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Nr. 109 Ministerkonferenz, Wien, 7. Februar 1860 – Protokoll II - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Rechberg; BdE. und anw. (Rechberg 7. 2.), Thun 21. 2., Bruck 12. 2., Nádasdy 21. 2., Gołuchowski 21. 2., Thierry 21. 2., Schmerling 22. 2.

MRZ. – KZ. 712 –

Protokoll II der zu Wien am 7. Februar 1860 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des kaiserlichen Hauses Grafen v. Rechberg.

[I.] Aufnahme einer Anleihe (2. Beratung)

In der Konferenz vom 23. Jänner 1860 hat der Finanzminister die Aufnahme eines Anleihens von 150 Millionen Gulden, zur Hälfte bar, zur Hälfte in Nationalanleihensobligationen einzahlbar, zu dem Zwecke beantragt, daß damit das Defizit für das laufende Jahr gedeckt und der größere Teil derjenigen Nationalanleihensobligationen zurückgezogen werden könne, welche über die festgesetzte Summe von 500 Millionen Gulden ausgegeben worden waren. Die Modalitäten zu bestimmen, unter welchen jenes Anleihen auszugeben sei, blieb einer weiteren Verhandlung vorbehalten, und wurde nur angedeutet, daß es mittelst Verlosung, entweder mit Prämien oder mittelst des doppelten Kapitalbetrags, zurückbezahlt werden soll. Eine weitere Kreditoperation zur Rückzahlung der von der Bank im Jahre 1859 vorgeschossenen 133 Millionen Gulden wurde einem späteren günstigern Zeitpunkte vorbehalten. Seither haben sich aber unsere Valutaverhältnisse dergestalt verschlimmert, daß der Finanzminister sich genötigt sieht, als nächsten Zweck der beabsichtigten Kreditoperation, nebst der Deckung des heurigen Defizits, die Rückzahlung des Bankvorschusses von 133 Millionen voran und die Zurückziehung der 111 Millionen abeziehungsweise 83 Millionena des Nationalanleihens in die zweite Linie zu stellen. Es kann nämlich dem fortwährenden Steigen des Silberagio nur dadurch ein Damm gesetzt und ein Fallen desselben bewirkt werden, wenn jene 133 Millionen der Bank zurückgezahlt beziehungsweise aus dem Verkehr verschwunden sind. Hierzu und zur Deckung des laufenden Defizits reicht aber die anfänglich angetragene Anleihenssumme von 150 Millionen nicht aus. Der Finanzminister ist also mit Geldmännern des In- und Auslandes hierwegen abermals in Unterhandlung getreten. Einstimmig haben diese erklärt, daß unter den gegenwärtigen Umständen ein gemeines Anleihen, selbst eines mit Rückzahlung im doppelten Kapitalsbetrage, kaum gelingen werde. Sie glauben vielmehr, nur von einem mit lockenden Prämien ausgestatteten Lotterieanleihen sich eine lebhaftere Beteiligung des Publikums, besonders vom Auslande her, versprechen zu können. Zu einem solchen wäre jetzt, wo das 1834er Lottoanleihen1 zu Ende geht, der beste Moment. Drei Projekte liegen vor:

1. 250 Millionen Gulden in Losen à 500 f. und in Fünftel teilbar, mit 5% verzinslich, in 50 Jahren mit 1% rückzahlbar, mit jährlich zweimaliger Prämienverlosung. || S. 430 PDF || Es würde den Finanzen, al pari ausgeboten, jährlich 6% kosten; nachdem es aber al pari kaum angebracht, also etwa zu 90% ausgeboten werden dürfte, so fiele es dem Ärar mit jährlich 6 2/3% zur Last. Die Mehrheit der Finanzmänner hat sich gegen dieses Projekt als zu wenig lockend ausgesprochen.

2. 300 Millionen Gulden in Losen à 1000f., in Zehntel teilbar, mit 4% verzinslich, in 64 Jahren mit 2% rückzahlbar, mit jährlich sechs Ziehungen und sechs großen Treffern: drei à einer Million, drei à 400.000 f., wird von einer größeren Zahl der Finanzmänner empfohlen, weil es wegen der durch so viele Ziehungen und große Gewinnste angeregten Spiellust möglicherweise al pari ausgegeben werden kann und dem Staate jährlich nur 6% kostet.

Entschieden befürwortet von der Majorität wird endlich das 3. Projekt: 250 Millionen Gulden in Losen zu 100 f., unverzinslich, in 60 Jahren rückzahlbar, mit jährlich sechs Verlosungen, in jeder ein Treffer zu 500.000f., der niedrigste 110–300f., abgestuft nach den Verlosungsjahren, würde zu 80% ausgeboten, reißend abgehen und gleichwohl den Finanzen das geringste Opfer, nämlich nur 5% jährlich, auferlegen.

Unter gewöhnlichen Verhältnissen würde sich der Finanzminister für das Projekt 1 erklärt haben; allein, die gegenwärtigen Verhältnisse sind so außerordentlicher Natur, daß er sich der Ansicht der konsultierten Finanzmänner zu weichen und dieses Projekt fallenzulassen gezwungen sieht. Es bleibe sonach nur die Wahl zwischen 2 und 3. Indem der Finanzminister dieselbe der Konferenz einstweilen noch offenhält, bemerkt er, daß er für seine Person sich mehr zu dem Projekte 2 hinneigen würde, weil es, obschon für die Finanzen kostspieliger, doch nicht die Spiellust in einem so enormen Grade erregt, wie jenes sub 3. Er würde daher, mit Zustimmung der Konferenz, die Unterhandlung in dieser Richtung fortsetzen. Sollte sie, wie fast zu vermuten, zu einem befriedigenden Resultate nicht führen, weil die Majorität der Geldmänner für das dritte Projekt ist, so würde wohl nichts anderes erübrigen, als auf dieses letztere einzugehen, das vorzüglich auf eine lebhafte Beteiligung im Auslande berechnet und besonders von Frankfurt aus sehr empfohlen ist.

Die Konferenz fand gegen das Vorhaben des Finanzministers nichts einzuwenden, nachdem der Justizminister bemerkt hatte, daß im Falle der Untunlichkeit, mit einem Zwangsanleihen aufzutreten, ein anderer Ausweg als der angedeutete nicht erübrige. Der Kultusminister konnte zwar die Besorgnis vor neuen Verlegenheiten der Finanzen nicht unterdrücken, wenn das nächste Budget wieder mit einem Defizit schließen sollte; auch zweifelte er an der Wirksamkeit einer teilweisen Herabdrückung des Silberagio für die Solvenz der Nationalbank, solange der Zwangskurs der Banknoten aufrecht erhalten werden muß. Auf einige beruhigende Bemerkungen des Finanzministers , der sich von der Zurückziehung der 133 Millionen Noten und von der durch die Staatschuldenkommission am 21. Jänner d. J. beantragten Überweisung der 42 Millionen Effekten des Tilgungsfonds an die Bank2 eine wesentliche Besserung der Valutaverhältnisse || S. 431 PDF || verspricht und ein großesa Defizit für 1861 nicht erwartet, fand der Kultusminister auf einer weiteren Einsprache nicht mehr zu bestehen.3

Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Wien, 15. März 1860.