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Nr. 71 Ministerkonferenz, Wien, 1. Dezember 1859 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Ransonnet; VS. Kaiser; BdE. und anw. Erzherzog Wilhelm, Erzherzog Rainer, (Rechberg 2. 12.), Thun 2. 12., Bruck 2. 12., Nádasdy 3. 12., Gołuchowski, Thierry.

MRZ. – KZ. 4235 –

Protokoll der Ministerkonferenz am 1. Dezember 1859 unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des Kaisers.

I. Konvent der Montansuperintendentur

Der Kultusminister referierte über die vom Senioralkonvent in Pest ausgegangenen Umtriebe zur Zustandebringung eines illegalen Konvents der avorbestandenen Berg-a Superintendenz und über die dagegen ergriffenen Maßregeln, welche den Wünschen der Majorität des Klerus und der Gemeinden völlig entsprechen1.

II. Museumseröffnung in Klausenburg

Der Minister des Inneren berichtete über den im ganzen befriedigenden Verlauf der Feste aus Anlaß der Eröffnung des Nationalmuseums in Klausenburg2. Bloß der vom sächsischen Pastor Hinz ausgebrachte Toast bei dem Bankett war unkorrekt. Der Toast auf die ungarischen Emigranten wurde von Georg Szász erst nach der Entfernung des Gouverneurs und in Gegenwart weniger, dazu auch obskurer Personen, ausgebracht. Se. Majestät geruhten zu befehlen, Fürst Liechtenstein sei auf telegraphischem Wege zu befragen, was er in Absicht auf den letzteren Toastausbringer veranlaßt habe3.

III. Ersparnisse im Bereiche der Ministerien des Inneren und der Justiz

Der Minister des Inneren brachte die Ersparnisse zur Ah. Kenntnis, welche durch Reduktion der Servitutenablösungs- und Grundentlastungsfondsdirektionen, dann durch Auflassung der entbehrlichen Urbarialgerichte in Ungarn, endlich durch die neuen Einrichtungen in der Redaktion und Publikation des Reichsgesetzblattes teils bereits erzielt worden sind, teils demnächst werden erzielt werden4.

Se. k. k. apost. Majestät erinnerten daran, daß die Urbarialgerichte sehr langsam zu Werk gehen, und daß auch viele Urteile derselben lange Zeit hindurch nicht vollstreckt werden. Der Justizminister erläuterte, daß die Exekutionen in Ungarn bgegen jene Gemeinden, wo Widerstand und Aufregung zu besorgen war,b während der Kriegsperiode aus politischen Gründen möglichst hintangehalten worden seien. Diese Gründe bestünden jetzt nicht mehr, und er verspreche sich überhaupt von der persönlichen Einwirkung des neuen Urbarialgerichtspräsidenten zu Großwardein Károlyi den besten Erfolg auf die Beschleunigung der dortigen Urbarialgerichtsgeschäfte5.

IV. Tilgungsfondsregulierung

Der Finanzminister referierte über die Meinungsverschiedenheit, die sich zwischen dem Reichsrate und ihm in Absicht auf den künftigen Bestand des Tilgungsfonds ergeben haben, und über das Ergebnis der hierüber am 29. November 1859 in der Ministerialkonferenz6 gepflogenen wiederholten Beratung, wobei die Konferenz ihren früheren au. Antrag über die prinzipielle Frage und sofort über die Vertilgung der das Vermögen des Tilgungsfonds bildenden Staatspapiere festhielt, wie dies im bezüglichen Protokolle niedergelegt ist. Über die vorhandene Grundver­schiedenheit der beiderseitigen Ansicht müsse Baron Bruck ehrerbietigst um eine Ah. Entscheidung bitten, wobei er unter den von ihm bereits wiederholt im Lauf der Verhandlung geltend gemachten Gründen vorzüglich den heraushob, daß die Vertilgung der Staatspapiere dem Publikum die volle Sicherheit dafür gewähren würde, daß dieselben nie mehr wieder in Umlauf gebracht werden können.

Der Justizminister erklärte, dem Antrage des Finanzministers beizustimmen, denn die ursprüngliche Einrichtung des Staatsschuldentilgungsfonds sei von der österreichischen Regierung schon zur Zeit Sr. Majestät des Kaisers Franz, wie die Vorgänge in den Jahren 1829 und 1830 beweisen, keineswegs als für alle Zeiten unantastbar und unabänderlich betrachtet worden7. Daß seit 1848 die Tilgungen eingestellt wurden, ist in der Finanzwelt allgemein bekannt. Wollte man den Tilgungsfonds dermal streng nach den Bestimmungen von 1817 regulieren, müßten alle Abweichungen davon bis zum Jahre 1829 zurück wieder redressiert werden, was ganz ungeheuere Summen erfordern würde und daher unmöglich ist. Es erübrigt daher nichts, als daß Se. Majestät nach dem Beispiel Allerhöchstihrer Vorfahren aus Opportunitätsgründen über Vermögen und Einkommen des Staatsschulden­tilgungsfonds dermal auch in einer Weise zu verfügen geruhe, welche sowohl im Interesse des Staatskredits als in dem wohlverstandenen Interesse der Staatsgläubiger gelegen ist. Über die Bemerkung Sr. kaiserlichen Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Reichsratspräsidenten , daß die stattgefundenen unvermeidlichen Eingriffe in das Statut des Tilgungsfonds immerhin bedauerlich bleiben, daß die Regierung jedenfalls die strenge Pflicht erfüllen müsse, cjene Zusagen, für welche das kaiserliche Wort verpfändet ist, soviel als möglich zu erfüllen, und daß siec bezüglich der Tilgung einiger spezieller Anlehen dderartige Verbindlichkeitend auf sich genommen habe, erinnerte der Finanzminister , daß diese strenge Pflichterfüllung bisher stattgefunden habe und dieselbe auch mit seinen vorliegenden || S. 277 PDF || au. Anträgen im Zusammenhang stehe. Die Minister des Inneren und der Polizei, dann der Ministerpräsident vereinigten sich mit dem Antrage des Finanzministers. Der Kultusminister motivierte seinen Beitritt näher, wobei er insbesondere hervorhob, daß die Staatsgläubiger selbst nicht die buchstäbliche Erfüllung des Patents vom Jahre 1817 wünschen können. Denn wenn man tilgt und gleichzeitig zum Behuf der Tilgung neue größere Schulden macht, so sinken die Kurse ganz unvermeidlich, während die Staatsgläubiger das lebhafteste Interesse daran haben, daß die Kurse einen günstigen Stand behaupten. Diese Rücksicht hat daher die in ihrem Haushalt am besten geordneten Staaten veranlaßt, die Wirksamkeit ihrer Tilgungsfonds einzustellen, sobald die Amortisation nur durch neue Schulden ermöglicht werden konnte, eund überhaupt mehr auf Herabsetzung des Zinsfußes als auf Amortisation des Kapitals bedacht zu sein.e Das starre Festhalten an den Amortisationsvorschriften wurde daher überall aufgegeben und fsei nicht als eine Rechtsverletzung betrachtet worden. Auch lasse sich wohl nicht verkennen, daß das Rechtsverhältnis gegenüber den Inhabern von Schuldpapieren, die auf den Überbringer lauten, ein wesentlich verschiedenes von dem zu anderen Gläubigern seif .8

Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Wien, den 18. Dezember 1859.