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Nr. 127 Ministerkonferenz, Wien, 17. und 18. März 1860 – Protokoll II - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • Sammelprotokoll; RS.; P. Marherr; VS. Rechberg; BdE. und anw. (Rechberg 20. 3.), Thun 20. 3., Bruck 20. 3., Nádasdy 20. 3., Gołuchowski 20. 3., Thierry 20. 3., FML. Schmerling 21. 3.

MRZ. – KZ. 968 –

Protokoll II der zu Wien am 17. und 18. März 1860 abgehaltenen Ministerkonferenzen unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des kaiserlichen Hauses etc. Grafen v. Rechberg.

I. Wiedererscheinen des Abend- und Montagsblattes der Wiener Zeitung

Der Polizeiminister erhielt die Zustimmung der Konferenz zur Wiedereinführung des laut Konferenzberatung vom 10. und 12. Dezember 1859 1 abgestellten Abend- und des Montagsblattes der Wiener Zeitung vom 1. April 1860 an, nachdem Wünsche darnach im Publikum laut geworden sind und Stoff zur Füllung der Blätter hinlänglich vorhanden ist, auch in finanzieller Beziehung kein Bedenken dagegen obwaltet. Die statt des Montagsblatts ausgegebene „Austria“, die ohnehin in getrennter Auflage erscheint, würde dagegen wie vor dem 1. Jänner 1860 behandelt werden. Wegen des Zeitpunkts ihrer Trennung von der Wiener Zeitung wird sich der Polizei- mit dem Finanzminister verständigen, welcher, wenn möglich, das Belassen der „Austria“ bis Ende Juni bei der Wiener Zeitung gewünscht hätte2.

II. Aufforderung des Erzbischofs von Olmütz an den mährischen Klerus und die Gläubigen zur Beteiligung an einer Anleihe für den Heiligen Vater

Der Minister des Inneren referierte über eine Anfrage des Statthalters von Mähren3, ob dem Vollzuge einer Aufforderung des Olmützer Erzbischofs4 an den Klerus des Landes, sich an Anleihen für den Heiligen Vater selbst zu beteiligen und die Gläubigen von der Kanzel herab zur Teilnahme daran zu ermuntern, von Seite der Staatsbehörde ein Hindernis gelegt werden soll5. Nachdem ein solches Vorgehen als eine Sammlung von Beiträgen erscheint, Sammlungen aber nur mit Bewilligung der politischen Behörde veranstaltet werden dürfen, so gedächte der Minister des Inneren die Anfrage des Statthalters durch Hinweis auf die diesfalls bestehenden Vorschriften zu erledigen.

Der Kultusminister war der Meinung, daß, wenn diese Angelegenheit in offizieller Weise durch den päpstlichen Nuntius zur Verhandlung gebracht würde, || S. 37 PDF || wohl kein Bedenken gegen die Bewilligung bestehen dürfte, daher vor allem mit dem Nuntius hierwegen Rücksprache zu nehmen [sei].

Allein dagegen schienen der Mehrheit der Konferenz im gegenwärtigen Momente, wo die Emission eines österreichischen Anleihens bevorsteht, finanzielle Bedenken zu streiten6. Sie vereinigte sich daher in dem Antrage des Justizministers , daß der Statthalter angewiesen werde, den Erzbischof auf die wegen Veranstaltung von Sammlungen bestehenden Vorschriften aufmerksam zu machen, ihn einzuladen, daß er sich binnen einer bestimmten Frist aden bestehenden Verordnungen füge und seinen Klerus in diesem Sinne belehre. Falls aber dieses nicht geschähe, wäre die Inhibierung der Sammlung vom Statthaltera zu veranlassen. Hiermit wäre der erforderlichen Rücksicht für den Erzbischof Genüge getan, und es würde das Gehässige, das in einer Verhinderung des Vorgangs durch die Staatsgewalt gefunden werden möchte, von dieser ab- und auf den Erzbischof gewälzt, der sich ungeachtet der an ihn ergangenen Erinnerung über die bestehenden Vorschriften hinwegzusetzen versucht hat7.

III. Konfinierung von Ungarn in böhmischen Festungen

Mit einer telegraphischen Depesche Sr. k. k. Hoheit des Herrn Erzherzog Generalgouverneurs von Ungern wurde der Polizeiminister angewiesen, böhmische Festungen namhaft zu machen, wo hundert zu Konfinierende aus Ungern untergebracht werden könnten. Er wandte sich hierwegen an den Vertreter des Armeeoberkommandos FML. Ritter v. Schmerling , welcher indessen erklärte, augenblicklich und ohne vorläufige Anfrage bei den betreffenden Festungskommanden eine bestimmte Auskunft nicht geben zu können.

Außerdem gab die telegraphische Anfrage Sr. k. k. Hoheit wegen der bedeutenden Anzahl der zu Konfinierenden und der Ungewißheit, ob mit der Konfinierung bloß die Beschränkung des Aufenthaltes oder aber eine wirkliche Haft gemeint sei, dem Justizminister Veranlassung zu wesentlichen Bedenken. Wäre nämlich letzteres darunter verstanden, so müßte er Verwahrung dagegen einlegen, hundert Personen ohne vorausgegangene Untersuchung und Verurteilung bloß von Polizei wegen zur Haft zu bringen. Dies möge an Ort und Stelle geschehen, aber dann auch die ordentliche Strafgerichtsprozedur gegen sie eingeleitet, sonst aber, wenn ja ein abschreckendes Beispiel statuiert werden will, die Maßregel wenigstens auf einige wenige der am meisten Kompromittierten beschränkt werden. Dieses wäre Sr. k. k. Hoheit zu eröffnen.

Da der Polizeiminister Anstand nahm, dem Herrn Erzherzoge eine solche Antwort ohne Ah. Ermächtigung Sr. Majestät zu erteilen, so verfügte sich der Ministerpräsident unmittelbar zu Sr. Majestät, um hierwegen die Ah. Befehle zu erbitten. Allerhöchstdieselben geruhten sie dahin zu erteilten, daß Sr. k. k. Hoheit telegraphisch im Sinne des Justizministers geantwortet und ebenso durch den Vertreter des Armeeoberkommandos || S. 38 PDF || die Anfrage wegen der zur Verfügung stehenden Festungen gestellt werde.

Hiernach wurde sogleich das Erforderliche verfügt8.9

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 25. März 1860.