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Nr. 134 Ministerkonferenz, Wien, 30. März 1860 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Ransonnet (RS. Klaps) a ; VS. Kaiser; BdE. und anw. Erzherzog Wilhelm, Erzherzog Rainer, (Rechberg 2. 4.), Thun 3. 4., Bruck 3. 4., Nádasdy 3. 4., Gołuchowski 4. 4., Thierry 5. 4., Benedek 7. 4., FML. Schmerling 6. 4.

MRZ. – KZ. 1140 –

Protokoll der Ministerkonferenz am 30. März 1860 unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des Kaisers.

I. Abberufung Sr. k.k. Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Albrecht von dem Posten eines Generalgouverneurs von Ungarn und provisorische Besetzung desselben durch FZM. Ritter v. Benedek

Se. k. k. apost. Majestät eröffneten der Konferenz die Ah. Absicht, Se. k. k. Hoheit den durchlauchtigsten Herrn Erzherzog Albrecht von dem Posten eines Generalgouverneurs von Ungarn abzu[be]rufen und den FZM. Ritter v. Benedek provisorisch zur Leitung des Generalgouvernements zu bestimmen. Diese Ah. Abberufung sei nicht als Konzession gegen das Land zu betrachten, sondern lediglich als die Erfüllung eines vom durchlauchtigsten Herrn Erzherzog schon vor einiger Zeit ausgesprochenen Wunsches und als eine Maßregel, die nötig geworden, um Se. k.k. Hoheit vor fortgesetzten Avancen zu verwahren1. Bei dieser Veränderung in der Person des Landeschefs solle auch offen ausgesprochen werden, was dem Lande Ungarn in Absicht auf ständische Vertretung und administrative Organisierung gewährt werden wird, um auf diese Weise eine unüberschreitbare Grenzlinie für das Erreichbare zu ziehen und der jetzt hochgehenden Agitation zur Verwirklichung maßloser Wünsche ein Ziel zu setzen. Ein solcher öffentlicher Ausspruch setzt aber die Feststellung der Ah. Beschlüsse über folgende Hauptfragen voraus: 1. ob die Landesvertretung des Königreiches Ungarn in einer Versammlung vereint oder aber in mehreren Versammlungen geteilt einzuberufen sei, 2. ob die bisherige Fünfteilung der Statthalterei aufrechtzuerhalten sei oder nicht, 3. welche Einrichtung den Komitatsbehörden zu geben wäre2.

II. Fortbestand der Woiwodschaft als abgesondertes Kronland

Den Fortbestand der Woiwodschaft als abgesondertes Kronland geruhten Se. k. k. apost. Majestät als außer der Frage stehend zu bezeichnen und hierauf die Beratung über den Punkt 1 zu eröffnen3.

III. Frage, ob in Ungarn eine vereinigte oder in fünf Teile getrennte Landesvertretung einzuführen wäre

Der Ministerpräsident äußerte, daß ihm auch jetzt, so wie bei den früheren Beratungen dieses Gegenstandes, die Abhaltung eines vereinigten Landtages für Ungarn sehr bedenklich erscheine4. Eine so große Versammlung voll leidenschaftlicher Elemente und in welcher die Regierung nur wenig entschiedene und offene Anhänger haben dürfte, werde in ihrer Leitung die größten Schwierigkeiten bieten. Man dürfe sich nicht schmeicheln, daß es gelingen werde, einen solchen Landtag innerhalb der engen Grenze des ihm vorzuzeichnenden Wirkungskreises zu erhalten, was unvermeidlich zu Konflikten, vielleicht zur Revolution führen wird. Und zieht selbst die Regierung bei den Landtagsverhandlungen nicht den kürzeren, so ist doch ihre politische Aktion nach außen und im Inneren während der Dauer des parlamentarischen Kampfes paralysiert, wie man es öfter, namentlich auch im Jahre 1830, erfahren hat5. Graf Rechberg müsse sich daher für eine Fünfteilung der ungarischen Landesvertretung aussprechen, wobei die Regierung den einzelnen Teilen gegenüber eine viel stärkere Stellung hat.

Der Kultusminister berlaubt sich au. [zu] bemerken, daß es ihm, höchlich überrascht von der Eröffnung Sr. Majestät, schwer falle, über die gestellten Fragen sofort eine Meinung abzugeben. Er besorge, die Dinge in Ungarn seien zu einem Zustande gelangt, wo es sich nicht mehr darum handeln könne, welche Einrichtungen wünschenswert seien, sondern was noch möglich sei. Werde nun die Frage gestellt, ob ein Landtag oder fünf Landtage, so müsse er sich für einen Landtag aussprechen, weil er die Verwirklichung von fünf Landtagen für unausführbar halte. Dabei sei er weit davon entfernt, die großen Schwierigkeiten und Gefahren der Wiederherstellung eines ungarischen Landtages zu verkennen, und habe sie immer nur für möglich gehalten unter der Voraussetzung, daß es gelingt, eine einflußreiche Partei unter den Ungarn für die Regierung zu gewinnen, und er besorge, daß solches ohne Wiedervereinigung der Woiwodschaft mit der ungarischen Krone nicht möglich sei.b erlaubt sich au. [zu] bemerken, daß es ihm, höchlich überrascht von der Eröffnung Sr. Majestät, schwer falle, über die gestellten Fragen sofort eine Meinung abzugeben. Er besorge, die Dinge in Ungarn seien zu einem Zustande gelangt, wo es sich nicht mehr darum handeln könne, welche Einrichtungen wünschenswert seien, sondern was noch möglich sei. Werde nun die Frage gestellt, ob ein Landtag oder fünf Landtage, so müsse er sich für einen Landtag aussprechen, weil er die Verwirklichung von fünf Landtagen für unausführbar halte. Dabei sei er weit davon entfernt, die großen Schwierigkeiten und Gefahren der Wiederherstellung eines ungarischen Landtages zu verkennen, und habe sie immer nur für möglich gehalten unter der Voraussetzung, daß es gelingt, eine einflußreiche Partei unter den Ungarn für die Regierung zu gewinnen, und er besorge, daß solches ohne Wiedervereinigung der Woiwodschaft mit || S. 87 PDF || der ungarischen Krone nicht möglich sei. Der Finanzminister erklärte sich aus ähnlichen Gründen gegen die Teilung der ungarischen Landesvertretung. Der voraussichtliche Kampf eines vereinigten Landtages mit der Regierung werde nicht mehr den tiefen Eindruck in der ganzen Monarchie machen wie in früherer Zeit, weil auch in allen anderen Kronländern Landtage werden abgehalten werden, welche die dortigen Interessen näher berühren. Dann steht noch der verstärkte Reichsrat über den einzelnen Landtagen als Gegengewicht der zentrifugalen Kräfte. In der nächsten Zukunft könne ohnehin von der Einberufung des Landtages keine Rede sein.

