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Nr. 145 Ministerkonferenz, Wien, 1. Mai 1860 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Rechberg; BdE. und anw. (Rechberg 1. 5.), Thun 3. 5., Nádasdy 4. 5., Gołuchowski 4. 5., Thierry 5. 5., Plener 5. 5., FML. Schmerling 6. 5.

MRZ. – KZ. 1463 –

Protokoll der zu Wien am 1. Mai 1860 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des kaiserlichen Hauses etc. Grafen v. Rechberg.

I. Zusicherung einer Staatsunterstützung für die evangelischen Superintendenten, Senioren etc. in den nicht ungarischen Kronländern

Die mit der Ausarbeitung des Entwurfs einer Kirchenverfassung für die Evangelischen der nicht ungrischen Kronländer beauftragten Konsistorien haben sich an den Kultusminister mit der Anfrage gewandt, ob sie auf die Bewilligung von Unterstützungen aus dem Staatsschatze für ihre Superintendenten, Senioren und armen Kirchen und Schulen, wie solche für Ungern und dessen ehemalige Nebenländer Ag. bewilligt worden sind, rechnen dürfen1.

Bisher sind Superintendenten und Senioren zunächst auf das Einkommen aus ihren Pfarren angewiesen und erhalten nur geringfügige Beiträge aus dem Staatsschatze für ihre eigentlichen Superintendential- oder Senioratsfunktionen. Dieses Verhältnis aschließt die Möglichkeit aus, daß Superintendenten und Senioren sich ihren Aufgaben in dem Maße widmen, als es insbesondere dann notwendig ist, wenn durch die unvermeidlich gewordene Verwirklichung der Presbyterialsysteme in das Kirchenregiment einflußreichere wechselnde Elemente eingeführt werden. Der Superintendent muß sich sodann seinem Berufe, Ordnung aufrechtzuhalten, mehr als es bisher möglich war,a widmen; er kann daher nicht zugleich Pfarrer sein; er bedarf darumb eines selbständigen Einkommens. Um nun auf eine derartige Stellung der Superintendenten etc. antragen und hiernach die Kirchenverfassung ausarbeiten zu können, müssen die Konsistorien versichert sein, daß diesen Funktionären angemessene Bezügec, wie jenen in Ungern, aus dem Ärar werden bewilligt werden. Der Kultusminister erbat sich daher die Zustimmung der Konferenz zu dem bei Sr. Majestät zu stellenden Antrage, Allerhöchstdieselben geruhen den Konsistorien diese Zusicherung Ag. erteilen zu lassen, zugleich d wünscht aber der Minister, über die Ziffern der Unterstützung, die den || S. 133 PDF || Superintendenten und Senioren werde gewährt werden können, eine Ah. Zusage zu erhaltend, damit dieselbe zwar nicht offiziell wohl aber im vertraulichen Wege durch ihn den Antragstellern mitgeteilt werden könne, indem er von einer solchen Mitteilung als einem Beweise des Wohlwollens der Regierung die wesentliche Förderung des Operats erwartet.

Als der Kultusminister, welcher den Gesamtaufwand der angetragenen Unterstützungen mit 47.500 f. eals Maximum, welches jedoch noch würde ermäßigt werden können,e gegen den bisherigen per 4500 f. um 43.000 f. mehr veranschlagte, auf die Anträge für die einzelnen Posten überging, bemerkte der mit der Leitung des Finanzministeriums beauftragte Reichsrat Edler v. Plener , daß er zwar nicht verkenne, es werde nach dem, was für die ungrischen Protestanten geschehen, nicht zu vermeiden sein, ähnliche Zugeständnisse den Evangelischen in den übrigen Kronländern, um die es sich hier handelt, zu gewähren. Für jetzt würde er es aber bei dem Antrage auf eine allgemeine Zusicherung bewenden lassen und glauben, daß vorerst die Vorlage des Operats abgewartet werden sollte, welches bestimmtere Anhaltspunkte für die ziffermäßigen Anträge im einzelnen gewähren wird. In ähnlicher Weise sprach sich der Justizminister aus; er besorgte, daß eine selbst vertrauliche Mitteilung der Ziffern der Gehalte der Superintendenten etc. als ein Versuch, die Antragsteller für die Regierung zu gewinnen, werde gedeutet werden; und der Minister des Inneren setzte hinzu, daß bei der Verschiedenheit, welche in Ansehung der Wohnsitzverhältnisse der Protestanten in den ungrischen und in den sogenannten altkonskribierten Ländern obwaltet, nicht unbedingt das Beispiel Ungerns, sondern nur das aus dem Operate sich ergebende wahre Bedürfnis und die Lage der Staatsfinanzen maßgebend sein sollte. fAuch erachtete der Minister des Inneren, daß es gar nicht notwendig sei, den Superintendenten so namhafte Gehalte auszuwerfen, zumal nach den Grundsätzen der protestantischen Kirche die Superintendenten gegenüber den Kuraten nicht jene Stellung einnehmen, welche die katholische Kirche dem Oberhirten gegenüber dem Kuratklerus einräumt. Beispielsweise deutete der Minister des Inneren auf den Superintendenten in Lemberg hin, welcher neben seinem mäßigen Pfarreinkommen vom Staate eine Subvention von 300 f., später 600 f. Konventionsmünze bezog und hierbei seinem Stande gemäß lebte.f

