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Nr. 68 Ministerkonferenz, Wien, 26. November 1859 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Rechberg; BdE. und anw. (Rechberg 26. 11.), Thun 29. 11., Bruck 29. 11., Nádasdy 29. 11., Gołuchowski 29. 11., Thierry 1. 12., Seldern.

MRZ. – KZ. 4097 –

Protokoll der zu Wien am 26. November 1859 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des kaiserlichen Hauses [etc.] Grafen v. Rechberg.

I. Reorganisation des Volksschulwesens im lombardisch-venezianischen Königreiche

Der Unterrichtsminister entwickelte seine Anträge wegen Abänderung der Leitung und Beaufsichtigung des Volksschulwesens in den venezianischen Provinzen gemäß der Ah. Entschließung vom 21. Februar 1857 und Art. VIII des Konkordats1. Nach der bisherigen Einrichtung von 1818 liegt die Leitung und Beaufsichtigung des Volksschulwesens im lombardisch-venezianischen Königreiche in den Händen der Pfarrer, dann der Distrikts-, Provinzial- und Ober-Schuleninspektorate, welche letztere sämtlich von der Regierung ernannte politische Beamte sind2. Sie steht mit Art. VIII des Konkordats nicht im Einklang, daher der Unterrichtsminister bereits im Jahre 1857 die Verhandlung zur Ordnung dieses Verhältnisses im Sinne des Konkordats und der in den übrigen Kronländern bestehenden Einrichtung eingeleitet hat, welche zwar noch vor Ausbruch des Kriegs geschlossen worden ist, nunmehr aber nach geschlossenem Frieden sich auf die im Besitze Österreichs verbliebenen italienischen Provinzen beschränken muß. Nach Vernehmung der betreffenden Ordinariate und des Schulrates Della Bona ist der Unterrichtsminister zu der Überzeugung gelangt, daß es keinem Anstande unterliege, im wesentlichen die gleiche Einrichtung wie in den übrigen Kronländern herzustellen. Es würde sonach den Pfarrern die Lokalschulaufsicht verbleiben, dagegen die bisherigen Provinzial- und Distriktsschulinspekorate aufzuheben und deren Funktionen den von Sr. Majestät zu ernennenden geistlichen Diözesanschulen-Oberaufsehern und den kirchlichen Schulbezirksaufsehern zu übertragen sein. Die Schulbezirksaufseher hätten die Schulen ihres Bezirks jährlich zu visitieren, die Gemeinden hätten ihnen zu diesem Ende die Fahrgelegenheit unentgeltlich zu stellen, und es wäre für jede Visitation dem Schulbezirksaufseher die Gebühr von 3 fr. aus der ärarischen Schuldotation zu erfolgen. Aus eben dieser Dotation wäre auch den Diözesanschulen-Oberaufsehern für ihre Mühewaltung und zur Bestreitung der mit diesem Amte verbundenen Auslagen || S. 265 PDF || eine Funktionsgebühr von jährlich 300 fr. (für jenen in Mantua wegen des geringen Umfangs des österreichischen Teils der Diözese eine geringere) zu bewilligen. Die erstere Gebühr besteht in den andern Kronländern auch, die letztere nicht, weil zum Diözesanschulen-Oberaufseher in der Regel immer ein Domherr bestellt wird, der das Amt unentgeltlich versieht. Da aber die italienischen Domherrn meist so gering dotiert sind, daß ihnen ihre Dotation keine selbständige Stellung gewährt, adaselbst auch zum Teil wegen der Folgen des eben erwähnten Umstandes die Diözesanschulen-Oberaufseher nicht immer werden aus den Domherrn gewählt werden könnena, so erscheint obige Funktionszulage durch die besondern Verhältnisse gerechtfertigt und auch, was die finanzielle Frage betrifft, durch die bisherige Ärarialschuldotation mehr als hinlänglich bedeckt. Auch erscheint es zulässig, andere geeignete Priester mit dem Amte des Schuloberaufsehers zu betrauen, da der Grund, warum es anderwärts Domherrn erhalten, nämlich die Verhandlung im Konsistorium, in Italien entfällt, wo keine Konsistorien bestehen.

Die Konferenz war mit diesen Anträgen einverstanden, der Minister des Inneren mit dem Beisatze, daß ihm zwar die bisherige Einrichtung vorzüglicher zu sein schiene, daß jedoch, nachdem die Frage keine offene mehr sei, jede weitre Erörterung hierüber entfalle3.

