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Nr. 206 Ministerkonferenz, Wien, 28. August 1860 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Rechberg; BdE. und anw. (Rechberg 28. 8.), Thun 30. 8., Nádasdy 30. 8., Gołuchowski 30. 8., Thierry 31. 8., Plener 30. 8., FML. Schmerling 31. 8.

MRZ. – KZ. 2868 –

Protokoll der zu Wien am 28. August 1860 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des kaiserlichen Hauses etc. Grafen v. Rechberg.

I. Erweiterung der Rechtsakademie in Hermannstadt

Der Unterrichtsminister referierte über den Antrag des Gouverneurs von Siebenbürgen wegen Umstaltung der Hermannstädter Rechtsakademie in eine juridische Fakultät mit dem Rechte, Doktoren zu graduieren. Zur Begründung wird angeführt, daß damit den Klagen abgeholfen würde, welche von Seite der Landesinsassen darüber geführt werden, daß die Studierenden, wenn sie Doktoren und Advokaten werden wollen, nach absolviertem dreijährigen Kurs an dieser Rechtsakademie auf eine Universität außer Landes gehen und noch einen zweijährigen Kurs, im ganzen also fünf Jahre juridischen Studiums durchmachen müssen1.

Nachdem das Recht, Doktoren zu ernennen, nur einer Universität zusteht, könnte der Unterrichts­minister dem Antrage des Gouverneurs in der von ihm gestellten Form das Wort nicht führen. Wohl aber gedächte er, praktische Abhilfe dadurch zu bewirken, daß mittelst einer Erweiterung der Akademie Gelegenheit geboten werde, einen vierten Jahrgang an der Akademie zu hören, nach welchem die drei Staatsprüfungen gemacht werden können, dann, daß der Justizminister die Zustimmung dazu gebe, daß die dergestalt Absolvierten und Geprüften auch ohne Doktorat zur Advokatur befähigt werden. Der Justizminister gab diese Zustimmung, jedoch mit der Beschränkung, daß solche Kandidaten nur in Siebenbürgen zur Advokatur zugelassen werden können.

Belangend die Kosten für die in Rede stehende Erweiterung (bei 3000 fr. jährlich), so war vom Gouverneur auf deren Übernahme auf den Landesfonds, angeblich mit Zustimmung des Ministers des Inneren , hingedeutet worden. Allein, dieser erklärte, seine Zustimmung in solchem Umfang nicht nur nicht erteilt zu haben, vielmehr sich gegen jede neue Belastung des siebenbürgischen Landesfonds verwahren zu müssen, da die zur Deckung der Erfordernisse desselben nötige Umlage bereits 64 Kreuzer vom Steuergulden beträgt. Auch auf die Finanzen kann, wie der Leiter des Finanzministeriums bemerkte, diese Mehrauslage wenigstens für das Jahr 1861 nicht übernommen werden, da eine Überschreitung des Voranschlags, der soeben der definitiven Feststellung im verstärkten Reichsrate entgegensieht, nicht zu rechtfertigen sein würde. Der Justizminister deutete auf den sächsischen Fonds hin, || S. 388 PDF || der für Unterrichtszwecke bestimmt ist; allein, der Unterrichtsminister glaubte nicht, daß dieser Fonds für eine Anstalt in Anspruch genommen werden könnte, welche nicht ein bloßes Nations-, sondern ein Staatsinstitut ist. Unter diesen Umständen würde sich der Unterrichtsminister auf den – allseitig angenommenen – Antrag beschränken: Se. Majestät geruhen die von ihm vorgeschlagene Erweiterung der Akademie in thesi zu genehmigen, die Aufnahme der Kostenbedeckung in den Staatsvoranschlag für 1862 zu gestatten und dem Gouverneur zu überlassen, die gedachte Erweiterung, wenn er sie aus Lokalmitteln zu bestreiten vermöchte, schon für das Schuljahr 1861 eintreten zu lassen2.

II. Rabbinerwahl in Rzeszów

Der Leiter des Finanzministeriums beabsichtigte eine ihm zugekommene Eingabe wegen Annullierung der Rabbinerwahl in Rzeszów an den Kultusminister zu leiten, ging jedoch wieder davon ab, nachdem letzterer bemerkt hatte, daß die in seinem Ministerium gepflogenen Erhebungen den Ungrund der gegen den dortigen Rabbiner erhobenen Beschuldigungen dargetan haben, somit keine Ursache vorliegt, die ordnungsmäßig vorgenommene Wahl zu annullieren3.

