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Nr. 199 Ministerkonferenz, Wien, 7. August 1860 – Protokoll II - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Ransonnet; VS. Rechberg; BdE. und anw. (Rechberg 7./20. 8.), Thun 8. 8., Nádasdy 8. 8., Gołuchowski 8. 8., Thierry 9. 8., Plener 9. 8., FML. Schmerling 10. 8.

MRZ. – KZ. 2703 –

Protokoll II vom 7. August 1860 abends unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des kaiserlichen Hauses und des Äußern Grafen Rechberg.

I. Bericht des Subkomitees über die Voranschläge der Ministerien des Inneren, der Justiz und der Polizei

Es wurde der Bericht des reichsrätlichen Subkomitees über die Voranschläge für die Ministerien der Polizei, des Inneren und der Justiz seinem ganzen Inhalte nach vorgelesen1.

Die in diesem Berichte da und dort ausgesprochenen Rügen und gestellten Anträge wurden von den beteiligten Ministern zum Anlaß genommen, um der Konferenz die nötigen Berichtigungen und Aufklärungen zu geben.

Was die Haltung des Berichts im allgemeinen betrifft, erklärte der Ministerpräsident , dieselbe durchaus nicht billigen zu können. Es wird ein Tadel ausgesprochen, der das gegenwärtige Ministerium nicht mit Recht trifft, da es die Gewährung einer gewissen Autonomie in sein Programm aufgenommen hat und dieselbe tatsächlich anstrebt2. Der Ton des Berichtes ist auch an manchen Stellen geeignet, die Leidenschaften aufzuregen, zumal er durch die Zeitungen veröffentlicht werden soll3. Ein Appell an die Leidenschaften könne nicht geduldet werden. Der Polizeiminister fand ebenfalls die Tragweite des ausgesprochenen Tadels zu groß und die Form zu scharf. Der Kultusminister bemerkte, daß der Tadel doch nur gegen den in allen Sphären eingedrungenen bürokratischen Mechanismus – die Vielregiererei – gerichtet ist, und da das gegenwärtige Ministerium selbst diesem anerkannten Übelstande steuern will, so führe das Subkomitee eigentlich den Kampf im Interesse des Ministeriums. Für das frühere Ministerium einzustehen, dürfte man sich nicht berufen finden. Graf Thun habe demselben zwar angehört, könne aber eine Solidarität bezüglich der in den anderen Verwaltungszweigen damals angenommenen Grundsätze durchaus nicht auf sich nehmen. Der Justizminister äußerte, daß er auch mit der Fassung des Berichtes nicht einverstanden sei, aber hoffe, man werde die gänzliche Beseitigung oder doch die Milderung der allzu scharfen Stellen durch das Subkomitee bewirken können. Reichsrat v. Plener erinnerte, daß die laut des Programms vom 23. August v. J.4 veränderte Tendenz des Ministeriums im Berichte nicht unerwähnt bleibe. Auffallend sei übrigens, || S. 366 PDF || daß neben dem reichlich ausgesprochenen Tadel des Systems im allgemeinen kein konkreter Antrag gestellt werde5.

II. Umfang der Exekutivgewalt der Regierung

Im Laufe der Diskussion äußerte der Kultusminister , daß er es, wie bereits öfter von ihm erklärt wurde, lebhaft bedauern müßte, wenn in Absicht auf die Exekutive keine Änderung im gegenwärtigen System einträte. Nirgends greifen die vollziehenden lf. Organe so tief herab als in Österreich, und eine Reform in dieser Beziehung tue dringend Not. Der Minister des Inneren entgegnete, daß erhobenermaßen nicht bloß in Frankreich, sondern auch in Belgien, Preußen, Bayern und denjenigen Teilen Sachsens, wo die Patrimonialgerichtsbarkeit abgestellt ist, die Ingerenz der lf. Organe ebensoweit gehe, als Graf Gołuchowski (und mit ihm die Majorität der Ministerkonferenz) beantragt. Der Kultusminister erklärte dagegen, auf seiner Ansicht beharren zu müssen und es der Majorität anheimzustellen, ihn auszuscheiden, wenn diese Meinungsverschiedenheit ein Hindernis des weiteren Zusammengehens bilde. Der Ministerpräsident würde es als einen folgenschweren Fehler betrachten, wenn der Staat eines großen Teils der Exekutivgewalt sich entäußern würde, und Graf Gołuchowski fügte bei, daß die exekutiven Organe darum aber doch keineswegs insgesamt Staatsbeamte zu sein brauchen; sie müssen jedoch vom Staate ernannt sein, und deren freie Wahl darf nicht den Gemeinden überlassen werden6.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, den 24. August 1860.