Der Justizminister sprach sich über den Fragepunkt 1 ungefähr folgendermaßen aus: Wir dürften alle überzeugt sein, daß die Bestrebungen der überwiegenden Mehrzahl jener Ungarn, die sich mit Politik befassen, dahin gewendet sind, dem Königreiche Ungarn eine von den übrigen Kronländern abgesonderte staatliche Gestaltung und eine vollständige Ausnahmsstellung zu verschaffen. Verschiedenheiten bestehen unter diesen Ungarn in den Gradationen ihrer Wünsche. Ein Teil verlangt die ungarische Konstitution, wie selbe 1847 bei Beginn des Landtages zu Recht bestand, und zwar mit allen ihren Unzweckmäßigkeiten und mit allen Unklarheiten der Gesetze, welche zu so vielfältigen Auslegungen in jedem Landtage Gelegenheit boten. Ein anderer Teil, und leider kein unbedeutender, will die am 11. April 1848 Ah. bestätigte, mit den Ständen vereinbarte, den Herrscher, wenn er nicht in Ungarn anwesend ist, machtlos stellende Verfassung zurückführen6. Manche, und zwar jene, welche sich für vorzüglich gut österreichisch und dynastisch gesinnt halten, würden zwar einige minder wichtige zeitgemäße, die Absonderung Ungarns von der übrigen Monarchie und die Beschränkung der königlichen Gewalt minder gestaltende Verbesserungen der 1847er Konstitution nach harten Kämpfen und rabulistischen Protestationen oder Kautelen für jetzt annehmen wollen, würden aber in kurzer Zeit, von der Landtagspartei des Fortschrittes überflügelt, als ohnmächtige Minderheit verstummen müssen. Außer diesen drei größeren Parteien besteht noch eine in der Kopfzahl zwar kleine, jedoch tatkräftige und jedenfalls dann gefährliche Partei, wenn sie durch eine auswärtige Unterstützung gestärkt würde, nämlich jene, welche sich bis zum Ausspruche des Debrecziner Konventes vom 14. April 1849 7 leicht verirren dürfte. Obschon diese vier Parteien in ihren Anschauungen weit auseinandergehen, so sind sie doch in einem Punkte vollkommen einig, nämlich in dem Grundsatze des Anstrebens der Nichteinfügung in Österreich und der Erlangung einer eigenen, selbständigen Verfassung für Ungarn mit Einschluß seiner Nebenländer. Über die Folgen des Gelingens dieser Bestrebungen kann wohl kein Zweifel sein, selbe wären: 1. Bekämpfung des seit 1849 eingeführten staatlichen Verhältnisses Ungarns zur Gesamtmonarchie, Begehren der Krönung mit Inauguraldiplom und Königseid. 2. Ein Nichtanerkennen der allgemeinen Staatsschulden von Seite Ungarns und Verweigerung der von den Steuern Ungarns entfallenden Beiträge zu Zinsen- und Amortisationszahlungen. || S. 88 PDF || 3. Würde die Gesetzlichkeit aller seit zehn Jahren eingeführten Steuern und Monopole in Frage gestellt und als Gegenstand der Landtagsverhandlungen und Vereinbarung zwischen König und Ständen erklärt. 4. Würde das Recht der Rekruten- und Steuerbewilligung auf die früheren Landesgesetze zurückgeführt und eine Teilung der gesetzgebenden Gewalt angesprochen. 5. Würde die Woiwodina, das Banat, vor allem das Bacser Komitat, die Murinsel, die siebenbürgischen Landesteile, welche 1848 mit Ungarn einverleibt erklärt wurden, ja mit der Zeit ganz Siebenbürgen, welches 1848 zur Union sich bewegen ließ, dann Kroatien, Slawonien und die Militärgrenze und in einer nicht sehr fernen Zukunft selbst Galizien und Lodomerien, deren Fahnen bei der Krönung des ungarischen Königs nicht ohne Bedeutung vorgetragen werden, als zu dem großen Königreiche Ungarn gehörend behauptet werden, und hat das, wenn auch wie heute begrenzte kleine Ungarn eine selbständige Verfassung, eine mächtige Landesvertretung, so ist sehr zu befürchten, daß in allen diesen oben genannten Ländern sich Sympathien für die Vereinigung finden und diese Sympathien und diese Gelüste zum Herrschen sich bei Gelegenheit jedes ungarischen Landtages steigern würden. Da aber das Kaisertum Österreich die volle gesicherte, nicht von einer zufälligen Landtagsmajorität abhängige Mitwirkung Ungarns und der obgenannten Nebenländer zu seinem Staatshaushalt und seiner Wehrkraft als eine Lebensfrage betrachten muß, so bitte ich wohl zu überlegen, wohin ein Gestatten des Fortschreitens auf diesem Wege führen müßte! Der Träger und verkörperte Ausdruck der früheren Sonderstellung und der politischen Selbständigkeit sowie auch des Strebens nach Ausdehnung der Grenzen Ungarns war stets der Landtag in seiner Gesamtvertretung des Landes, und da dieser Landtag es war, der es möglich machte, die gegen Wien gerichteten Bestrebungen in eine gesetzliche Form zu bringen sowie ein von Landtag zu Landtag sich steigerndes System von Konzessionen im Sinne der Entwicklung ungarischer Selbständigkeit zu erzwingen, so wird er auch jetzt allgemein als das einzige und sicherste Mittel angesehen, jene politische Stellung wieder zu erlangen, welche zum Heile der Monarchie 1849 aufhörte. Wird für Ungarn eine in einem Körper tagende Landesvertretung eingesetzt, so werden, man mag was immer für eine Wahl oder Berufungsart wählen, das Land und die Abgeordneten nach den Anschauungen, in denen sie aufgewachsen sind, in dieser gemeinschaftlichen Landesvertretung nur eine Analogie des vorigen Landtages finden. Sie werden daher ganz folgerecht den dieser Versammlung im Widerspruche mit den ungarischen Gesetzen oktroyierten beschränkten Wirkungskreis nicht genügend finden, sondern naturgemäß sich auf das Feld der Politik und vor allem auf Versuche werfen, um die frühere Stellung zu erlangen. Man wird dazu auch durch die Auffassung geleitet werden, daß Se. Majestät in der Berufung eines gemeinsam tagenden Landtages eine im Gegensatz zu den dermaligen staatlichen Verhältnissen Ungarns stehende Rückkehr zu den Zuständen vor dem Jahre 1848 anbahnen wollen und bereit sind, der Partei des Jahres 1848 Zugeständnisse zu machen. Man wird sich daher ermutigt sehen, zur vollkommenen Rückerlangung der Selbständigkeit tatkräftig zu wirken und die Regierung unausgesetzt mit Benützung jedes äußeren oder inneren Impulses dazu drängen. Von dieser Anschauung würde das ganze Land und zwar nicht nur die Feinde, sondern auch viele Freunde der Regierung gleich durchdrungen sein, und sollten sie es auch nicht schon von vornherein sein, so wird jene Bewegungspartei, welche in letzterer Zeit so verständliche politische Kundgebungen veranlaßte und durch das nicht zu leugnende, weit verbreitete Bestreben nach || S. 89 PDF || einer nationalen politischen Selbständigkeit der Regierung so viele Sorgen machte, in der Zeit von der Berufung der Landesvertretung bis zu ihrem Zusammentritte sowie in der Versammlung selbst diese Anschauung zur vollen Geltung bringen. Was aber die durch die öffentliche Meinung getragene nationale Begeisterung, was der sich wechselseitig stachelnde und steigernde Eifer der acht Millionen Seelen vertretenden Abgeordneten in diesen Beziehungen zu leisten fähig ist, können nur die beurteilen, welche an ungarischen Landtagen teilgenommen und welche sich persönlich überzeugt haben, wie oft ausgezeichnete dynastisch gesinnte Männer eine Vaterlandspflicht zu erfüllen glaubten, wenn sie die Wiener Regierung (z. B. im Jahre 1848 Hofkanzlei und Staatsrat) verleumdeten und verhöhnten. Der Leopoldinische Landtag vom Jahre 1790 hat, obschon er nach einem 25jährigen Landtagsstillstand abgehalten wurde, man folglich hätte hoffen können, die Stände seien der parlamentarischen Siege entwöhnt, doch durch die Gesetzesartikel 2, 3, 10, 12, 13 und 19 sattsam bewiesen, wie die Stände Ungarns verstehen, alle längst verstorben geglaubten Rechte wieder zu beleben. Dieser Landtag würde jedoch ebenso wie jene vom Jahre 1825 bis 1848 in kürzester Zeit an Nachgiebigkeit der Regierung und an Kühnheit der ständischen Forderungen übertroffen werden8. Durch diese Gesamtvertretung würde ein volkstümliches Zentralorgan geschaffen, dessen klar vorauszusehende Aufgabe es sein würde, den Verband Ungarns mit Österreich zu lockern; dieses Organ würde den bisherigen Bestrebungen der einzelnen Privaten einen repräsentativen Landesausdruck geben, selbe dadurch ermutigen und durch die korporative Vereinigung, noch mehr aber durch die disziplinierende Leitung erstarken machen. Ferner ist nicht zu übersehen, daß die Beschlüsse dieser Landesvertretung, da man von den früheren Landtagen legislative, für das Land verbindliche Beschlüsse gewohnt war, jetzt auch ohne kaiserliche [sic!] Sanktion im Lande Befolgung finden würden; denn daß ein ungarischer Landtag die königliche Sanktion zur Ausführung seiner Beschlüsse nicht benötigt, davon sahen wir wiederholte Beispiele im Sommer 1848. Die Werbungen der ungarischen Armee, die Ausgabe ungarischer Banknoten mit Zwangskurs unter Anhoffung der königlichen Sanktion, um welche nach Wien zwar geschrieben, aber nie eine bejahende Antwort erwartet wurde, sind leider Tatsachen9. Jener moralische Druck, welcher bei der Beratung über die Gemeindeordnung, die überall aufgetauchten Bestrebungen, dieses Gesetz der ausschließlichen Kompetenz des Landtages zuzuweisen, hervorbrachte10, würde auf dem neuen Landtage mit dem Verdammen der gegenwärtigen staatlichen Stellung Ungarns und deren Folgerungen beginnen, und mit dem Ausspruche der Ungesetzlichkeit der ohne Mitwirkung des Landtages seit Ende 1848 geschehenen Regierungsakte würden zugleich die Selbständigkeit Ungarns und dessen Verband mit Österreich durch Personalunion, vor allem aber die Ausfertigung und Beeidigung des Inauguraldiploms gefordert werden. Bald dürften dann die weiteren Forderungen als Teilung der Gesetzgebung zwischen König und Ständen, || S. 90 PDF || Steuer- und Rekrutenbewilligung, Salzpreisregelung, Stempel- und Tabakmonopol und so vieles andere folgen. Welch praktische Kunstfertigkeit ungarische Versammlungen in Stellung und Verdrehung publizistischer Fragen besitzen, hat der Käsmarker und andere Konvente der Protestanten in Ungarn sattsam bewiesen11, und es ist vorauszusehen, daß die nächste Landesvertretung denselben Weg einschlagen und kein Präsident imstande sein wird, die regierungsfeindlichsten Beschlüsse zu verhindern, weil in wichtigen Fällen nach vorhergegangener geheimer Vereinbarung ein kurzer Antrag gestellt, durch Akklamation stürmisch angenommen und dafür gesorgt werden wird, daß ein solcher Ausdruck des ungarischen Nationalwillens möglichst schnell in allen Österreich feindlich gesinnten Zeitungen Europas abgedruckt erscheine. Welche Wirkung aber ein auch ohne Folge bleibender Beschluß in betreff der Staatsschulden, Steuern oder Monopole auf den Staatskredit und die diplomatischen Verhältnisse haben würde, muß ich die Herren Minister des Äußern und der Finanzen beurteilen lassen und nur noch bemerken, daß durch die Erklärung der Ungültigkeit und Nichtigkeit eines solchen Beschlusses und durch die Verurteilung der Urheber derselben durch die Strafgerichte diese Wirkung nur wenig abgeschwächt würde.

