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Nr. 137 Ministerkonferenz, Wien, 10. April 1860 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Rechberg; BdE. und anw. (Rechberg 10. 4.), Minister Graf Thun 12. 4., Bruck 12. 4. Nádasdy 12. 4., Gołuchowski, Thierry 13. 4., FML. Schmerling 13. 4.

MRZ. – KZ. 1217 –

Protokoll der zu Wien am 10. April 1860 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des kaiserlichen Hauses etc. Grafen v. Rechberg.

I. Abtragung des St. Stephansturms

Der Kultusminister referierte über das an Se. Majestät gerichtete Gesuch des Kardinals Fürsterzbischofs von Wien um Bewilligung der Abtragung und Wiederaufbauung des St. Stephansturmes auf Staatskosten1.

Eine aus Fachmännern etc. zusammengesetzte Kommission hat den Bauzustand des Turms einer genauen Untersuchung unterzogen und denselben an einer Stelle unterhalb des im Jahre 1842 neu aufgesetzten Teiles dermaßen schadhaft befunden, daß beim Eintritt eines außerordentlichen Elementarereignisses der Einsturz des Turms zu besorgen wäre; selbst bei längerem Zuwarten mit der Abtragung würde auch die letztere nicht mehr ohne Gefahr bewerkstelligt werden können2. Es haben sich also die Kommissionsglieder mit Ausnahme eines einzigen, der eine von den anderen jedoch als unausführbar verworfene Untermauerung vorschlug, für die sofortige Abtragung von 28° des oberen Turms ausgesprochen. Die Kosten der Abtragung und des Wiederaufbaus werden auf circa 3–500.000 f. veranschlagt; doch ist Kranner erbötig, das ganze um 300.000f. zu übernehmen. Der Kultusminister könnte bei dem fast einhelligen Ausspruche der Baukommission die Verantwortung für die aus dem Bestehenlassen des Turms entspringende Gefahr nicht auf sich nehmen; er erbat sich daher die Zustimmung der Konferenz zu dem bei Sr. Majestät zu stellenden Antrage in thesi, daß die Abtragung in der oben angegebenen Dimension und der Wiederaufbau auf Staatskosten, nachdem der Landesfürst Patron ist, genehmigt, mit der ersteren sogleich begonnen und inzwischen die Projekte zur Wiederherstellung ausgearbeitet, die angesprochene Bausumme in angemessenen Fristen angewiesen und die noch bis 1862 laufende jährliche Dotation3 für die Restauration der Kirche selbst möglichst beschränkt werde.

Unter den dargestellten Verhältnissen erklärte der Finanzminister , gegen diesen Antrag nichts einwenden zu können; nur wünschte er, daß die Bausumme auf das von Kranner gemachte Anbot beschränkt bleiben und mindestens auf fünf Jahre verteilt werden möchte. || S. 109 PDF || Auch keines der übrigen Mitglieder der Konferenz fand gegen den Antrag etwas zu erinnern4.

II. Unfug mit der Scheidemünze

Der Polizeiminister machte auf den Unfug aufmerksam, der mit der Silber- und Kupferscheidemünze getrieben wird, die, um im Kleinverkehr Verlegenheit und Unzufriedenheit zu veranlassen, massenhaft aufgekauft und ins Ausland geführt wird5. Seinerseits habe er die Polizeiorgane zur strengsten Invigilierung aufgefordert, halte aber auch für nötig, daß die Finanzorgane dabei tätig mitwirken.

In dieser Beziehung sagte der Finanzminister abermalige Weisungen an die ihm unterstehenden Organe zu, obwohl dieselben bereits durch das bestehende Gesetz gegen den Handel mit Scheidemünze und durch besondere Aufträge zur Amtshandlung gegen Übertreter aufgefordert sind6.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 16. April 1860.