II. Zentralkommission zur Erhaltung der Baudenkmäler

Nachdem die zufolge Ah. Entschließung von 12. September l. J. in das Ressort des Kultus- und Unterrichtsministeriums übernommene Zentralkommission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmäler Österreichs4 mit ihrer Instruktion wesentlich auf den Bestand eines Handelsministeriums basiert ist, so ergibt sich die Notwendigkeit einer teilweisen Modifikation der Instruktion und Zusammensetzung der Kommission. Der Unterrichtsminister beantragte daher bei Sr. Majestät, das im § 2 dem Sektionschef der Bausektion (des Handelsministeriums) übertragene Präsidium künftig über Vorschlag des Unterrichtsministers dauernd einem Manne zu übertragen, der durch seine hervorragende Stellung und bewährte Kunst- und Altertumsliebe Garantie für das Gedeihen der Wirksamkeit der Kommission gibt, und zwar für dieses Mal dem dermaligen Vorstande der Kommission Freiherrn v. Czoernig, welcher dazu von der Kommission selbst einstimmig in Vorschlag gebracht worden war, nachdem er aufgehört hatte, Chef der Bausektion zu sein. Da ferner die Bausektion des Handelsministeriums, welche zwei Abgeordnete zur Kommission stellt, dem Ministerium des Inneren einverleibt wurde, welches ebenfalls zwei Abgeordnete sendet, so würde nun das letztere buchstäblich durch vier Abgeordnete vertreten sein, während die übrigen zur Mitwirkung berufenen Ministerien etc. nur je zwei hätten. Zur Beseitigung dieses Mißverhältnisses hätte daher künftig das Ministerium des Inneren ebenfalls nur zwei Mitglieder, darunter den Vorstand der Architekturabteilung || S. 266 PDF || der Bausektion, zu stellen, zur Ergänzung der hiernach ausfallenden zwei Mitglieder aber wären von der Zentralkommission zwei auf dem Gebiete der Kunstwissenschaft oder der praktischen Kunsttätigkeit hervorragende Personen dem Minister als ordentliche Mitglieder in Vorschlag zu bringen.

Die Konferenz war mit diesen Anträgen einverstanden5.

III. Notiz über die Eröffnung des Klausenburger Museums

Der Polizeiminister teilte mit, daß laut telegraphischer Depesche die feierliche Eröffnung des Klausenburger Museums (Konferenzprotokoll vom 17. November 1859 ad II.) ohne Demonstration abgelaufen sei6.

IV. Notiz über eine Gendarmeriepatrouille in Valéggio und ein Attentat auf den Schiffsleutnant Gröller

GM. Graf v. Seldern teilte mit: a) daß eine Gendarmeriepatrouille in Valéggio von 70–80 Menschen angegriffen und daß zur Aufrechthaltung der Ordnung zwei Kompanien Jäger dahin verlegt worden seien7; b) daß der k. k. Schiffsleutnant Gröller in Dalmatien von 30 Räubern überfallen und ein Wirt und ein Lieferant beraubt worden seien8.

V. Notiz über einen Offiziersexzess in Daums Kaffeehaus

Der Polizeiminister erwähnte eines Exzesses, den Offiziere im Daumschen Kaffeehause begangen haben und der Mißstimmung im Zivile darüber, daß man von einer Bestrafung der Schuldigen nichts vernehme. Er hielt deswegen einen offiziösen Artikel hierüber für notwendig, zur Widerlegung der im Zivile herrschenden Meinung, daß Militärs gegen Zivilisten sich ungestraft alles erlauben dürfen.

GM. Graf Seldern bemerkte, die Beinzichtigten seien in Untersuchung und werden, wenn schuldig, bestraft werden; wegen eines Artikels für die Zeitung aber möge der Polizeiminister dem Armeeoberkommando eine schriftliche Mitteilung zukommen lassen, bda es nicht gebräuchlich ist, einen offiziösen Artikel hierüber zu erlassenb .9

VI. Notiz über die Zahlung der italienischen Zivilbeamten in Silber

Der Finanzminister teilte mit, daß die Einleitung getroffen worden, damit vom 1. Dezember l. J. an auch die Zivilbeamten im lombardisch-venezianischen Königreiche in klingender Münze bezahlt werden10.

VII. Notiz über die Publikation der Ergänzung des Preßgesetzes

Der Polizeiminister teilte mit, daß, nachdem Se. Majestät die von der Konferenz am 8. November 1859 vergutachtete Ergänzung des Preßgesetzes Ah. zu genehmigen geruht haben, nunmehr die Publikation der diesfälligen Verordnung veranlaßt und hierzu die Ah. Ermächtigung erbeten werden wird11.