Den Einwendungen, welche gemacht werden können, daß derlei Beschlüsse auch in den kleineren Landesvertretungen der fünf Verwaltungsgebiete gefaßt werden dürften, muß ich die Bemerkungen entgegenstellen, daß selbst in dem schlimmsten Falle ein solcher Beschluß nicht von Ganz-Ungarn, sondern nur von einem fünften Teile ausgehen würde, daß ferner in den Preßburger und Kaschauer Verwaltungsgebieten die slawischen und deutschen in großer Mehrzahl vertretenen Elemente eine gemäßigte Mehrheit bilden und derlei Akklamationsbeschlüsse verhindern werden. Wie natürlich, wird man nicht zu gleicher Zeit in mehreren Verwaltungsgebieten die Landesvertretungen einberufen, und sollten wider Vermuten die Versuche in Preßburg oder Oedenburg ungünstig ausfallen, so wird man sich wohl hüten, in Pest Anlaß zur Wiederholung von ähnlichen Ausschreitungen zu geben. Hat man jedoch zwei oder drei Landesvertretungen mit für die Regierung günstigem Erfolge geschlossen, so ist der Eindruck, welchen der Beschluß einer vierten oder fünften Landesvertretungsabteilung, möge er auch noch so ungünstig ausfallen, für die Finanzen und Diplomatie hervorbringt, ohne große Bedeutung. Auch ist mit Wahrscheinlichkeit vorauszusehen, daß die Fünftel-Landesvertretung sich vor allem bemühen wird, die Vereinigung der fünf zu erreichen, all ihr Streben und Drängen, so lange sie eine kleine machtlose Versammlung ist, wird nur dahin gerichtet sein, sie wird ihre Schwäche fühlen, sich klug hüten, mit unliebsamen Begehren aufzutreten, sondern diese späteren Zeiten vorbehalten; manche der gefährlichsten Führer der Umsturzpartei werden auf dieser Fünftel-Versammlung gar nicht erscheinen und in ihrer Abwesenheit dürften umso leichter der Regierung angenehme Beschlüsse zu erzielen sein; im schlimmsten Falle wird als erste Frage mit vieler Heftigkeit verhandelt werden, ob die Fünftel-Vertretung das Recht habe, etwas anderes zu beschließen, als das Begehren um Vereinigung aller fünf Teile. Diesen Verhandlungen werden aber die Minister des Äußern und der Finanzen ruhig zusehen, denn weder Börsenmänner noch || S. 91 PDF || Diplomaten werden sich dadurch aufregen lassen, daß in einer Monarchie, die 37,000.000 Seelen zählt, die Vertreter von eineinhalb Millionen in einer so wenig wichtig scheinenden Frage lärmen und toben; es wird zwar auch in den vier Verwaltungsgebieten, wo die Landesvertretung nicht tagt, das Volk aufgeregt und neugierig sein, was die Versammlung im fünften Gebiete ausrichten wird; diese Aufregung dürfte aber dem Sturme im Wasserglase gleichen, im Verhältnisse zu jenen Ausbrüchen, welche unvermeidlich folgen werden, wenn eine Gesamtlandesvertetung des ganzen Königreichs Ungarn, nicht wie in den Jahren 1790 und 1825 durch immer fortgesetzte Nachgiebigkeit der sich schwach zeigenden Regierung, besänftigt und versöhnt, sondern mit Waffengewalt auseinandergesprengt werden müßte, wo dann zu gleicher Zeit in 43 Gespanschaften die aus dem Landtage Vertriebenen die Massen kräftig und, wie zu befürchten, nicht ohne Erfolg aufwiegeln würden. Ungarn würde hiedurch wieder in die Aufregungen der politischen Wirren gestürzt, jene Bahn verlassen, in welcher es gegenwärtig seine reichen materiellen Kräfte entwickelt und das Wohlergehen aller seiner Bewohner fördert.

