteilt, || S. 394 PDF || nach einem Jahre amnestiert und endlich aus Gnade zum Pfarrer rehabilitiert6. Der illegale Generalkonvent zu Güns, welchem gar kein Wahlrecht zustand, hat ihn nach dem 15. Mai d. J. zum Superintendenten nicht sowohl neu gewählt als vielmehr wieder eingesetzt und dabei die gerichtliche Absetzung dieses Funktionärs vollständig ignoriert. Der Kultusminister könne daher auf die Ah. Bestätigung eines solchen wahrhaft skandalösen Vorganges nicht antragen.

Der FZM. Ritter v. Benedek war der Meinung, daß die Ah. Anordnung einer Neuwahl keine andere Folge haben werde, als daß Haubner nach vielen heftigen Agitationen wieder gewählt wird. Darum schiene es rätlich, über den subtilen Unterschied zwischen einer Neuwahl und einer Wiedereinsetzung hinauszugehen, um den ohnehin überreichen Stoff zur Aufregung in Ungarn nicht noch zu vermehren. Der Justizminister und Reichsrat v. Plener bemerkten, daß die erfolgte Amnestie, dann die Rehabilitierung Haubners als Pfarrer der irrigen Meinung, daß er auch zum Superintendenten wählbar sei, zum Stützpunkt dienten. Sehr mißlich bleibe es immer, wenn die Regierung diesem Manne über drei Monate nach Abhaltung des Günser Konvents und nachdem er schon seinen feierlichen Einzug als Superintendent gehalten hat, die Bestätigung im Amte verweigert. Der Justizminister übersetzte die auf Haubner bezüglichen Stellen aus dem Protokolle des Konvents zu Güns, welche sehr vorsichtig abgefaßt sind und manche Scheingründe für die Voraussetzung enthalten, daß diese gBerufung Haubners zur Annahme des Superintendentensitzesg von der Regierung nicht beanständet werde. Der Konvent spricht die Überzeugung aus, „daß nur dieser Superintendent, der schon früher Superintendent war, in dieser schweren Zeit die Kirchenan­gelegenheit gut führen werde.“7 Die obgenannten zwei Stimmführer, denen sich auch Se. k. k. Hoheit der durchlauchtigste Herr Erzherzog Wilhelm und der Ministerpräsident anschlossen, waren daher der Meinung, daß die Regierung vollkommen in ihrem Rechte wäre, die Wahl oder Wiedereinsetzung Haubners zu annullieren, daß aber dieser Schritt nicht opportun sein dürfte. Der Kultusminister bemerkte er könne allerdings nicht hverkennen, daß die Angelegenheit dadurch, daß man ihr drei Monate lang müßig zugesehen habe, eine sehr mißliche geworden sei undh daß die Lage Wohlmuths, der bei Annullierung des Wahlaktes sede vacante noch die Superintendentialgeschäfte fortführen soll, eine sehr schwierigei werden kann.

Se. Majestät der Kaiser erklärten, einem illegalen Wahlakte von solcher Natur, wie dem in Rede stehenden, die Ah. Genehmigung nicht erteilen zu können, und geruhten den FZM. Ritter v. Benedek aufzufordern, daß er den Haubner im geeigneten gütlichenj || S. 395 PDF || Wege dazu bestimme, seine Stelle zu resignieren, worauf dann die Superintendentenwahl für diesen Sprengel in das gesetzliche Geleise zu bringen sein wird. Der Kultusminister werde übrigens in dieser Angelegenheit einen eigenen Vortrag an Se. Majestät zu erstatten haben8.

2. Die Wahl des Székácz ging aus dem Bestreben der Oppositionsparteik hervor, die alte Montansuperintendentur mit Einschluß ldes Neuverbaszer und eines Teilesk des Preßburger Sprengels – im Widerspruche mit deml Ah. Handschreiben vom 15. Mai 1860 – in ihrem ganzen Umfange wieder herzustellen. Wie diese Wahl zustande ngebracht wurde, ist nicht nachweislich, und Beschwerden gegen dieselbe sind bisher nur durch öffentliche Blätter bekannt geworden.m Aber es ist doch gewiß, daß die Partei zum Gelingen der Wahl unbedenklich alle Hebel in Bewegung gesetzt hat und daß bei weitem nicht alle bezüglichen Gemeinden dabei vertreten waren. Hiezu kommt noch, daß im Konvente nebst dem Wahlakte auch mehrere illegale Beschlüsse gefaßt wurden, welche die Regierung nicht einmal stillschweigend genehmigen kann. Der Kultusminister ist daher des Erachtens, daß die Wahl des Székácz nur bezüglich jener oSeniorate anzuerkennen wäre, welche nicht zu den neugebildeten Preßburger und Neuverbaszer Superintendenzenn gehören. Diese Wahl dürfte demnach Allerhöchstenortes nur mit dem Beisatze zur Kenntnis genommen werden, daß es dem Székácz nicht gestattet sei, seine Wirksamkeit auf jene Gemeinden zu erstrecken, welche in die Preßburger Superintendenz gehören pund daß den Banater und Bacs-Syrmier Senioraten das Recht gewahrt bleibe, sich als selbständige Superintendenz zu konstituieren.o Was die illegalen Beschlüsse betrifft, so wäre deren Ungiltigkeitserklärung formell durch den Umstand zu begründen, daß der Konvent nicht legal zusammengesetzt war. Der Kultusminister hält den obigen Beisatz zur Wahrung der Preßburger Superintendenz für unentbehrlich, weil sonst der von Sr. Majestät unter dem Superintendenten Kuzmány aus slawischen Protestanten gebildete Preßburger Sprengel ganz fallengelassen würde, wogegen die wichtigsten politischen Gründe streiten. Man müsse insbesondere auch alles vermeiden, was directe oder indirecte dahin führen könnte, daß Gemeinden des Preßburger Sprengels sich der Montansuperintendenz zuwenden, und daher könne Graf Thun nicht dafür stimmen, daß – wie FZM. Ritter v. Benedek vorschlägt – die Preßburger Gemeinden, welche an Székácz halten wollen, gleichsamp aufgefordert würden, sich zu melden.

