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Nr. 102 Ministerkonferenz, Wien, 1. Februar 1860 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Rechberg; BdE. und anw. (Rechberg 28. 1.), Thun 29. 1., Bruck 30. 1., Nádasdy 30. 1., Gołuchowski 31. 1., Schmerling 31. 1.; abw. Thierry.

MRZ. – KZ. 372 –

Protokoll der zu Wien am 28. Jänner 1860 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des kaiserlichen Hauses etc. Grafen v. Rechberg.

I. Besprechung in der ungarisch-evangelischen Sache

Dem Ah. Befehle gemäß, welchen Se. Majestät in der Konferenz vom 26. d. M. ad I. (MCZ. 345) zu erteilen geruhten, hat die vertrauliche Besprechung mit den Baronen Vay und Prónay und den dort weiters benannten sechs Personen der ungrisch-evangelischen Deputation einer-, dann dem Ministerialrate Zimmermann (Schulrat Mikulás akonnte daran wegen Erkrankung nicht teilnehmena ) andererseits stattgefunden1.

Nach der dem Kultusminister hierüber mündlich erstatteten Relation kam eine Vereinbarung nicht zustande, weil mit Ausnahme Vays, der mit seiner eigenen Ansicht zurückhielt, alle übrigen erklärten, auf Grundlage des Patents vom 1. September 1859 und der neuen Superintendentialeinteilung keine Synode berufen zu können, vielmehr auf der Restitutio in integrum bestehen zu müssen, wornach dann zur Wahl der Superintendenten, sohin der Synodalmitglieder geschritten und auf der berufenen Synode das Patent gleich einem anderen Antrage in Verhandlung genommen werden würde.

Bei einem minder starren Festhalten Zimmermanns an den Bestimmungen der dem Patente nachgefolgten Ministerialverordnung vom 2. September, bemerkte der Finanzminister , wäre vielleicht eine Verständigung erzielt worden. Der Weg dazu wäre seines Erachtens, statt mit der Koordinierung der Gemeinden zu beginnen, die bestehenden, auch künftig beizubehaltenden Seniorate zur Wahl der geistlichen und weltlichen Synodaldeputierten aufzufordern und mit diesen und den noch bestehenden Superintendenten die Synode konstituieren zu lassen. Mit diesem geringen Zugeständnisse würde unter Aufrechthaltung der Bestimmungen des Patents die noch immer zunehmende religiöse und politisch-nationale Agitation besänftigt werden können, was unter den gegenwärtigen kritischen Verhältnissen gewiß alle Beachtung verdient. Auch der Justizminister würde diesen Ausweg empfehlen, vorausgesetzt, daß die Evangelischen die neue Einteilung in sechs Superintendenzen annehmen.

Der Kultusminister konnte sein Erstaunen nicht verbergen, wie man dem Ministerialrate Zimmermann bzum Vorwurfe machen könne, die Basis jener Bestimmungen nicht verlassen zu haben,b welche in der Konferenz umständlich beraten und durch die || S. 402 PDF || Ah. Sanktion zum Gesetz erhoben worden sind. Se. Majestät haben in der Konferenz vom 26. d. [M.] ausdrücklich zu befehlen geruht, von diesen Bestim­mungen nicht abzugehen und cdavon abweichende Zusagen nicht in Aussicht zu stellen. Dazu habe Ministerialrat Zimmermann auch gar keinen Anlaß gehabt, indem er nur instruiert war, die Eröffnungen, die ihm gemacht werden würden, entgegenzunehmen und zu referieren und etwa obwaltende Mißverständnisse aufzuklären.c Nicht auf Zimmermann also, sondern auf jene fällt die Schuld des Mißlingens, welche dlediglich den Standpunkt der Käsmarker Versammlung behaupteten. Mit diesen sei eine Verständigung unmöglich, weil die Regierung von dem in der evangelischen Angelegenheit eingeschlagenen, in dem Ah. Patente begründeten Gange, ohne ihre Autorität gänzlich bloßzustellen, nicht abstehend kann. Der Kultusminister hat es bei der Beratung des Patents und der Ministerialverordnung vorausgesagt, daß sich die Regierung auf Widerstand gefaßt machen muß. Jetzt, nachdem er eingetreten, nachzugeben, dazu könnte der Kultusminister die Hand nicht bieten. Eine ePartei, wenn auch vorerst noch fast nur unter den Lutheranern, hat sich bereits mit großer Entschiedenheit auf die Seite der Regierung gestellt und im Vertrauen auf ihre Festigkeit großen Feindseligkeiten ausgesetzt.e Diese dürfe nicht geopfert, sondern die Widerstandspartei muß und wird besiegt werden. Zur Unterhandlung mit ihr wäre aber nur dann die Möglichkeit geboten, wenn sie selbst mit Vorschlägen hervortritt, die mit den Prinzipien des Patents vom 1. September vereinbar sind.