Schwieriger fällt mir eine zweite Einrichtung zu bekämpfen, nämlich daß, wenn die anderen Kronländer, wie z. B. Böhmen, eine Gesamtvertretung haben, das Königreich Ungarn dasselbe beanspruchen kann, und ich bedauere, daß gerade ich, Sr. Majestät treugehorsamster Justizminister und noch dazu ein geborener Ungar, den meinem Vaterlande günstig scheinenden Standpunkt verlassen und nach meiner innersten Überzeugung zum Heile desselben Vaterlandes raten muß, vor allem in Erwägung zu ziehen, ob das Kaisertum Österreich eine europäische Großmacht bleiben wird, wenn Ungarn zu Österreich sich wie Norwegen zu Schweden stellt, und wenn das in jeder Beziehung die kaiserliche Macht abschwächende konstitutionelle Gebaren Ungarns, wie es vor 1848 war (denn von den am 7. April 1848 12 vereinbarten Gesetzen will ich nicht sprechen) neuerlich ins Leben tritt. Ich meinerseits halte jene Ungarn für mit Blindheit geschlagen, welche glauben, ein nur durch Personalunion mit Österreich verbundenes Ungarn habe eine Zukunft zu hoffen, und Ungarn könne bestehen, wenn die österreichische Monarchie in Stücke geht. Ich bin daher überzeugt, daß der Standpunkt der Gleichberechtigung Ungarns und Böhmens in dieser Beziehung aufgegeben werden müsse, sobald außer Zweifel ist, daß das Festhalten an selbem und die eine Landesvertretung für ganz Ungarn zur Personalunion und in weiterer Folge zur Auflösung der österreichischen Monarchie führe, welche Auflösung nie zum Heile Ungarns ausfallen würde. Ferner muß ich noch bemerken, daß in der Landesvertretungsfrage zwischen den andern Kronländern und Ungarn eine große Verschiedenheit besteht. In den übrigen Kronländern waren die Landstände keine politischen Körperschaften, hatten keine Gesetzgebungsrechte, keine den Herrscher beschränkende Macht, keine Steuer- und Rekrutenbewilligung und deshalb auch keine eingreifende Rückwirkung auf die Bevölkerung. In den übrigen Kronländern kann man daher an das Bestandene anknüpfen, denn es ist möglich, mit der neuen Vertretung mehr zu geben als im Jahre 1847 bestand. In Ungarn und seinen Nebenländern jedoch kann man eigentlich nur einen Schatten jener Rechte, welche 1847 durch die Stände ausgeübt wurden, zugestehen. || S. 92 PDF || Man ist leider gezwungen, sehr viel und zwar sehr viel Wichtiges zu versagen, das wenige Gegebene aber wird nicht mit Dank, sondern mit Entrüstung aufgenommen werden und nur dazu reizen, mehr und immer mehr zu erzwingen. Die Regierung muß daher auf einen heftigen Strauß gefaßt sein, und da man es mit einem feurigen, tatkräftigen, parlamentarisch nicht ungeübten Volke zu tun hat, so ist es im Gebot der Staatsklugheit, der kampflustigen Nation nicht Gelegenheit zu geben und nicht die Bahnen zu ebnen, damit sie alle ihre Kräfte in einem Punkte, d. i. in einer einzigen Landesvertretung, vereinigen könne, sondern die durch fünf geteilte Macht teilweise zu bekämpfen und nichts zu erlauben, wodurch die Gelüste, welche zwar heute nur nach Mitherrschaft, bald jedoch nach Alleinherrschaft streben würden, mutwilliger Weise angefacht und gestärkt werden müßten. Hat man einmal die abschüssige Bahn der Nachgiebigkeit betreten, so wird man ebenso wie dies vom Jahre 1790 bis 1848 der Fall war, immer weiter und schneller fortgerissen werden, und ich besorge, man wird in kurzer Zeit auf demselben Punkte stehen, wie am 11. April 1848, wo durch die Ah. bestätigten Gesetze Ungarn von der österreichischen Monarchie förmlich losgetrennt und die Personalunion eine Wahrheit wurde.

