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Nr. 56 Ministerkonferenz, Wien, 3. November 1859 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Ransonnet; VS. Kaiser; BdE. und anw. Erzherzog Albrecht, Erzherzog Wilhelm, Erzherzog Rainer, (Rechberg 5. 11.), Thun 8. 11., Bruck 8. 11., Nádasdy 8. 11., Gołuchowski 9. 11., Thierry 13. 11.

MRZ. – KZ. 4009 –

Protokoll [der Ministerkonferenz] vom 3. November 1859 unter dem Ah. Vorsitze Sr. k. k. apost. Majestät.

I. Maßregeln für das Königreich Ungarn: 1. Gemeindeordnung, 2. Kreditanstalt mit einem ungarischen Präsidenten, 3. Feldpolizeiordnung. 4. Ungarischer Sektionschef und Referent im Ministerium des Inneren, 5. Epurierung der ungarischen Beamten. 6. Abschaffung der Personalsteuer. 7. Sprachfrageregulierung. 8. Unterrichtssprache bei Gymnasien. 9. Staatskonvikte

Se. k. k. apost. Majestät geruhten die Ministerkonferenz mit der Ah. Erklärung zu eröffnen, daß angesichts der in Ungarn sich geltend machenden Opposition gegen die bestgemeinten Regierungsmaßregeln [und] angesichts des Bestrebens, Ungarn mittels einer exklusiv ungarischen Regierung nach und nach in das Verhältnis einer Personalunion zu bringen, die Notwendigkeit eintrete, diesen gefährlichen Tendenzen mit aller Entschiedenheit zu begegnen, an den angenommenen Grundprinzipien festzuhalten und selbst jeden Anschein von Schwäche oder Nachgiebigkeit den Gegnern der Regierung gegenüber zu vermeiden1. Auf der Fünfteilung der politischen Administration müsse bestanden werden2. Diese feste Haltung schließe jedoch die Fürsorge für das wahre Wohl des Landes keineswegs aus, und es sei vielmehr darnach zu streben, gegründeten Beschwerden nach Möglichkeit abzuhelfen und dem Lande im Wege der Administration alle materiellen Vorteile und Verbesserungen zuzuwenden.

Der Minister des Inneren referierte hierauf über Ah. Aufforderung seine bereits in der engeren Konferenz am 30. und 31. v. M. entwickelten Anträge in der von Sr. Majestät soeben angedeuteten Richtung, und zwar:

1. über die Beratung des Gemeindegesetzes durch fünf hiezu nach Ermessen des Generalgouver­nements zusammenzusetzende Kommissionen in derselben Art wie in den übrigen Kronländern3.