|| S. 396 PDF || rNach dem Ah. Handschreiben vom 15. Mai l. J. sollen koordinierte und nichtkoordinierte Gemeinden unbehindert nebeneinander bestehen können. Kuzmány sei Superintendent sämtlicher koordinierter und nichtkoordinierter Gemeinden seines Sprengels. Er sei vollkommen berechtiget, auf sie seinen moralischen Einfluß zu üben.q Diesem Superintendenten hätten die politischen Behörden hiebei wenigstens insoferne Unterstützung zu gewähren, daß sie über sein Ansuchen sSchutz gegen die Agitation fremder Eindringlinge gewähren. Denjenigen Gemeinden, welche aus freiem Entschlusse auf ordnungsmäßigen Konventen für die Ausscheidung aus seinem Sprengel verlangen, wäre aber kein Zwang anzutun, sondern, wenn der ordnungsmäßige Entschluß durch ein testimonium legale konstatiert sei, [zu] erklären, den Anschluß an eine andere Superintendenz zu gestatten.r

Gegen die Anträge des Kultusministers wegen Bestätigung der Wahl des Székácz und Nichtbestätigung der übrigen Beschlüsse des Konvents wurde von keinem Stimmführer der Konferenz eine Erinnerung erhoben, wohl aber gegen die weitere Bestimmung, daß es dem Székácz nicht gestattet sei, seine Wirksamkeit auf jene Gemeinden zu erstrecken, welche in Kuzmánys Preßburger Superintendenz gehören, und gegen die aktive Ingerenz der Behörden bei der Bereisung Kuzmánys. Der FZM. Ritter v. Benedek wies auf die Schwierigkeit hin, die neue Einteilung der Superintendenzen unter den gegenwärtigen Verhältnissen festzuhalten, wo die getrennten Statthaltereibezirke in Ungarn nicht mehr bestehen und somit das geltend gemachte administrative Motiv weggefallen ist. Da jedoch eine fünfte Superintendenz zu Preßburg einmal geschaffen worden sei, so wäre sie allerdings aufrechtzuerhalten, aber es hätte sich dieselbe bloß auf die im Preßburger Sprengel und anderwärts in Ungarn befindlichen Gemeinden zu erstrecken, welche koordiniert bleiben wollen. Die Zahl der an Kuzmány haltenden koordinierten Gemeinden seines Sprengels sei bereits auf 17 zusammengeschmolzen. Für diese koordinierten Gemeinden hätte Kuzmány Superintendent zu bleiben. Die Regierung könne sich aber durchaus nicht veranlaßt finden, ihm die anderen Gemeinden des Preßburger Distrikts durch einen direkten oder indirekten Zwang zuzuweisen, welcher nur neue Aufregung hervorrufen würde. FZM. Ritter v. Benedek könne auch nicht verschweigen, daß bei Kuzmánys Wahl die früher abgegebenen Stimmen mehrerer Gemeinden ihm noch zugute gezählt worden seien, obgleich diese Gemeinden mittlerweile von der Koordinierung zurückgetreten waren. Täglich finden weitere Abfälle statt. Der Justizminister besorgt, daß sich unter solchen Umständen die neue Preßburger Superintendenz nicht auf die Dauer als lebensfähig erweisen werde; umso mehr müsse er gegen jede positive Ingerenz der Regierung warnen, wodurch die Gemeinden dem Kuzmány gegen ihren Willen zugewiesen würden. Eine solche Ingerenz wäre aber schon der || S. 397 PDF || Ausspruch, daß die Zuweisung an Kuzmány bei allen Gemeinden des Preßburger Sprengels als Regel zu gelten hätte, wie auch die vom Kultusminister weiters angeregte Assistenz der Behörden bei der Bereisung Kuzmánys. Dieser Meinung traten auch bei: der Minister des Inneren, Reichsrat v. Plener und der Ministerpräsident. Der Justizminister deutete an, daß vielleicht statt des vom Kultusminister vorgeschlagenen, allzu weitgehenden Ah. Beisatzes zur Wahlbestätigung des Székácz beiläufig gesagt werde, daß Se. Majestät die Wahl des Székácz zum Superintendenten, insoferne sie sich auf die Seniorate bezieht, zur Ah. Kenntnis nehmen.

Se. k. k. apost. Majestät geruhten den Kultusminister zur Vortragserstattung über die Wahl des Székácz Ag. anzuweisen.

Schließlich äußerte der Kultusminister , es erscheine ihm wünschenswert, daß der Pastor Walka, dessen interimistische Funktionen durch die Bestätigung des Székácz ihr Ende erreichen, für seine Mühewaltung einen Beweis der Ah. Anerkennung erhalte. FZM. Ritter v. Benedek fand dagegen von seinem Standpunkte nichts zu erinnern und deutete auf eine Geldbelohnung hin9.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. [Unterschrift fehlt]10