Ich muß daher meine Überzeugung ohne Schwanken dahin aussprechen, daß die vor zehn Jahren eingeführte Teilung Ungarns in fünf Verwaltungsgebiete beibehalten und in jedem Verwaltungs­gebiete eine Landesvertretung einberufen werde. Ich hatte in die gegenwärtige Gestaltung Ungarns nicht den geringsten Einfluß, denn, im Dezember 1847 quiesziert, trat ich erst 1851 wieder in die Aktivität als Oedenburger Oberlandesgerichtspräsident, folglich als Justizbeamter. Aber ich war seit 1848 der Ansicht, daß ein ungeteiltes Ungarn der österreichischen Monarchie stets gefährlich war und künftig noch gefährlicher werden wird, folglich so lange die Generation, welche die 1848er Landtagsbeschlüsse durchsetzte, lebt, das gegenwärtig Bestehende festzuhalten sei.

Sollte jedoch eine Gesamtlandesvertretung für ganz Ungarn aus höheren, mir unbekannten politischen Rücksichten durchaus nicht zu vermeiden sein, so möchte ich, von dem Satze ausgehend, daß zwischen zwei Übeln das kleinere zu wählen ist, folgendes Auskunftsmittel, welches jedoch nur ein Lückenbüßer ist und sehr viel gegen sich hat, in Antrag bringen: Es könnte vielleicht eine Gesamtvertretung für ganz Ungarn im Grundsatze bewilligt werden. Selbe müßte jedoch in fünf abgesonderten Sektionen in den Verwaltungsgebietshauptstädten tagen, und jede Sektion je zwei Abgeordnete zur Bildung einer Gesamtlandesvertretung von zehn Personen an die Seite des Landesgouverneurs als Beirat (Collegium) wählen, welcher Beirat nach Umständen, wenn es die Wichtigkeit der vorkommenden Geschäfte wünschenswert erscheinen ließe, von Fall zu Fall durch Zuziehung noch eines oder mehrerer Abgeordneter aus jeder Sektion verstärkt werden könnte. Dieser Ausschuß hätte als Mittelsorgan für die Vorlagen der Landesvertretungssektionen an die Regierung bezüglich [an] den Reichsrat zu dienen und bei seinem Einbegleitungsgutachten zunächst das Interesse des Gesamtkönigreichsc Ungarn im Auge zu behalten und zu vertreten. Eine derartige Einrichtung hätte wenigstens die Vorteile, daß sie dem alten ungarischen Landtage ganz unähnlich wäre, folglich nicht für dessen Nachfolger gehalten werden könnte, daher der Österreich feindliche Geist weniger auf || S. 93 PDF || dieses Kollegium rückwirken dürfte, daß ferner die Beschlüsse der Sektionen nicht denselben Widerhall im Lande finden würden wie die Beschlüsse einer Gesamtvertretung; daß durch die nicht gleichzeitige Einberufung der Sektionen dem Gesamtausdrucke der Landesvertretung vorgebeugt würde, daß aber andererseits die wirklich berechtigten Interessen der Landesbewohner im einzelnen und ganzen ihren Ausdruck fänden und der Gesamtbegriff des Königreichs Ungarn in dieser Einrichtung seine sichtlich verkörperte Gesamtvertretung in dem Beirate des Generalgouvernements hätte, ohne daß dieses Kollegium, da es nur aus einer kleinen Anzahl von Ausschußgliedern besteht, jene Gefahren in sich trüge, wie eine für das ganze Land vereint tagende Landesversammlung, welche Abgeordnete von 43 Komitaten, von Städten, großem Grundbesitz, dann vom König Ernannte usw., folglich eine sehr große Anzahl von Mitgliedern haben müßte. Diese Gestaltung hätte noch überdies den Vorteil, daß man die Gefahr aus der Gegenwart in eine fernere Zukunft schiebt, und daß doch schon jetzt das Mittel gegeben wäre und vielleicht sogar in Aussicht gestellt werden könnte, daß, wenn es nach Zeit, Umständen und der Stimmung im Lande zulässig, der vereinten Gesamtrepräsentanz des Landes durch Vergrößerung des Kollegiums ein verstärkter Ausdruck gegeben werden wird. Diese beantragte Form dürfte auch die Unterordnung der Landesvertretung unter den Reichsrat erleichtern. Da bekannt ist, wohin das Streben der ungarischen Nationalpartei gerichtet ist, so ist es wesentlich, derselben auf dem Wege zu ihrem Ziele so viele Hindernisse als möglich entgegenzustellen; es ist vorauszusehen, daß sie gegen die Landesvertretungssektionen als ein solches Hindernis ankämpfen werde, und ich betrachte dies als den Kampf um eine Vorfrage. Zufriedengestellt wird die nationale Partei durch diese Einrichtung nicht werden, sie wird es aber ebensowenig durch eine gemeinsam tagende ungarische Landesvertretung, wenn nicht gleichzeitig die ungarische Konstitution von 1848 hergestellt wird; hierüber dürfte doch wohl kein Zweifel sein, so wie auch darüber nicht, daß die Regierung ihre Stellung nur verschlimmern würde, indem sie, ohne jemanden zu gewinnen, auch diejenigen verlieren und der Nationalpartei preisgeben müßte, welche seit zehn Jahren mit ihr gingen und deren Zahl sich mehren wird, sobald die Überzeugung Wurzel greift, daß die Regierung nicht schwankt, sondern fest, entschieden und konsequent vorgeht. Da nun die Wünsche der nationalen Partei nicht erfüllt werden können, ohne die Rechte der Krone, die Kraft der Gesamtmonarchie und vielleicht die Dynastie selbst zu gefährden, so ist es ein Gesetz der Selbsterhaltung, in Ungarn nicht solche Institutionen in das Leben zu rufen, welche Parteibestrebungen das Feld ebnen und äußeren Einflüssen einen Tummelplatz zu gewähren, welche Einflüsse, wie es die Vorgänge in Italien beweisen, nur dahin gerichtet sind, Österreich im Inneren zu schwächen und aus der Stellung einer Großmacht zu drängen.