Der Kultusminister bemerkte hierüber, daß die Gemeindeordnung mit der ganzen ungarischen Frage zu nahe zusammenhänge, als daß er nicht vorerst auf die Behandlung der letzteren zurückgehen müßte. Die Lage des Landes sei sehr ernst und adürfte, wenn Unsicherheit über die Absichten der Regierung fortdauern sollte, die Gefahr von Anarchie nicht mehr ferne sein.a dürfte, wenn Unsicherheit über die Absichten der Regierung fortdauern sollte, die Gefahr von Anarchie || S. 214 PDF || nicht mehr ferne sein. Da werde die Entfaltung großer Energie und einer Art von Diktatur notwendig, um die Ordnung zu erhalten und um in einem Augenblick, wo selbst die Beamten zu schwanken beginnen, den Ungarn die Überzeugung von bdem Bestandeb der jetzigen Ordnung beizubringen. Allein, dieser abnorme Zustand der Diktatur könne nicht für immer aufrechterhalten werden, und cGraf Thun müsse daher vornweg einen für das Ministerium maßgebenden Ah. Ausspruch als Nachtrag des Programmes wünschen,c Graf Thun müsse daher vornweg einen für das Ministerium maßgebenden Ah. Ausspruch als Nachtrag des Programmes4 wünschen, daß er nur transitorisch sei, und daß, sobald es möglich, auch in Ungarn ein staatsrechtlicher Zustand wiederhergestellt werden solle, welcher durch einen Landtag zur Erscheinung gelangen und die Möglichkeit der Krönung Sr. Majestät als König von Ungarn cin sich schließen würde. Graf Thun wünschte ferner, daß Se. Majestät Allerhöchstsich bewogen finden möchten, einigen der Männer, welche unlängst berufen worden sind, ihre Meinung über die ungarischen Angelegenheiten abzugeben5, mit gleicher Entschiedenheit diese Absicht wie andererseits den ernsten Ah. Willen anzukündigen, Ordnung und die Autorität der Regierung vorerst mit den vorhandenen Mitteln unbedingt aufrechtzuerhalten; derselbe glaubt, daß man nur unter dieser Bedingung hoffen dürfe, vorderhand wenigstens einen unabhängigen Mann von Bedeutung unter den Ungarn zu finden, welcher bereit wäre, sich der kaiserlichen Regierung anzuschließen. Vorher müsse sich dieselbe jedoch vollkommen klarmachen, was von den bekannten Begehren der Ungarn absolut unzulässig und wie die übrigen zu behandeln seien. Graf Thun hält sich daher durch sein Gewissen gedrängt, Se. Majestät zu bitten, die ungarische Frage in ihrem vollen Umfange auf vertraulichem Wege dzunächst vom Ah. Ministerium und im weiteren Verlauf womöglichd mit einem treugehenden hochgestellten Ungarn beraten zu lassen. Was nun speziell die Gemeindeordnung betrifft, so sehe der Kultusminister nicht ab, warum dieselbe genau wie in den benachbarten Kronländern beraten werden solle. Eine absolute Gleichheit werde überhaupt auch nicht angestrebt, wie z. B. der diesfällige Vorgang in Tirol beweist6. || S. 215 PDF || Die besonderen Verhältnisse Ungarns scheinen ebenfalls eine Abweichung zu rechtfertigen, welche darin zu bestehen hätte, daß ein Ungarn keine offizielle Beratung mit Vertrauensmännern eingeleitet werde, ehe derselben ein bestimmtes Projekt vorgelegt werden könne, daß bei diesem Projekte die ganze politische Gestaltung des Landes ins Auge gefaßt werde, daß man sich über diese vorerst mit einem Ungarn verständige und mit seinem Beistande erst zur Auswahl weiterer Vertrauensmänner schreite. Ohne diese Vorbedingungen in Ungarn Vertrauensmänner in der Weise einzuberufen, wie es in anderen Kronländern geschehen ist, würde nur im ganzen Lande Diskussionen über die gesamte Verfassungsfrage in ausgedehntem Maße provozieren und dadurch die schon bestehende Aufregung und Agitation noch sehr vermehren, ohne irgendein brauchbares Resultat zu liefern.e

Der Justizminister würde eine Ah. Erklärung von der beantragten Art, und zwar gegen Ungarn allein, für sehr bedenklich erachten, nachdem dieselbe in das große Publikum nur vielfach entstellt kommen und auf eine den sanguinischen Hoffnungen der Magyaren in vollem Maß entsprechende Weise gedeutet werden würde. Die durch die jüngsten ministeriellen Konferenzen hervorgerufene Agitation im Lande würde dabei wesentlich gesteigert und die Erhaltung der Ordnung fschwieriger werdenf . Der Augenblick, den Ungarn die Einführung politischer Rechte zu versprechen, sei jetzt offenbar noch nicht gekommen. Die Konstruierung der Gemeinde müsse den Anfang machen. Wenn aber Se. Majestät die Ah. Absicht haben, der leichteren Verständigung wegen, einen pflichtgetreuen und mit den Verhältnissen des Landes vollkommen vertrauten Mann in das Ministerium zu berufen, was allerdings von ggroßem Nutzen sein würde, so habe Graf Nádasdy bereits im Monat August au. gebeten, einen gesinnungstüchtigen und den Magyaren angenehmeren Mann seinen Platz Ag. anzuvertrauen.g Der Finanzminister stimmte mit dem Justizminister bezüglich der Nichtopportunität, jetzt ein Ah. Versprechen wegen Einräumung politischer Rechte zu erteilen. Der zugleich von Baron Bruck gestellte Antrag, zunächst die Komitatsverfassung in Angriff zu nehmen, fand keine Unterstützung. Der Ministerpräsident fand gleichfalls eine Ah. Erklärung über diesen Gegenstand nicht an der Zeit. Das ministerielle Programm steht fest und wird seinerzeit auch in Ungarn seine Verwirklichung finden.

