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Nr. 88 Ministerkonferenz, Wien, 3. Jänner 1860 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Rechberg; BdE. und anw. (Rechberg 3./14. 1.), Thun 5. 1., Bruck 5. 1., Nádasdy 5. 1., Gołuchowski 5. 1., Thierry 7. 1., Schmerling 10. 1.

MRZ. – KZ. 173 –

Protokoll der zu Wien am 3. Jänner 1860 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des kaiserlichen Hauses etc. Grafen v. Rechberg.

I. Anfrage des Staatsanwalts wegen Berufung gegen das Urteil wider Zsedényi und Genossen

Der Staatsanwalt in Kaschau hatte in dem wider Hofrat v. Zsedényi und Genossen abgeführten Kriminalprozesse1 auf Verurteilung derselben zu zweijährigem Kerker angetragen. Das Urteil lautete aber auf viermonatlichen Kerker, und es wurde dagegen von den Verurteilten die Berufung eingelegt. Er hat nun die telegraphische Anfrage an den Justizminister gestellt, ob nicht auch seinerseits die Berufung gegen das zu milde Urteil anzumelden sei. Der Justizminister gedenkt ihm darauf ebenfalls telegraphisch zu erwidern: „Im Geiste der Strafprozeßordnung müsse die Beurteilung, ob gegen ein Urteil von Seite der Staatsbehörde Berufung einzulegen sei, schon im allgemeinen, in diesem Falle aber umso mehr dem Staatsanwalt selbst überlassen werden, als der Justizminister die Beweggründe des Urteils nicht kennt.“ Vor der Ausfertigung dieser Erledigung glaubte sich der Justizminister der Zustimmung der Konferenz versichern zu sollen, welche dagegen nichts zu erinnern fand2.

II. Begnadigung des Nikolaus v. Katona

Der politische Flüchtling Nikolaus v. Katona, dessen Gesuch um straffreie Rückkehr in der Konferenz vom 23. August 1859 sub III. zur Abweisung angetragen worden, hat sich fast gleichzeitig nach Österreich begeben und dem Gericht gestellt. Er wurde in allen drei Instanzen wegen Hochverrats im Rechtswege zum Tode verurteilt, jedoch einstimmig zur Begnadigung, und zwar von der Mehrheit der Stimmen zur vollständigen Begnadigung angetragen. Falls dieselbe Allerhöchstenorts nicht genehmigt würde, behielt sich der Oberste Gerichtshof vor, wider ihn eine fünfjährige Kerkerstrafe zu verhängen.

Der Gouverneur von Siebenbürgen, der Polizei- und Justizminister haben sich bereits im Korrespondenzwege für die völlige Strafnachsicht ausgesprochen, nur der Minister des Inneren war bloß für die Nachsicht der Todesstrafe und verharrte auch heute auf dieser Meinung, weil Katona, welcher von der Konferenz vom 23. August v. J. der Begnadigung, d. i. der straffreien Rückkehr in sein Vaterland nicht für würdig erkannt worden ist, nun durch seine eigenmächtige Rückkehr das erreichen würde, was man ihm damals verweigern zu müssen erachtete. Hiermit wäre aber ein bedenkliches Präzedens für andere aufgestellt, denen Straflosigkeit nimmermehr gewährt werden könnte. || S. 356 PDF || Schon die Nachsicht der Todesstrafe allein ist für ihn Gnade genug. Dieser Meinung, die im beiliegenden Resolutionsentwürfe formuliert ista, traten der Kultus- und der Finanzminister bei, indem sie die vollständige Begnadigung eines Menschen, der solche Ferkeltaten verübt hat wie er, für unzulässig hielten.