Der Minister des Inneren sprach sich übereinstimmend mit den Ministern des Kultus und der Finanzen gegen eine Fünfgliederung des ungarischen Landtages aus, welche mit den geschichtlichen Traditionen und den Wünschen des ganzen Landes im geraden Widerspruche stehen würde. Auf die vom Justizminister geltend gemachten Gründe übergehend, bemerkte Graf Gołuchowski, daß der Landtag von 1791 nicht ungeachtet einer 25jährigen Ruhe, sondern vielmehr wegen dieses erzwungenen Stillstandes der ständischen Verhandlungen so stürmisch geworden sei. Öfters wiederholte Landtage sind mit weniger Aufregung verbunden, und gegenwärtig würde der ungarische Landtag || S. 94 PDF || minder zahlreich werden, da er aus der Woiwodschaft, Kroatien und Slawonien keine Ablegaten mehr erhält. Die Übergriffe wegen Reinkorporation der sogenannten Partes Regni seien umso weniger zu besorgen, als dieselbe von Kroatien, Slawonien und der Woiwodschaft nicht gewünscht wird. Daß die evangelischen Konvente eine so schlechte Richtung einschlugen, entstand daraus, daß man sie ganz sich selbst überließ. Die Tätigkeit, welche der vereinigte ungarische Landtag entwickeln wird, hänge hauptsächlich von seiner Zusammensetzung und von dem ihm eingeräumten Wirkungskreise ab. Die Regierung müsse ein billiges Verfahren Ungarn gegenüber einhalten, dann wird sie die Parteien gewinnen und die Pazifizierung zustande bringen. Durch bloßes Aufschieben werde nichts erreicht, denn die alten unvertilgbaren Erinnerungen verhindern, daß man die gehegten Wünsche aufgebe. Die Gefahren des jetzigen Zustandes sind die Wirkungen des Aufschiebens. Man muß zu entschiedenen Schritten übergehen. dSeit zehn Jahren werden alle, namentlich die Organisation Ungarns betreffenden Fragen fortwährend in Frage gestellt, die Regierung kann sich zu einem Definitivum gar nicht entschließen, auch das dermalige Ministerium, als es vor acht Monaten zusammentrat, machte Miene, mit raschem Vorgehen dem leidigen Provisorium ein Ende zu machen. Allein, bei jeder einzeln sich ergebenden Frage tauchten neue Skrupel auf, und man fühlte sich beruhigt, wenn man die Lösung der einschlägigen Angelegenheit der Zukunft überweisen konnte. So ist beispielsweise die Frage, ob ein oder mehrere Landtage in Ungarn abgehalten werden sollen, schon mehrmals diskutiert worden, jedoch konnte man sich zu keinem Definitivum entschließen, endlich hieß es vor beiläufig vierzehn Tagen, man müsse denn doch sich über diesen Gegenstand vor Einberufung des Reichsrats verständigen, um aber dazu zu gelangen, sei es notwendig, den Wirkungskreis zu kennen, welcher den Provinziallandtagen eingeräumt werden wird. Dies geschah bei Beratung des Tiroler Statuts, allein, dessen ohngeachtet, will man sich zu gar nichts verstehen. Ein solcher Zustand der Dinge ist ein unerträglicher und muß nötigermaßen die sehr gespannten Erwartungen der Bevölkerung Ungarns bis zur Unerträglichkeit steigern.d Seit zehn Jahren werden alle, namentlich die Organisation Ungarns betreffenden Fragen fortwährend in Frage gestellt, die Regierung kann sich zu einem Definitivum gar nicht entschließen, auch das dermalige Ministerium, als es vor acht Monaten zusammentrat, machte Miene, mit raschem Vorgehen dem leidigen Provisorium ein Ende zu machen. Allein, bei jeder einzeln sich ergebenden Frage tauchten neue Skrupel auf, und man fühlte sich beruhigt, wenn man die Lösung der einschlägigen Angelegenheit der Zukunft überweisen konnte. So ist beispielsweise die Frage, ob ein oder mehrere Landtage in Ungarn abgehalten werden sollen, schon mehrmals diskutiert worden, jedoch konnte man sich zu keinem Definitivum entschließen, endlich hieß es vor beiläufig vierzehn Tagen, man müsse denn doch sich über diesen Gegenstand vor Einberufung des Reichsrats verständigen, um aber dazu zu gelangen, sei es notwendig, den Wirkungskreis zu kennen, welcher den Provinziallandtagen eingeräumt werden wird13. Dies geschah bei Beratung des Tiroler Statuts, allein, dessen ohngeachtet, will man sich zu gar nichts verstehen. Ein solcher Zustand der Dinge ist ein unerträglicher und muß nötigermaßen die sehr gespannten Erwartungen der Bevölkerung Ungarns bis zur Unerträglichkeit steigern. Es war eine Zeit, wo in Ungarn eine einheimische Regierung bestand; dies hat aufgehört, die Nationalität hält sich durch die „deutsche Regierung“ bedroht. Das vom Justizminister alternativ vorgeschlagene Auskunftsmittel eines Zentralausschusses der fünf Landtage findet der Minister des Inneren nicht klar genug gezeichnet; es scheine unpraktisch und werde niemanden befriedigen. Der Polizeiminister glaubt, daß unter den dermaligen Verhältnissen des In- und Auslandes keine Landesvertretung mit den Attributen, welche man ihr in Österreich möglicherweise einräumen kann, die Ungarn zufriedenstellen werde, sie möge nun eine oder eine mehrfach geteilte sein. Man will dort ausschließend eine konstitutionelle Regierung. Baron Thierry teilt ganz die Meinung des Grafen Nádasdy über die Gefahren eines vereinigten ungarischen Landtages und würde glauben, daß die Regierung bezüglich der Lösung dieser Frage suchen sollte, zu temporisieren, e um freie Hand zu behalten, bis sich die äußeren Verhältnisse || S. 95 PDF || etwa besser gestaltet haben und die Organisierung der Landesvertretung in mehreren der übrigen Kronländer so weit vorgeschritten sein würde, um durch die daselbst erzielte Beruhigung einen heilsamen Gegendruck auf Ungarn hervorbringen zu könnene. FZM. Ritter v. Benedek äußerte, es scheine ihm notwendig, daß die Regierung ihre Absicht klar ausspreche und den Parteien gegenüber genau die Grenze bezeichne: „bis hieher und nicht weiter“. Wenn aber die Regierung es einmal für nötig erkennt, dem Lande Ungarn eine ständische Vertretung zu gewähren, so dürfte es rätlich sein, dies in einer Weise zu tun, daß das Land dabei einigermaßen zufriedengestellt wird, was bei einer Fünfteilung sicher nicht der Fall wäre. Se. k. k. Hoheit der durchlauchtigste Herr Erzherzog Wilhelm trat der Meinung des Justizministers bei. Se. k. k. Hoheit der durchlauchtigste Herr Erzherzog Reichsratspräsident teilte ebenfalls im wesentlichen die Bedenken des Justizministers gegen einen vereinigten ungarischen Landtag, obgleich andererseits nicht verkennend, daß die fünf getrennten Landtage mit aller Entschiedenheit nach ihrer Vereinigung zu einem einzigen streben werden, dieses Bestreben von den Wünschen der Mehrheit im Lande getragen werden dürfte und selbes auch im verstärkten Reichsrate mehrfache Unterstützung finden werde.