Se. kaiserliche Hoheit der durchlauchtigste Herr Erzherzog Albrecht zeigten, daß das in Ungarn jetzt Bestehende einer historischen Grundlage nicht entbehrt und daß die Jahrhunderte zählende alte Verfassung durch die ephemere von 1848, letztere aber durch die Ereignisse von 1849 ebenso vollständig beseitigt worden sei wie die böhmische ständische Verfassung durch die Schlacht am Weißen Berge. Es kann also nur von einem völligen Neubau der Verfassung die Rede sein, und der Plan dazu ist durch Utilitätsrücksichten bedingt. || S. 216 PDF || Über die Nachteile und Gefahren einer Ah. Erklärung, wie sie Graf Thun beantragt, teilen Se. kaiserliche Hoheit die Ansicht des Justizministers.

Se. Majestät geruhten diese Diskussion durch die Ah. Genehmigung der Anträge des Grafen Gołuchowski über die Beratung des Gemeindegesetzes zu schließen7.

2. Gründung einer Kreditanstalt für Ungarn unter dem Präsidium eines ungarischen Staatsbeamten, welcher eine höhere Stellung im Generalgouvernement einnimmt.

Der Finanzminister erklärte sich mit der Gründung eines solchen Instituts unter dem passenderen Namen „Hypothekaranstalt für Ungarn“ in der Voraussetzung einverstanden, daß die Leitung desselben in ganz vertrauenswürdige Hände gelegt werde hund daß es sich um eine Anstalt wie die galizische Hypothekaranstalt, nicht aber um eine allgemeine Kreditanstalt handeln werdeh .8

3. Feldpolizeiordnung. Für deren baldige Zustandebringung, welche allseitig als wünschenswert erkannt wurde, wird der Minister des Inneren Sorge tragen9.

4. Die Leitung der ungarischen Landesangelegenheiten im Ministerium des Inneren durch einen ungarischen Referenten ist bereits vollzogen, und wird Vizepräsident Graf Forgách zum Sektionschef im selben Ministerium au. beantragt10.

5. Die Epurierung des Beamtenstandes wird von den Behörden mit Nachdruck zu bewirken und auf Beseitigung nicht bloß der verdorbenen, sondern auch der untauglichen Beamten zu dringen sein11.

Über die bei diesem Anlasse von Sr. Majestät gestellten Frage, ob nicht die Ernennung der Bezirksvorstände dem Generalgouvernement zu überlassen wäre, äußerten Se. kaiserliche Hoheit der durchlauchtigste Herr Erzherzog Albrecht und die Minister Graf Gołuchowski und Graf Nádasdy , daß der bisherige Modus der Ernennung durch die Ministerien, wobei die Minister sich die nötigen Personalkenntnisse erwerben können, den Vorzug verdiene.

6. Abschaffung der sehr lästigen, ungerecht verteilten Personalsteuer.

Der Finanzminister , in thesi damit einverstanden, erklärt, dies könne aber erst dann geschehen, wenn das neue System der direkten Besteuerung ins Leben tritt. Der Justizminister schlug vor, bis zu diesem Zeitpunkt wenigstens die großen Personalsteuerzuschläge zu beseitigen, welche den Druck der Steuer namhaft erschweren. Se. kaiserliche Hoheit der durchlauchtigste Herr Erzherzog Generalgouverneur fanden die Zuschläge überhaupt sehr ungerecht und ungleich verteilt, worauf der Minister des Inneren erwähnte, er habe soeben den Landesstellen darüber eine Erinnerung gemacht12.

7. Sprachfrageregulierung. Hierüber wird der Justizminister im Vernehmen mit dem Minister des Inneren au. Vorträge erstatten.

|| S. 217 PDF || Se. Majestät geruhten hiebei zur Richtschnur auszusprechen, daß die Frage über die Sprachen, in welchen Erledigungen von Gesuchen oder ämtliche Verordnungen auszufertigen kommen, nicht vom politischen, sondern vom praktischen Standpunkte der Zweckmäßigkeit aufzufassen sei; die Weisungen an die Statthaltereiabteilungen wären nicht als Ah. Gesetze oder Entscheidungen über ein Prinzip, sondern bloß als ministerielle, von Fall zu Fall erlassene Verordnungen hinauszugeben. Wo Übelstände diesfalls ans Licht treten, müsse abgeholfen werden13.

8. Die Frage über die Unterrichtssprache bei den Gymnasien wird vom Kultusminister in Konferenzen zur Beratung gebracht werden14.

