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Nr. 79 Ministerkonferenz, Wien, 15. Dezember 1859 – Protokoll II - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Ransonnet; VS. Kaiser; BdE. und anw. Erzherzog Wilhelm, Erzherzog Rainer, (Rechberg 17. 12.), Thun 17. 12., Bruck 17. 12., Nádasdy 18. 12., Gołuchowski 18. 12., Thierry.

MRZ. – KZ. 4360 –

Protokoll II der Ministerkonferenz am 15. Dezember 1859 unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des Kaisers.

I. Konvent zu Beregszász. Einstellung der Senioralskonvente. Agitation für die Kollektivpetition dieser Konvente

Der Justizminister referiert über den zu Beregszász jüngst abgehaltenen evangelischen Senioralkonvent, wobei dem Debrecziner Konvente für seine gegen das Patent vom 1. September 1859 gefaßten Beschlüsse eine Dankadresse votiert und ferner beschlossen wurde, die Gemeinden des Bereger Seniorats zu fragen, ob sie jenes Patent und die bezügliche Ministerialverordnung annehmen wollen1. Der Oberstaatsanwalt findet in diesen Vorgängen, welche in Gegenwart eines königlichen Kommissärs stattfanden, die Inzichten des Verbrechens der Störung der öffentlichen Ruhe und hat dagegen das gerichtliche Verfahren einzuleiten beantragt. Der Justizminister gedenkt diesen Antrag zu genehmigen, obgleich er in Ermanglung der zur eingehenden Beurteilung nötigen Substrate nicht die Gewißheit hat, daß der Gerichtshof die Meinung des Staatsanwalts teilen werde.

Graf Nádasdy glaubt jedoch aus diesem Anlaß die Frage aufwerfen zu sollen, ob es nicht das zweckmäßigste wäre, die Abhaltung von Senioralkonventen nach dem alten Modus von nun an gänzlich einzustellen, da deren fortgesetzte Abhaltung nur dazu dient, die Agitation zu vergrößern, gesetzwidrige Beschlüsse hervorzurufen und eine Menge harmloser Leute, welche nicht wissen, was sie tun, indem sie von den Oppositionsmännern mißbraucht werden, in Kriminaluntersuchungen zu verwickeln. Die Regierung wird durch die Konventsbeschlüsse umso mehr kompromittiert, wenn sie durch die Gegenwart eines königlichen Kommissärs, der sie nicht zu hindern vermag, gewissermaßen sanktioniert werden.

Der Kultusminister , welcher das Gewicht dieser Gründe keineswegs verkennt, erbat sich hierauf von Sr. Majestät die Ah. Ermächtigung, diese wichtige Angelegenheit noch einer reiflichen Erwägung unterziehen zu dürfen2.

In bezug auf das Verhalten gegenüber der Agitation für die Kollektivpetition der Seniorate geruhten Se. Majestät auf die Ergebnisse der Konferenzberatung am 19. November 1859 hinzuweisen3.

II. Auflösung der Kommission für die Beratung des Gemeindegesetzes in Preßburg

Der Minister des Inneren referierte umständlich über die tags zuvor stattgefundene Auflösung der Kommission von Vertrauensmännern für das Gemeindegesetz in Preßburg4. Graf Gołuchowski ist der Meinung, daß die Statthaltereiabteilung sich durch den Austritt der Majorität der Vertrauensmänner unter der Führung des Grafen Königsegg5 nicht abhalten lassen soll, die Beratung des Gemeindegesetzes mit den übrigen Vertrauensmännern fortzusetzen, selbe bis zu Ende zu führen und das Ergebnis dem Ministerium vorzulegen.

Die Minister der Justiz und der Finanzen hätten es sehr wünschenswert gefunden, wenn die Beratung über das Gemeindegesetz nicht bloß von Staatsbeamten zu Ende geführt würde. Sie glaubten daher, daß der Vizepräsident Graf Attems6 es versuchen sollte, die Vertrauensmänner entweder versammelt in pleno oder jeden einzeln zu bestimmen, daß sie die Beratungen fortsetzen.

Der Minister des Inneren erklärte sich auf das entschiedenste gegen einen solchen Versuch mit dem Plenum; nach den in Galizien gemachten Erfahrungen haben solche Versuche nur eine eklatante Kompromittierung der Regierung zur Folge. Einige Schreier ergreifen das Wort, schüchtern die Schwächeren ein und wissen sich eine künstliche Unanimität zu verschaffen. Aber auch die individuell zu machenden Versuche dürften, zumal die Opponenten wohl auch schon fortgereist sind und sich wechselseitig durch Versprechungen gebunden haben, zu keinem befriedigenden Resultate führen. Graf Gołuchowski findet es auch selbst unter der Würde der Regierung, mit solchen Leuten, welche nichts als neue Kompromittierungen herbeiführen wollen, zu transigieren. Andererseits ist die Kommission auch jetzt noch nicht bloß aus Staatsbeamten zusammengesetzt, nachdem die Gemeindedeputierten geblieben sind.

Se. k. k. apost. Majestät geruhten sofort den Antrag wegen Vornahme von Versuchen mit einzelnen Individuen Ah. zu genehmigen mit dem weiteren Auftrage, Graf Gołuchowski habe von dem an Vizepräsident Graf Attems zu richtenden Erlaß eine Abschrift an das Generalgouvernement zu leiten, damit auch in anderen Statthaltereiabteilungen vorkommenden Falls auf gleiche Weise vorgegangen werde7.

III. Vorschußweise Bestreitung der Auslagen für die herzoglich-modenesischen Truppen

a Se. k. k. Hoheit der durchlauchtigste Herr Erzherzog Wilhelm brachte die Bedeckung der Kosten für die auf österreichischem Territorium stehenden herzoglichmodenesischen Truppen zur Sprache8. Diese Kosten betragen, solange die Truppen auf dem Kriegsfuße bleiben, bei 82.000 fl. monatlich und werden aus den kaiserlichen Kriegskassen bezahlt. Diese sind aber dafür nicht dotiert, und der Finanzminister weigert || S. 313 PDF || sich, eine besondere Dotation dafür anzuweisen. Unter diesen Umständen werde eine Ah. Entscheidung notwendig, um unangenehmen Verlegenheiten vorzubeugen.

Der Finanzminister äußerte, er müsse annehmen, daß das k.k. Armeeoberkommando in seiner für 1860 mit 140 Millionen, also relativ reichlich bemessenen Dotation die Mittel finden werde, um die fraglichen Kosten zu decken. Se.k. k. Hoheit der Herr Erzherzog Chef des Armeeober­kommandos erwiderte, daß bei der Notwendigkeit, im laufenden Jahre die erschöpften Militärvorräte zu ergänzen, durchaus keine Mittel zur Bestreitung einer solchen, der k. k. Armee ganz fremden Auslage erübrigen. Se. k. k. apost. Majestät erklärten, daß die fraglichen Auslagen, welche durch Reduktion der Truppen auf den Friedensfuß baldigst vermindert werden sollen, dem österreichischen Staatsschatze überhaupt fremd sind und daher nicht definitiv, sondern nur als Vorschuß gegen Ersatz verausgabt werden müssen. Das Armeeoberkommando habe sich daher mit Rücksicht auf die politische Natur dieser Ausgabe im Wege des Ministeriums des Äußern an den Finanzminister wegen deren vorschußweisen Bedeckung zu wenden9.

Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Wien, 30. Dezember 1859.