Se. Majestät der Kaiser geruhten Allerhöchstsich dafür auszusprechen, daß in Ungarn ein vereinigter Landtag abgehalten werde. Sollte derselbe sich bedenkliche Ausschreitungen erlauben, so würde er ohne Verzug aufzulösen sein14.

IV. Frage, ob die fünf Statthaltereiabteilungen in eine Landesbehörde in Ofen zu vereinigen wären. Übergangsmaßregeln hiezu

Hierauf wurde zur Beratung des zweiten Punktes geschritten, nämlich, ob der bisherige Organismus der fünf Statthaltereiabteilungen beizubehalten sei oder nicht15.

Der Ministerpräsident äußerte, daß, wenn das Prinzip einer vereinigten Landesvertretung angenommen wird, auch die Trennung der Statthaltereiabteilungen aufgehoben und eine einzige Statthalterei für das ganze Land organisiert werden müsse. Um jedoch die vielen Komitate in einem so weit ausgedehnten Kronlande bei ihrer Gestion zu überwachen, schiene es angezeigt, hiezu vier bis fünf exponierte höhere Regierungsorgane zu bestellen, welche unmittelbar und ausschließlich dem Generalgouverneur unterzuordnen wären. Diese exponierten Organe würden namentlich zu kritischen Zeiten in polizeilicher Hinsicht sehr gute Dienste leisten und die Aktion des Generalgouvernements verstärken, welches alle Geschäfte in der Hand haben muß und nicht mehr, wie bisher, größtenteils bloß zusehen soll. Der Kultusminister fände es bedenklich, an dem jetzigen administrativen Organismus in diesem Augenblicke wesentliche Änderungen ohne den Rat vertrauenswürdiger Personen vorzunehmen. Man häufe doch nicht die Experimente! Der Vorschlag, für gewisse Kreise einige überwachende Organe zu bestellen, sei eine Art Zwitterbildung, von der Graf Thun sich keinen Vorteil versprechen könne. Zur bloßen Überwachung kann der Generalgouverneur ohnehin, so oft er es nötig findet, höhere Beamte auf Komitatsbereisungen aussenden, welche Organe auch in dringenden Fällen mittelst der in Ungarn dermal vorhandenen Kommunikationsmittel ohne allen Verzug an Ort und Stelle erscheinen, untersuchen und nötigenfalls selbst || S. 96 PDF || in ähnlicher Art eingreifen können wie in vormärzlicher Zeit die königlichen Kommissäre. Der Beschluß über die Stellung und Zusammensetzung der Landesstellen ist übrigens wesentlich durch die Gestaltung der Komitatsverfassung bedingt, daher es unumgänglich sei, sich diese vorläufig klar zu machen. Der Finanzminister , mit dieser Schlußbemerkung völlig einverstanden, erklärte die Komitats­organisierung als das Wichtigste und Dringendste. Ist diese festgestellt, so werde sich die Aufgebung der Statthaltereiabteilungen von selbst als zulässig herausstellen. Der Justizminister glaubt ebenfalls, daß, wenn die 43 Komitatsbehörden zweckmäßig organisiert werden, dieselben auch von einer einzigen Statthalterei ohne Schwierigkeit werden geleitet werden können. Stehen doch in Frankreich 86 Departements direkt unter dem Minister des Inneren und funktionieren vollkommen entsprechend. Allein, so lange die Komitate nicht organisiert sind, wäre an der gegenwärtigen Einrichtung der Statthaltereien nichts zu ändern.

