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Nr. 82 Ministerkonferenz, Wien, 20. Dezember 1859 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Rechberg; BdE. und anw. (Rechberg 20. 12.), Thun 22. 12., Bruck 22. 12., Nádasdy 22. 12., Gołuchowski 22. 12., Thierry 23. 12., Schmerling.

MRZ. – KZ. 4364 –

Protokoll der zu Wien am 20. Dezember 1859 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des kaiserlichen Hauses etc. Grafen v. Rechberg.

[I.] Staatsschuldendirektion und Kontrolle

Gegenstand der Beratung war der vom Finanzminister infolge der reichsrätlichen Beratung umgearbeitete Entwurf des Ah. Patents über die Direktion der Staatsschuld und die zur Überwachung derselben einzusetzende Kontrollkommission, dann der hierüber neuerdings vom Reichsrate gemachten Bemerkungen1.

Derselbe wird samt den letzteren und den einschlägigen Akten in der Nebenlagea zur Ah. Schlußfassung mit nachstehenden Bemerkungen au. vorgelegt: In der Hauptsache verharrt die Konferenz auf der Beibehaltung des Textes des neuen Entwurfs und glaubte, daß die in dem reichsrätlichen Votum vom 4. Dezember2 gemachten Bemerkungen 1. gegen die Bedeutung der Worte „im Einklange mit den von Uns angeordneten Arbeiten zur Herstellung des Gleichgewichts im Staatshaushalte“, dann 2. gegen den „erweiterten Wirkungskreis der Direktion“ durch die Gegenbemerkung entfallen dürften, daß die Herstellung des Gleichgewichts im Staatshaushalte notwendigerweise auch günstig auf das Staatsschuldenwesen zurückwirken muß, und daß die Bestimmungen des § 2 auch die gebrauchten Worte „erweiterten Wirkungs[kreis]“ rechtfertigen dürften.

3. In Anerkennung der Richtigkeit der Bemerkung, daß das an der Seite der Direktion stehende Kontrollorgan nicht verstärkt wird, weil es eigentlich neu gestaltet wird, hat die Konferenz sich einstimmig für die Änderung des Ausdrucks „zu verstärken“ in „neu zu gestalten“ ausgesprochen.

Was dagegen die Bemerkung ad 4. über die Unabhängigkeit des Kontrollorgans betrifft, so verwahrte sich die Konferenz gegen die Auffassung, als ob damit die Unabhängigkeit von dem Staatsoberhaupte hätte gemeint sein können. Wohl aber legt sie, wie schon in den früheren Beratungen bemerkt worden, das größte Gewicht darauf, daß der Vorsitzende und einige Mitglieder der Kommission aus nicht vom Staate besoldeten Männern unmittelbar von Sr. Majestät, die andern von verschiedenen Korporationen gewählt werden möchten (§ 9), um damit die möglichst unbefangene Kontrolle des Staatsschuldenwesens zu bewirken. Fänden Se. Majestät die hierauf bezüglichen Worte anstößig, so beruht es selbstverständlich auf dem Ah. Ermessen, sie zu beseitigen.

|| S. 323 PDF || 5. Belangend die im reichsrätlichen Votum vom 4. Dezember beanständeten meritorischen Bestimmungen, so wurde darüber bemerkt: ad a) daß der § 3 des neuen Entwurfs aus § 2 lit. f des früheren entstanden ist, worin die Evidenzhaltung der Depositen etc. als eine Funktion der neuen Direktion bezeichnet worden ist. Die Konferenz fand sonach kein Bedenken, der neuen Fassung des § 3 beizupflichten. Ad b) Die Begründung des Vorbehalts einer allmähligen Umwandlung der nicht verlosbaren Staatsschuldverschreibungen in 5%[ige] auf österreichische Währung lautende liegt in dem gewiß gerechtfertigten Wunsche nach Vereinfachung der Evidenzhaltung und Verrechnung, die nur dann möglich ist, wenn die Masse der gegenwärtig mit sechserlei Zinsfuß bestehenden Staatspapiere auf eine einzige, dem neuen Münzsystem angepaßte Gattung reduziert wird. Um einer etwaigen Besorgnis vor einer zwangsweisen Konvertierung zu begegnen, wurde nach „allmähligen“ das Wort „freiwilligen“ eingeschaltet. Ad c) und d) Nachdem die Obligationen des Tilgungsfonds wirklich in den Büchern gelöscht und vertilgt werden sollen, so vermag die Konferenz nicht einzusehen, welche Bedenken gegen die Beibehaltung der Bestimmungen des § 10 des neuen Entwurfs bestehen sollen. Insbesondere aber muß sie die Modalität über die Kontrollierung der Vermehrung der Staatsschuld nach dem Entwurfe des Finanzministers für einfacher und zweckmäßiger als diejenige erkennen, welche vom Reichsrate in der Art einer mit Umständlichkeit verbundenen Gegensperre in Antrag gebracht worden ist. Die Konferenz war daher für die unveränderte Beibehaltung dieses Paragraphes. Ad e) Die Bemerkung gegen § 12, wornach am 1. Jänner 1860 alle Gesetze etc. über den Tilgungsfonds und die verzinsliche Staatsschuld außer Kraft treten, ist insofern richtig, als sie die verzinsliche Staatsschuld betrifft; es wurden daher in diesem Paragraphen die Worte „und die verzinsliche Staatsschuld“ gestrichen. Dagegen verharrte die Konferenz konsequent mit ihrer früher über das Prinzip des Tilgungsfonds geäußerten Ansicht bei dem sonstigen Inhalte des § 10.

6. konnte die Konferenz den Vorzug der Deutlichkeit des § 3 des reichsrätlichen Entwurfs vor jenem des § 8 des vorliegenden neuen Entwurfs des Finanzministers nicht erkennen; sie glaubte vielmehr, daß die dort enthaltene Motivierung im Texte des Patents nicht am Platze wäre.

Hiernach hat sich die Konferenzb unter wiederholter Beziehung auf ihre früheren Abstimmungen einstimmig für die Annahme des neuesten Entwurfs des Finanzministers mit den von ihm selbst darin ersichtlich gemachten Modifikationen ausgesprochen3.

Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Wien, den 30. Dezember 1859.