Hiernach waren auch die übrigen Stimmführer der Konferenz mit dem Ministerpräsidenten der Meinung, es sei sich von Sr. Majestät die Ermächtigung zur Erteilung einer Zusicherung einer Staatsunterstützung im allgemeinen zu erbitten, auf deren ziffermäßige Bestimmung aber dermalen nicht einzugehen2.

II. Hirtenbrief des Przemyśler Bischofs in betreff der Juden

Aus Anlaß einer von dem mit der Leitung des Finanzministeriums beauftragten Reichsrate Edlen v. Plener erwähnten dringenden Vorstellung des Freiherrn v. Rothschild über die Beängstigung der Juden wegen des in der Konferenz vom || S. 134 PDF || 28. April d. J. sub I. besprochenen Przemyśler bischöflichen Hirtenbriefs, der auch schon in Predigten in hiesigen Pfarrkirchen einen Nachhall gefunden haben soll3, wurde der Kultusminister eingeladen, im vertraulichen Wege den Bischof zu einem maßvolleren Vorgehen aufzufordern, was der gedachte Minister sofort zusagte4.

III. Neue Irrung in der Berichtigung des Zeitungsartikels über Baron Brucks Tod

In der zufolge Konferenzbeschlusses vom 28. v. M. sub VI. in die Wiener Zeitung aufgenommene Berichtigung der Stelle über Baron Brucks Tod: „welche die Gegenstellung des Zeugen Freiherrn Bruck mit andern Zeugen und Mitbeschuldigten“ ( [statt] und mit Beschuldigten) etc. ist eine neue Unrichtigkeit enthalten, indem es dort heißt, daß die Irrung durch „ein Versehen der Druckerei“ veranlaßt worden sei5. Der Vorstand der Hof- und Staatsdruckerei Hofrat Auer hat sich deshalb bei dem Leiter des Finanzministeriums beschwert, indem nicht in der Druckerei, welche das ihr zugekommene ganz reine Manuskript unverändert abgedruckt hat, gefehlt worden6. Es ist auch dem Polizeiminister vom Redakteur Schweitzer eingestanden worden, daß dieser sich die Korrektur in „Mitbeschuldigten“ erlaubt habe, worüber ihm bereits eine Rüge erteilt worden ist.

Gegenwärtig wäre ihm nach dem Erachten der Konferenz ein scharfer schriftlicher Verweis zu geben, weil er sich unterstand, seinen eigenen Fehler auf einen andern zu schieben. Hofrat Auer aber möge sich mit der ihm durch den Leiter des Finanzministeriums zu eröffnenden Erklärung zufrieden stellen, daß ihn die Konferenz für schuldlos erkenne; eine abermalige Berichtigung der Berichtigung durch die Wiener Zeitung selbst in dieser leidigen Angelegenheit schien der Konferenz nicht statthaft zu sein.

Schließlich wünschte der Polizeiminister das der Druckerei vorgelegte Manuskript über Baron Bruck, welches nach Auers Angabe ganz rein ohne Korrektur gewesen sein soll, einzusehen, nachdem das vom Polizeiministerium an die Redaktion gelangte von letzterer mit der Korrektur Schweitzers von diesem selbst vorgezeigt worden ist7.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, 11. Mai 1860.