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Nr. 162 Ministerkonferenz, Wien, 23. Mai 1860 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Ransonnet; VS. Kaiser; BdE. und anw. Erzherzog Wilhelm, Erzherzog Rainer, (Rechberg 24./26. 5.), Thun 25. 5., Nádasdy 24. 5., Gołuchowski 24. 5., Thierry 26. 5., Plener 26. 5., FML. Schmerling 26. 5.

MRZ. – KZ. 1678 –

Protokoll der Ministerkonferenz am 23. Mai 1860 unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des Kaisers.

I. Zulagen und Reiseentschädigungen für außerordentliche Reichsräte

Se. k. k. apost. Majestät geruhten den in der Konferenz am 22. d.M. beschlossenen Antrag1 Ag. zu genehmigen, daß den ao. Reichsräten für Galizien, das lombardisch-venezianische Königreich und Dalmatien, welche darum ansuchen, Reiseentschädigungen und monatliche Zulagen von 200 fl. für die Dauer der Reichsratssession aus den bezüglichen Domestikal- oder Territorialfonds angewiesen werden. Die diesfälligen Gebühren der ao. Reichsräte für Ungarn seien aber aus der hiezu von den Finanzen zu dotierenden k. k. geheimen Kabinettskasse zu erfolgen2.

II. Eidesleistung der Reichsräte

Was die Eidesleistung der ao. Reichsräte betrifft, geruhten Se. Majestät Ah. zu bestimmen3: 1. daß die durchlauchtigsten Herrn Erzherzoge und die Kardinäle von der Eidesablegung ausnahmsweise enthoben sein sollen; 2. daß die Eidesleistungen nicht bei dem Reichsratspräsidium, sondern im Sitzungssaale stattzufinden haben, wo wegen des Eides der Bischöfe, welcher jedoch mit den übrigen gleich zu lauten hat, die nötigen Vorkehrungen zu treffen sind; 3. daß die Eidesformel für alle der deutschen Sprache kundigen Reichsräte in deutscher Sprache vorzulesen ist, in italienischer aber für die des Deutschen nicht mächtigen Italiener und Dalmatiner4.

III. Wiederbesetzung erledigter Reichsratsstellen

Hierauf wurde von Sr. Majestät dem Kaiser die Frage wegen Wiederbesetzung der sich durch Rekusationen erledigenden Stellen im Reichsrate neuerdings und mit besonderer Rücksicht auf die Vertretung der serbischen Woiwodschaft und Tirols zur Beratung gebracht, wobei Se. Majestät auf den Baron Albrecht Prónay hinzudeuten geruhten, welcher sich den Vernehmen nach für Ungarn sehr eignen würde5.

Der Justizminister äußerte, daß Baron Albrecht Prónay durch seine persönlichen Eigenschaften allerdings sich für einen ao. Reichsrat sehr eignen würde; allein, er befinde sich in so mißlichen Vermögensverhältnissen, daß er mit dem Konkurse schon nah bedroht war. Dieses wichtige Bedenken müßte jedenfalls durch Erhebungen vorläufig behoben werden.

|| S. 207 PDF || Allein, Graf Nádasdy halte es überhaupt nicht angezeigt, daß Allerhöchstenortes zu Nachwahlen in den Reichsrat – wenigstens dermal – geschritten werde. Der Vorteil, daß Tirol und die serbische Nationalität dabei Vertreter finden würden, könnte seiner Meinung nach die Nachteile eines solchen Schrittes für Ungarn nicht aufwiegen. Man wird darin nur eine Schwäche den Forderungen einer Partei gegenüber erblicken. Außer Baron Albrecht Prónay wisse der Justizminister durchaus niemand vorzuschlagen, dessen Name in Ungarn Anklang fände und nicht als durch die Partei diktiert erschiene. Die Entscheidung dieser wichtigen Frage dürfte aber auch füglich bis nach der ersten Reichsratssitzung ausgesetzt werden.

Die übrigen Konferenzglieder fanden ihren bei der ersten Beratung des Gegenstandes am 17. d. M. abgegebenen Meinungen nichts mehr beizufügen6.

IV. Vorlagen für den Reichsrat

Aus Anlaß einer Besprechung über den Stand der Vorlagen für den Reichsrat brachte der Leiter des Finanzministeriums zur Ah. Kenntnis, er werde in der Lage sein, das Prinzip der neuen Branntweinbesteuerungsmethode zur Vorlage zu bringen7.

V. Kirchliche Angelegenheiten der serbischen Woiwodschaft

Se. Majestät der Kaiser geruhten den Kultusminister anzuweisen, daß er mit dem Landeschef FML. Baron Šokčević über die von dem letzteren beantragte Abhaltung einer griechisch-nichtunierten Synode und über die Wiederbesetzung des Csanáder Bistumes in Beratung trete8.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 30. Mai 1860.