Der Minister des Inneren gab hierauf eine Skizze des von ihm mit Benützung der Vorarbeit des Reichsrates v. Szőgyény entworfenen Organismus der Komitate und der künftigen Stellung der Obergespäne. Graf Gołuchowski glaubt, daß eine bleibende Überwachung ihrer Tätigkeit durch exponierte Organe des Generalgouvernements füglich entbehrt werden könne, und sollte in einzelnen Fällen eine Untersuchung oder ein höheres Eingreifen in die Gestion eines Komitates notwendig werden, so könne der Generalgouverneur am füglichsten dazu den bewährten Obergespan eines benachbarten Komitates delegieren. Der Hauptnachteil der gegenwärtigen Fünfteilung besteht darin, daß das Generalgouvernement in die Administration nur ausnahmsweise eingreift, daß es bloß auf die Polizei und die Personalien einen aktiven Einfluß nimmt und sich sonst auf Visa und Einbegleitungsberichte beschränken muß. Ist der Generalgouverneur aber Chef der vereinigten Statthalterei, so wird sein Einfluß im ganzen Lande ein viel größerer. Zur Bewältigung der Geschäfte würden ihm zwei Vizepräsidenten zur Seite gestellt. Graf Gołuchowski habe sich durch Einsicht der Gestionsprotokolle der Statthaltereien und des Generalgouvernements überzeugt, daß gerade die Fünfteilung und die Überordnung des Generalgouvernements eine große Masse von Agenden vervielfältiget und unnütze Schreibereien verursacht, so daß bei der Vereinigung der Geschäfte in Ofen die Agenden weit minder zahlreich sein werden als jetzt bei den fünf getrennten Landesbehörden und dem Generalgouvernement zusammen genommen. Es wird sich daher auch eine sehr bedeutende Ersparnis an Personale und Kosten erzielen lassen. Der Minister des Inneren brachte daher in Antrag, daß die Konzentrierung der Geschäfte in Ofen gleich aus Anlaß der Ernennung des FZM. Ritter v. Benedek in Ausführung gebracht werde, und nur zur Erleichterung des Überganges wäre einstweilen, bis zur vollendeten Organisierung der Komitate, ein Teil der Geschäfte noch den Statthaltereiabteilungen zu belassen. Der Kultusminister trug Bedenken gegen diese, binnen kurzer Zeit sich wiederholenden Änderungen im Organismus der Obersten politischen Landesbehörde Ungarns. Wenn die Konzentrierung der Statthaltereiabteilungen in Ofen bis nach der Durchführung des Komitatsorganismus aufgeschoben bliebe, würde dies den ruhigen Gang der Verwaltung minder stören und dieser Maßregel überdies auch jeden Anschein einer politischen Konzession nehmen.

Se. Majestät der Kaiser geruhten Allerhöchstsich dafür zu entscheiden, daß der Beschluß wegen Vereinigung der Statthaltereiabteilungen und wegen Bewilligung eines || S. 97 PDF || vereinigten Landtages in Ungarn schon jetzt bei Ernennung des FZM. Ritter v. Benedek veröffentlicht werde. Die vereinigte Statthalterei werde aus den besten Kräften der Abteilungen zusammenzusetzen sein16.

V. Vollmacht für den provisorischen Generalgouverneur FZM. Ritter v. Benedek

Über die Andeutung des Ministerpräsidenten wegen allfälliger Erteilung größerer Vollmacht an den provisorischen Generalgouverneur geruhten Se. Majestät zu bestimmen, daß die dem durchlauchtigsten Herrn Erzherzog Albrecht erteilte, sehr ausgedehnte Vollmacht auf seinen Nachfolger übergehen werde17. Es könne sich nur darum fragen, ob vielleicht der Wirkungskreis des letzteren in Absicht auf die Ernennung von Beamten nicht zu erweitern wäre.

Infolge der Äußerung des Grafen Gołuchowski , daß seine Kompetenz in Besetzungsfällen nicht zu ändern sein dürfte, zumal dem neuen Landeschef die dortigen Personalverhältnisse noch nicht bekannt sind, erklärte der FZM. Ritter v . Benedek , daß er einen ausgedehnteren Wirkungskreis in dieser Beziehung nicht in Anspruch nehme, dagegen aber sich das Recht zur Suspendierung von Beamten im öffentlichen Interesse vorbehalten müsse.

Se. Majestät der Kaiser geruhten den Minister des Inneren Ah. zu beauftragen, die Entwürfe der den ausgesprochenen Ah. Absichten entsprechenden Erlässe vorzulegen18.

VI. Opportunität der Erlassung einer Norm über die Sprachenfrage

Der FZM. Ritter v. Benedek richtete an Se. Majestät die Bitte, daß bei seinem Amtsantritte auch feste Normen über den Gebrauch der Sprache in der politischen und gerichtlichen Sphäre erlassen würden.

Der Minister des Inneren erklärte einen offenen Ausspruch über die Sprachenfrage zur allgemeinen Richtschnur bei der gegenwärtigen, verschiedenartigen und oft eigenmächtigen Praxis der Behörden für sehr wünschenswert. Diese Frage sei übrigens nicht so verwickelt, als man insgemein glaubt. Der Justizminister äußerte, daß in der Hauptsache die Minister einerlei Meinung sind; nur über die Sprache, in welcher die Eingaben der Advokaten zu gestatten seien, bestehe noch eine Differenz, welche mittelst Vortrag der Allerhöchsten Entscheidung unterzogen wird19. Dieser Punkt sei sehr wichtig, weil, wenn man den Advokaten gestattet, überall ungarisch zu schreiben, 300 Justizbeamte in den rein slawischen Landesteilen genötigt sein würden, Ungarn zu verlassen. Der Ministerpräsident hielt es nicht für ratsam, in diesem Augenblicke, wo es nur zu viele Unzufriedene und Veranlassungen zu Agitation gibt, ein Gesetz über die Sprachenfrage zu geben, welche heutzutage die Gemüter so tief bewegt. Man lauft Gefahr, bei allen beteiligten Nationalitäten zugleich Anstoß zu erregen, und eine erbitterte Polemik || S. 98 PDF || wird nicht ausbleiben. Durch eine Vertagung jedes öffentlichen Ausspruches in dieser Angelegenheit würde sich die Regierung manchen Tadel, Sorge und Verlegenheit ersparen20.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 10. April 1860.