VIII. Notiz über neapolitanische Werbungen

Über eine Anfrage des tg. gefertigten Ministerpräsidenten in betreff der neapolitanischen Werbungen erklärte der Minister des Inneren , daß hierwegen die Verhandlung im Zuge sei12.

IX. Neues Gesuch des Hofrats v. Zsedényi

Hofrat v. Zsedényi hat abermals (Konferenzprotokoll vom 17. November 1859 ad III.) um Niederschlagung der gegen ihn eingeleiteten Untersuchung (zu welchem Behufe er auf den 14. Dezember 1859 vor das Kaschauer Landesgericht vorgeladen ist) mit dem Beisatze gebeten, daß er, falls ihr der Lauf gelassen werden sollte, nicht imstande wäre, die bereits bezeigte Reue durch Zurückführung der Verirrten auf den rechten Weg werktätig zu beweisen13.

Auf die Frage des Ministerpräsidenten, was hierwegen zu verfügen sei, bemerkte der Justizminister , er könne auf die Niederschlagung der Untersuchung wider Zsedényi nicht antragen; sie widerstreite überhaupt den allgemeinen Regierungsmaximen und würde in diesem Falle insbesondere der Regierung als Schwäche oder Furchtsamkeit ausgelegt werden. Nach der vom Kaschauer Landesgerichte über die Anfrage vom 17. d. M. erstatteten Auskunft begründet die Aufforderung des Käsmarker Konvents an die evangelische Gemeinden, gegen die ausdrückliche Bestimmung des Patents vom 1. September an der alten Kirchenverfassung festzuhalten, das Verbrechen der Störung der öffentlichen Ruhe und die weggenommenen Aktenstücke und Briefe bezeichnen Zsedényi als den Urheber. Würde gegen ihn die Untersuchung niedergeschlagen, so müßte sie es auch gegen alle übrigen Mitschuldigen werden, und gefiele es einem derselben, diesen Gnadenakt nicht anzunehmen, so wäre die Würde des Ah. Landesfürsten schwer beleidigt. Man lasse daher der Untersuchung ihren Lauf und erst, wenn die Urteile vorliegen, wird es an der Zeit sein zu erwägen, ob auf Begnadigung und für wen anzutragen sei. Der Finanzminister war für die Niederschlagung der Untersuchung, weil selbst eine Verurteilung der Regierung nicht nur keinen Triumph bereiten, sondern vielmehr die Verurteilten in den Augen ihrer Glaubensgenossen als Märtyrer ihrer religiösen Überzeugung darstellen, ihre Gemüter noch mehr verbittern und die von Zsedényi reumütig versprochene Besserung und Bekehrung der übrigen vereiteln würde.

Dieser Antrag, setzte der Justizminister bei, könnte allenfalls dann in Erwägung gezogen werden, wenn eine von allen Beteiligten gefertigte Bittschrift um Begnadigung vorläge.

Im wesentlichen schlossen sich die mehreren Stimmen der Konferenz unter dieser letztern Voraussetzung dem Antrage des Finanzministers an, und der Kultusminister bemerkte noch dazu, daß diese Bittschrift das Bekenntnis der Beteiligten, daß sie gefehlt haben, enthalten müßte, indem nur dann die Regierung in eine günstige Lage versetzt ist, || S. 268 PDF || wenn konstatiert ist, daß durch den Käsmarker Vorgang ein Verbrechen verübt worden und die Schuldigen nur der Ah. Gnade die Straflosigkeit verdanken. Außerdem wäre es wünschenswert, daß in diesem wie in allen politischen Prozessen die Untersuchung sich nur auf den oder einige der Haupturheber beschränken möchte, damit der Prozeß rasch zu Ende geführt würde, denn nur eine schnelle Aburteilung sichert der Regierung auch einen politischen Erfolg davon. Sollte daher die in Rede stehende Untersuchung viele Personen umfassen und eine langwierige Verhandlung in Aussicht stellen, so wäre bei dem Umstande, daß nach der Versicherung des Justizministers die Beschränkung derselben auf eine oder einige Personen gesetzlich unstatthaft ist, die Niederschlagung derselben besser.

Um über den faktischen Stand der Angelegenheit klar zu sein, sicherte der Justizminister , der übrigens auf seiner Ansicht beharrte, die sofortige Abforderung der Untersuchungsakten und deren Vorlegung in der nächsten Konferenz zu14.

Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Wien, 6. Dezember 1859.