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Nr. 75 Ministerkonferenz, Wien, 12. Dezember 1859 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Rechberg; BdE. und anw. (Rechberg 12. 12.), Thun 13. 12., Bruck 13. 12., Nádasdy 13. 12., Gołuchowski 13. 12., Thierry 13. 12., Schmerling.

MRZ. – KZ. 4236 –

Protokoll der zu Wien am 12. Dezember 1859 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des kaiserlichen Hauses etc. Grafen v. Rechberg.

I. Artikel der „Presse“ über Finanzgerüchte

Ein Artikel in der gestrigen Presse, entnommen aus der von Tuvora (Bruder des in der Konferenz vom 10. d. M. sub V. erwähnten)1 an die Zeitungen verteilten Autographischen Korrespondenz über Gerüchte, daß die Kupons des Nationanlehens am 1. k. M. nicht in Silber, sondern in Banknoten werden ausgezahlt werden, daß Silber nach Venedig geschickt werde etc., welche Gerüchte der Finanzminister als falsch bezeichnete, gab zu einer Diskussion darüber Anlaß, ob nicht der „Presse“ hierwegen eine Verwarnung zu erteilen wäre.

Nachdem sich sowohl der Polizei- als der Justizminister in Anbetracht der sehr vorsichtigen Fassung jenes Artikels gegen die Erteilung einer Verwarnung erklärt hatten, wurde beschlossen, die erwähnten Gerüchte in einem scharfen offiziösen Artikel der „Wiener Zeitung“ zu widersprechen und dem Tuvora die weitere Verteilung seiner Autographischen Korrespondenz einzustellen2.

II. Schlußarbeit der Kommission zur Auflösung des Handelsministeriums

Der Antrag des Ministerpräsidenten , die Kommission zur Auflösung des Handelsministeriums unter dem Vorsitze des Sektionschefs Esch 1. die Teilung und Feststellung des Budgets des Handelsministeriums pro 1860, 2. die Schlußverhandlung über das Personal zum Behufe des Vortrags an Se. Majestät bearbeiten zu lassen, erhielt die allseitige Zustimmung der Konferenz3.

III. Administration der „Wiener Zeitung“

Die Differenz in betreff der Übernahme der Administration der „Wiener Zeitung“ mit 1. Jänner 1860 durch das Polizeiministerium (Konferenzprotokoll v. 10. d.M. VI.) hat sich durch die heute abgegebene Erklärung des Finanzministers behoben, daß er, obwohl nach dem umständlich auseinandergesetzten Resultate der bisherigen Gebarung seiner Überzeugung nach kein hinreichender Grund zur Vereinigung der Administration mit der Redaktion vorliegt, dennoch bereit sei, die erstere mit 1. Jänner 1860 an das Polizeiministerium abzutreten, sich aber vorbehalte, nach Ablauf eines Jahrs, || S. 295 PDF || wenn der Gebarungsausweis der neuen Administration vorliegen wird, auf die Vergleichung der Resultate dieser mit der bisherigen am 31. Dezember 1859 abzuschließenden zurückzukommen. Auch stellte er dem Polizeiminister auf dessen Verlangen zur Besorgung des Druckes der Zeitung etc. die Staatsdruckerei asowie die bisher mit der Administration und namentlich dem Inseratenwesen betrauten Individuena zur Disposition, bworüber mit derselben ein Vertrag zu vereinbaren wäre,b ohne daß derselbe übrigens an deren Beibehaltung gebunden wäre4.

IV. Behandlung der aus der Lombardie geflüchteten Staatsdiener

Der Finanzminister referierte seine Anträge über die Behandlung der im abgelaufenen Sommer aus der Lombardei geflüchteten Beamten und Diener, denen vorderhand ihre Bezüge bis Ende 1859 sichergestellt waren. Die Zahl derselben betrug im ganzen 349, welche durch mittlerweil eingetretene Unterbringung auf andere Plätze auf 218 sich vermindert hat. Für diese glaubt der Finanzminister von der Ah. Gnade Sr. Majestät das sogenannte Begünstigungsjahr in der Art erbitten zu sollen, daß ihnen ihre bisherigen nicht onerosen Aktivitätsbezüge vom 1. Jänner 1860 bis zur Unterbringung auf systemisierte Posten, längstens aber bis Ende des Jahres 1860, flüssig erhalten, im Falle ihrer Unterbringung auf geringer besoldete Stellen während dieses Jahrs (so wie jenen, die bereits untergebracht sind) die Differenz als Personalzulage angewiesen, endlich jenen, welche über die erhaltene Reisvergütung [hinausgehende] namhafte Verluste und Auslagen nachweisen, Aushilfen, und zwar höchstens im Betrage der normalmäßigen Möbelentschädigung (bei Ledigen mit einer, bei Verheirateten mit zwei, bei Familienvätern von mehr als zwei Kindern mit drei Monatsraten des Gehalts) angewiesen werden dürfen.

Die Konferenz erklärte sich mit diesen Anträgen einverstanden, der Minister des Inneren mit der Bemerkung, daß dieser durch besondere politische Rücksichten begründete Gnadenantrag nicht als Präjudikat für Fälle administrativer Reformen zu dienen hätte, in denen seines Erachtens bei der Erteilung der Begünstigung auf die Dienstzeit der in Reduktion verfallenden Staatsdiener Bedacht zu nehmen wäre5.

Die Fortsetzung der Beratung über die Zulassung der Juden zum Realitätenbesitze erscheint in einem abgesonderten Protokolle6.

Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Wien, den 18. Dezember 1859.