III. Staatspreis für Maschinen zur Steinarbeit in Montanwerken

Das Komitee der Versammlung österreichischer Berg- und Hüttenmänner beabsichtigt, einen Preis für Erfindungen auszuschreiben, wodurch die mühselige und kostspielige Arbeit auf festem Gestein beschleunigt und wohlfeiler gemacht werden könnte. Zu diesem Behufe hat ein Mitglied bereits 200 Dukaten gewidmet, und es wird gebeten, daß auch die Staatsverwaltung sich dabei beteiligen möge. Bei der unverkennbaren Wichtigkeit solcher Erfindungen für den Bergbau und der Größe der im ärarischen Besitz und Betriebe befindlichen Montanwerke gedächte der Leiter des Finanzministeriums einen Preis von 300 Dukaten aus dem Staatsschatze zu bestimmen4.

Die Minister für Kultus, Justiz und Inneres erklärten sich gegen ein solches Zugeständnis, weil die Lage der Finanzen keine nicht durch die strengste Not gebotene neue Auslage gestattet. || S. 389 PDF || Der Polizeiminister, FML. Ritter v. Schmerling und der Ministerpräsident, im ganzen also vier Stimmen gegen drei, waren für die Gewährung5.

IV. Bemessung der Steuer für Branntwein aus kranken Kartoffeln nach dem Erzeugnisse

Das Überhandnehmen der Kartoffelfäule im heurigen Jahre macht die Verwendung der Kartoffeln zum Branntweinbrennen in den von der Krankheit befallenen Gegenden beinahe unmöglich, weil die noch bestehende Besteuerung nach dem Maischraume den Verlust an Materiale höchst empfindlich machen würde6. Der Leiter des Finanzministeriums beabsichtigt daher im Interesse sowohl der Grundbesitzer als auch des Steuergefälles, sich die Ah. Genehmigung einer Verordnung zu erbitten, womit gestattet wird, den in der Kampagne 1860/61 aus kranken Kartoffeln erzeugten Branntwein nach der Menge und Gradhältigkeit des Erzeugnisses zu versteuern.

Der Entwurf der Verordnung mit ihren Details und Kontrollbestimmungen wurde vorgelesen und von der Konferenz angenommen7.

V. Organisierung der ungarischen Finanzlandesdirektion

Der Leiter des Finanzministeriums referierte über die Organisierung der Finanzlandesdirektion in Ungern.

Konform mit der Einrichtung der politischen Landesstelle würden die bisherigen fünf Finanzlandes­direktionsabteilungen in eine zusammenzuziehen, unter einen Präsidenten mit 4. Diätenklasse mit 6000 f. Gehalt und Quartiergeld, mit einem Vizepräsidenten mit 5000 f. Gehalt, einem Hofrat mit 4000 f. Gehalt, 14 Räten (1 à 3000 f., die übrigen à 2500 und 2000 f.), mit Konzipisten à 700 und 800 f. und Offizialen à 600 und 700 f., alles in ö. W. ohne Bruchteil, da die Gehalte gegen itzt ohnehin etwas höher gestellt sind, zu besetzen sein. Bei dieser Organisierung ergäbe sich, gegen den bisherigen Status, an Gehalten allein eine Ersparung von 118.000 f.

Im ganzen war die Konferenz mit diesen Anträgen einverstanden. Nur in zwei Punkten ergab sich eine abweichende Meinung des Ministers des Inneren , und zwar 1. bezüglich des für den Präsidenten beantragten Quartiergelds, welches sich bei einem mit 6000 f. besoldeten Chef als eine Anomalie darstellt, da keiner der übrigen Beamten damit beteilt würde. Der Leiter des Finanzministeriums machte geltend, daß der Chef einer so großen Behörde seiner Stellung gemäß auch eine anständige Wohnung haben müsse, daher bei der dortigen Teuerung einer Beihilfe dazu aus dem Staatsschatze bedürfe. Fände man den Titel „Quartiergeld“ der obigen Konsequenzen wegen anstößig, so sei der Leiter des Finanzministeriums bereit, den fraglichen Beitrag unter dem Titel „Funktionszulage“ zu beantragen, mit welcher Modifikation sich die Konferenz vereinigte.