Die Mehrheit der Konferenz war jedoch für die gänzliche Strafnachsicht, somit für den vom Justizminister seinem Vortrage beigelegten Resolutionsentwurf, weil Katona, so schwer er auch im Jahre 1848 sich vergangen hat, doch seither zu keiner widrigen Wahrnehmung Anlaß gegeben, durch seine wiederholten Bitten um Rückkehrbewilligung sowie durch seine freiwillige Stellung vor Gericht seine Unterwerfung und ernstliche Reue bestätigt, auch durch das loyale Verhalten seines im k.k. Militär dienenden Sohnes einigen Anspruch auf Berücksichtigung erworben haben dürfte. Es ist schwer, setzte der Justizminister hinzu, dem Antrage der überwiegenden Mehrheit der Stimmen aller Gerichtsbehörden auf gänzliche Strafnachsicht entgegenzutreten und Sr. Majestät größere Strenge anzuraten. Auch dürfte gegen die Einwendung des Ministers des Inneren zu bemerken sein, daß zwischen der Bewilligung der straffreien Rückkehr und dem Ergeben des Flüchtlings auf Gnade und Ungnade in der Wirkung insofern ein Unterschied besteht, als das letztere jedem politisch Kompromittierten freisteht und dabei die allfällige Begnadigung nicht von vornehinein zugesichert, sondern erst nach längerer Untersuchung und Haft, wie bei Katona der Fall ist, erteilt wird3.

III. Überlassung des Generalkommandogebäudes an das Telegrafenamt

Zur vollständigen Räumung des Estensischen Palastes in der Herrengasse4 für das Polizeiministerium und Unterbringung des Telegrafenamts bietet die Übersiedlung des Generalkommandos in das Gardegebäude am Glacis eine erwünschte Gelegenheit. Der Finanzminister erbat sich daher die Zustimmung des Vertreters des Armeeoberkommandos zur Überlassung des hierdurch vakant werdenden Gebäudes an der Ecke der Teinfaltstraße für das Telegrafenamt, indem er sonst bei dem konstatierten Mangel an geeigneten Lokalitäten außerstand wäre, dem Ah. Befehle wegen ungeteilter Überlassung des Estensischen Palais an das Polizeiministerium ohne die empfindlichsten finanziellen Opfer zu entsprechen.

FML. Ritter v. Schmerling erklärte, hierwegen erst die gehörigen Informationen einholen zu müssen, und behielt sich vor, in der nächsten Konferenz die Antwort zu erteilen5.

IV. Geistliche Pfründenverleihungs- und Wahlbestätigungstaxen

In der Konferenz vom 7. Juni 1859 sub IV. wurde aus Anlaß eines Vortrags des Kultusministers wegen Aufhebung der geistlichen Pfründenverleihungs- und Wahlbestätigungstaxen, wegen des zwischen diesem Minister und dem Finanzministerium obwaltenden Prinzipienstreites beschlossen, die beiden Ministerien einzuladen, || S. 357 PDF || sich mit Beseitigung der prinzipiellen Frage über eine Reform dieser Taxen und überhaupt der Abgaben von geistlichen Pfründen zu vereinbaren.

Es hat hiernach eine Verhandlung zwischen dem Kultusminister und dem Unterstaatssekretär des Finanzministeriums (da der Finanzminister aus konfessionellen Rücksichten sich der persönlichen Einwirkung hierauf enthielt) stattgefunden, jedoch zu keinem Übereinkommen geführt, weil der Unterstaatssekretär die prinzipielle Auffassung über das vom Kultusminister bestrittene Recht zur Abnahme jener Taxen nicht aufgab.