fDer Finanzminister bemerkte, daß sein Antrag die Aufrechthaltung des Patentes ebenfalls beabsichtige und nur in betreff der Ministerialverordnung, gegen deren Erlaß sich gleich anfangs sehr gewichtige Bedenken erhoben hatten, eine Modalität vorgeschlagen werde, durch welche vielleicht der hochwichtige Zweck der Beruhigung eines so bedeutenden Teiles der ungarischen Bevölkerung erlangt werden könnte, worauf er unter den obwaltenden politischen Verhältnissen auch in finanzieller Beziehung den höchsten Wert legen müsse.f Der Finanzminister bemerkte, daß sein Antrag die Aufrechthaltung des Patentes ebenfalls beabsichtige und nur in betreff der Ministerialverordnung, gegen deren Erlaß sich gleich anfangs sehr gewichtige Bedenken erhoben hatten, eine Modalität vorgeschlagen werde, durch welche vielleicht der hochwichtige Zweck der Beruhigung eines so bedeutenden Teiles der ungarischen Bevölkerung erlangt werden könnte, worauf er unter den obwaltenden politischen Verhältnissen auch in finanzieller Beziehung den höchsten Wert legen müsse.

Der Ministerpräsident bemerkte nun, er habe heute mit Baron Vay und Prónay eine Unterredung gehabt, wobei auch letzterer erklärte, daß er bereit sei, für die Annahme des Patents zu wirken. Es erscheine daher in Anbetracht der obwaltenden politischen Verhältnisse ratsam, ein solches Anerbieten nicht schlechterdings zurückzuweisen und wenigstens zu hören, wozu und unter welchen Bedingungen er sich herbeilassen wolle2.

Obwohl nun der Kultusminister mit Rücksicht auf die eingangs erwähnte Erklärung wenig Hoffnung auf eine Verständigung hat, so erklärte er sich doch nach dem || S. 403 PDF || Wunsch des Ministerpräsidenten und der übrigen Stimmen der Konferenz bereit, gden Baron Vay, und wenn, wie zu besorgen stehe, er allein nicht mehr sich einfinden wolle, die beiden Obgenannten noch darüber zu vernehmen, ob sie irgendwelche annehmbaren Vorschläge zu machen bereit seieng .3

II. Entwurf eines allgemeinen deutschen Handelsrechts

Der Justizminister referierte seinen Antrag, daß Se. Majestät ihn zu beauftragen geruhen, die k. k. Bevollmächtigten bei der Bundeskommission für ein allgemeines deutsches Handelsrecht zu ermächtigen, im Namen der k.k. Regierung zu erklären, daß dieselbe geneigt sei, den aus der zweiten Lesung der Nürnberger Konferenz hervorgegangenen Gesetzentwurf4 (d. i. die vier ersten Bücher) in der Voraussetzung der im wesentlichen unveränderten Annahme bei der dritten Lesung im ganzen Kaisertume Österreich als allgemeines Handelsgesetz einzuführen, sie aber auch zugleich mittelst offener Ordre anweisen zu lassen, daß sie bei der Bundeskommission die nachstehenden Bemerkungen als Wünsche der k. k. Regierung geltend machen, als: 1. daß im Art. 110 der Grundsatz ausgesprochen werde, „jede Handelsgesellschaft müsse als solche ihr besonderes Gesellschafts­vermögen haben, welches den Handelsgesellschaftsgläubigern mit Vorzug vor andern hafte“; 2. daß in Art. 112 der erste Absatz des § 31 des reichsrätlichen Handelsgesetzentwurfs aufgenommen werde; 3. daß der Schlußsatz des Art. 102 dahin abgeändert werde, „daß zur Gültigkeit der Beschlüsse einer Handelsgesellschaft nur die Zustimmung der Mehrheit erforderlich sei“; 4. daß der erste Absatz des Art. 6 also textiert werde: „Eine Ehefrau kann, solang die eheliche Gemeinschaft nicht gerichtlich aufgehoben ist, ohne Einwilligung ihres Ehemannes nicht Handelsfrau sein.“

Die Konferenz war mit diesen Anträgen einverstanden. hDie Bemerkung des Ministers für Kultus, daßh Die Bemerkung des Ministers für Kultus , daß im Art. 31 die Führung der Handelsbücher in hebräischer Sprache iund Schrift, welche bisher in Österreich nicht erlaubt ist, nicht ausgeschlossen scheinei, erscheint nach der Bemerkung des Justizministers bereits dadurch berücksichtigt, daß in der Begründung zu diesem Artikel bemerkt wird, die hebräische Sprache werde hier nicht als „lebende“ Sprache verstanden, mithin jeder etwa hierwegen erhobene Zweifel nach dieser authentischen Interpretation der „lebenden Sprachen“ gelöst werden würde5.

III. Veranstaltung einer Sammlung für den heiligen Vater in Böhmen

Der Kultusminister brachte zur Kenntnis der Konferenz, daß der Kardinalerzbischof von Prag6 im Vereine mit den übrigen Bischöfen Böhmens beabsichtige, eine Geldsammlung zu Beiträgen für die Bedürfnisse des Heiligen Vaters zu veranstalten. Auf die Anfrage, ob dagegen von Seite des Ministers des Äußern und des Inneren ein Anstand obwalte, wurde von beiden Ministern und sofort von der Konferenz erklärt, daß gegen die Bewilligung zur Ausführung jenes Vorhabens nichts einzuwenden sei7.

Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Wien, den 4. Februar 1860.