2. In Betreff der Stellung des politischen Landeschefs in Ungern zur Finanzlandesdirektion ging der Antrag des Leiters des Finanzministeriums über mündliches Einvernehmen mit FZM. v. Benedek dahin, den Landeschef nicht, wie es in anderen Kronländern || S. 390 PDF || der Fall ist, zugleich zum Präsidenten der Finanzlandesdirektion zu machen, sondern ihm nur wie dem bestandenen Generalgouverneur bloß die Kenntnisnahme und Ingerenz auf organisatorische und legislative Arbeiten sowie auf Dienstbesetzungen, dann das Recht, Auskünfte zu verlangen, zu wahren und vorzubehalten, weil bei dem ungeheuren Geschäftsumfange dieser Finanzstelle eine unmittelbare Leitung derselben durch den mit seinen eigenen Geschäften vollauf belasteten politischen Landeschef nicht gefordert werden könnte, auch in dem Falle nicht zulässig wäre, wenn in der Verfassung und Verwaltung des Königreiches wieder ganz oder teilweise auf diejenigen Einrichtungen zurückgegangen werden sollte, welche vor 1848 bestanden haben. Auch in Siebenbürgen, in der Woiwodschaft und in Kroatien ist der politische Landeschef nicht Präsident der Finanzlandesdirektion. Mit wenigen Ausnahmen hat das in andern Kronländern bestehende System der Vereinigung der Präsidentschaft in der Person des politischen Landeschefs geringena praktischen Nutzen. Gewöhnlich kümmert sich dieser um die Finanzbranche nicht und läßt den Finanzlandesdirektor schalten; nimmt er sich aber der Geschäfte an, so entstehen daraus nicht selten Reibungen und Parteispaltungen, welche dem Dienste nachteilig sind.

Entgegen bemerkte der Minister des Inneren , bei der Wichtigkeit des Grundsatzes,daß der politische Landeschef alle Interessen des ihm anvertrauten Landes vertrete, müsse ein besondrer Wert darauf gelegt werden, daß er auch Präsident der Finanzlandesbehörde sei, deren Wirksamkeit so tief in die unmittelbaren Interessen der Steuerpflichtigen eingreift. Der Umfang des Landes und der Geschäfte könne dabei nur insofern in Betracht kommen, als er den Statthalter auffordern dürfte, die richtige Auswahl unter den Geschäften zu treffen, die er sich vorbehalten soll. Einfacher und leichter aber vermag er seine Aufgabe zu lösen, wenn diese Geschäfte unmittelbar ihm als Präsidenten vorgelegt werden, als wenn sie, wie dies nach dem vom Leiter des Finanzministeriums vorbehaltenen Rechte der Kenntnisnahme und Ingerenz der Fall wäre, erst auf einem Umwege zukommen. Ist das in den deutschen Kronländern bestehende System in denjenigen, wo der Landeschef auch Militärkom­mandant ist, bisher nicht zur Ausführung gekommen, und haben in manchen deutschen Kronländern die Statthalter ihre Aufgabe nicht gehörig aufgefaßt, so ist dieses zwar sehr zu beklagen, beweist aber nichts gegen den Grundsatz, fordert vielmehr zur weiteren Durchführung desselben auf, zumal das Streben der Finanzbehörden, sich dem Einflusse des Statthalters zu entziehen, mehr und mehr zutage tritt. Der Minister des Inneren war daher der Meinung, daß der politische Landeschef Ungerns erster Präsident der Finanzlandesdirektion sein solle.

Der Justizminister riet von diesem Antrage ab mit Rücksicht auf die nach den Grundzügen des Ah. Kabinettschreibens vom 19. April in Aussicht stehende Organisierung Ungerns8. Er und alle übrigen Stimmen vereinigten sich daher mit dem Antrage des Leiters des Finanzministeriums, der Ministerpräsident übrigens mit dem Beisatze, daß er, abgesehen von den besonderen Rücksichten für Ungern, sonst im Prinzip mit dem Minister des Inneren einverstanden sein würde.

|| S. 391 PDF || Gegen das Vorhaben des Leiters des Finanzministeriums, zum Präsidenten der ungrischen Finanzlandesdirektion den Hofrat v. Keszlerffy vorzuschlagen, fand die Konferenz nichts zu erinnern9.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, den 7. September 1860.