Unter diesen Umständen erübrigt dem Kultusminister nichts, als hierüber die Ah. Entscheidung Sr. Majestät mittelst au. Vortrags einzuholen und vorläufig den Gegenstand einer abermaligen Besprechung in der Konferenz mit nachstehenden Bemerkungen zu unterziehen: Da nach bden seit Abschluß des Konkordats und auf Grundlage der Bestimmungen desselben erflossenen Ah. Entschließungenb dem Landesfürsten das Recht, geistliche Pfründen zu verleihen oder die kanonische Wahl von Ordensvorstehern zu bestätigen, nicht mehr, sondern in ersterer Beziehung nur das Präsentationsrecht, gleich einem Privatpatrone, in letzterer nur eine vorläufige Exklusiva zusteht, so kann auch von dem Rechte aus diesem Titel, eine Pfründenverleihungs- oder Wahlbestätigungstaxe abzufordern, keine Rede mehr sein. Hiermit ist nun zwar das aus dem Besteuerungsrechtec fließende Recht, Abgaben aus Anlaß des Antritts einer geistlichen Pfründe oder einer Ordensvorsteherstelle abzufordern, nicht beeinträchtigt, und der Kultusminister ist bereit, dzuzustimmen, daßd es durch einen geeigneten Antrag zur Geltung egebracht werdee, welcher den Ausfall des Staatseinkommens aus dem nicht mehr zurecht bestehenden Titel der Pfründenverleihung und Wahlbestätigung decken würde. Allein, hierbei muß bezüglich der Präsentation auf geistliche Pfründen in Anschlag gebracht werden, daß dermal fein Unterschied zwischen Pfründen landesfürstlicher Verleihung und Privatpatronats nicht zulässig erscheine, indemf bei beiden nur ein Präsentationsrecht ausgeübt wird, gwelches keinen Rechtstitel zur Abnahme einer Taxe abgeben kanng, daß also, wenn überhaupt eine Abgabe aus dem Titel des Antritts einer geistlichen Pfründe oder Würde gelegt werden will, diese Abgabe von allen, sowohl landesfürstlichen als Privatpatronatspfründen gleichmäßig oder etwa nach dem damit verbundenen Einkommen abgestuft einzuheben sein würde. Nur unter dieser Bedingung, welche die gleichmäßige Behandlung aller geistlichen Pfründner ermöglicht, könnte der Kultusminister hvorbehaltlich näherer Verhandlung des Gegenstandesh für deren Besteuerung aus dem Titel des Amtsantrittes stimmen.

Der Finanz- und der Justizminister bestritten die Meinung, daß durch das Konkordat an dem Rechte des Landesfürsten, eine durch 200 Jahre eingehobene Taxe fernerhin abzunehmen, etwas geändert worden sei. Die Benennung „Verleihungs-“ und „Bestätigungstaxe“ möge geändert, || S. 358 PDF || auch mögen manche andere dabei obwaltende Übelstände beseitigt werden. Nachdem aber die Tatsache bleibt, daß der vorgeschlagene oder gewählte Pfründner nur mit Genehmigung oder Zulassung des Landesfürsten das Benefizium erhalten kann, so bleibt auch der Rechtstitel zur Einhebung einer Taxe dafür aufrecht. Der Finanzminister würde sehr bedauern, wenn hieran gerüttelt werden sollte, weil jede Modifikation nur zu bald zum Aufhören aller solcher Gebühren ausfallen dürfte. Was die Ausdehnung der Taxe auf alle, also auch Privatpatronatspfründen betrifft, so nahmen die genannten beiden Minister Anstand, dafür zu stimmen, weil letztere bisher zu keiner Abgabe dieser Art verpflichtet waren, für jene der lf. Präsentation aber das bisherige Recht oder doch der bisherige Usus spricht.

Der Minister des Inneren glaubte zwischen der Abforderung der Taxe von dem Titel der Pfründe (Verleihungs- oder Wahlbestätigungstaxe) und zwischen der Abnahme einer Abgabe vom Vermögen, Einkommen der Pfründe unterscheiden zu sollen. Letztere ist allerdings billig, während die erstere nicht selten sehr drückend, ja unerschwinglich, weil außer allem Verhältnis zum Pfründenertrage ist. Den Nonnen in Przemyśl mußte die Wahlbestätigungstaxe im vorhinein nachgesehen werden, damit sie zur Wahl einer Äbtissin schreiten konnten.

Nach diesen Bemerkungen faßte der Ministerpräsident diese Angelegenheit in die zwei Fragen zusammen: 1. soll vom Antritt einer geistlichen Pfründe fernerhin eine Taxe abgenommen 2. und soll selbe auf alle, also auch auf Privatpatronatspfründen ausgedehnt werden. Ad 1. waren alle Stimmen für die Abnahme, ad 2. waren nur der Kultus- und der Minister des Inneren für die Ausdehnung auf alle, während die übrigen also mehreren Stimmen sich für die Beschränkung der Taxe auf diejenigen aussprachen, von denen sie bisher eingehoben worden ist6.

Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Wien, den 16. Jänner 1860.