9. Die Gründung von großen Zentralkonvikten außerhalb Ungarns zur Erziehung der Jugend wurde von Sr. Majestät als sehr nötig bezeichnet, um die ungarische Jugend vor nachteiligen politischen Einflüssen zu bewahren und die Liebe zum Gesamtvaterland zu entwickeln15.

II. Behandlung der Presse in Ungarn

Se. k. k. apost. Majestät geruhten zu befehlen, daß dem Generalgouvernement in Absicht auf die Behandlung der sowohl österreichischen als ausländischen Presse in Ungarn möglichst freie Hand zu lassen sei.

Se. k. k. Hoheit erinnerten, daß die Sprache der Wiener Blätter in Ungarn einen großen Einfluß übe und eine gehässige Polemik von Wien aus, die man als von der Regierung begünstigt betrachtet, dortlandes heftige Reaktionen in den Journalen hervorruft, die man doch nicht ganz unterdrücken kann. Auch amerikanische Journale werden oft zu gefährlichen Mitteilungen der Emigration benützt und können nur in Pest wirksam beaufsichtigt werden.

III. Gemeindeordnungskommission in Esseg

Der Minister des Inneren brachte die näheren Umstände zur Ah. Kenntnis, unter welchen die Vertrauensmänner zu Esseg die Begutachtung des Gemeindegesetzes mit Hinweisung auf den Landtag rekusiert hatten, und zeigte, daß nebst dem Obergespane Graf Pejačević und dem Bezirksvorstande auch dem Ban16 hiebei ein Verschulden zur Last fällt, worüber ihm auf Ah. Befehl eine Ausstellung zu machen ist.

IV. Strafgerichtliche Verfolgung der Urheber der Käsmarker Beschlüsse

Der Justizminister referierte, die Mitteilung der Käsmarker Superintendentialkonvents­beschlüsse an die evangelischen Dekanatei mit der Aufforderung, daß sie (gegen das Patent vom 1. September 1859) einstweilen bei der alten Kirchenverfassung bleiben sollen, sei nach kompetenten Gutachten laut Strafgesetz § 65 als Verbrechen der Störung der öffentlichen Ruhe zu bestrafen. Er habe daher in diesem Sinne an den bezüglichen Oberstaatsanwalt geschrieben und sehe der Anhängigmachung einer Untersuchung entgegen17.

|| S. 218 PDF || Der Kultusminister erklärte, dagegen umso weniger etwas einzuwenden, als diese gerichtlichen Schritte mit der vom Kultusminister angeordneten Beschlagnahme der gedruckten Exemplare im Zusammenhange stehe. Eine Bestrafung aber dürfte in diesem Falle nicht Platz greifen. Se. k. k. Hoheit bemerkten, dies sei nicht der erste Fall eines Konflikts der jetzigen Regierung mit den ungarischen Protestanten. Allein, man müsse zur Wahrung des Ansehens der Gesetze handeln. Gleichzeitig mit dem Einschreiten des Staatsanwalts wäre jedoch in der Presse ein Artikel zu veröffentlichen, der zeigt, daß es bei diesem Schritt nicht auf eine religiöse Verfolgung wegen religiöser Meinungen abgesehen ist.

Der Polizeiminister wird darauf bedacht sein, sobald er vom Justizminister die nötige Mitteilung erhalten haben wird18.

V. Erledigung der Eingabe des Käsmarker Superintendentialkonvents

Der Kultusminister referierte, er habe seinen Entwurf des Erlasses an die Käsmarker Superintendenz über die Unstatthaftigkeit ihrer Beschlüsse der Ah. Genehmigung Sr. k. k. apost. Majestät unterzogen, und zwar in der Art, daß darin gegen den Beschluß der Majorität in der Konferenz am 29. v.M. ausdrücklich gesagt wird, die Durchführung des Patentes vom 1. September sei der entschiedene Wille Sr. Majestät19. Der Ministerpräsident erwiderte hierauf, die Konferenz habe sich gegen diesen Passus deswegen erklärt, weil er implicite den Ausspruch enthält, das Gesetz müsse um jeden Preis durchgeführt werden, ein Ausspruch, jder mit dem von der Konferenz beantragten und von Sr. Majestät genehmigten Beschlusse, die Anwendung von Gewaltmaßregeln zu vermeiden, um die Durchführung des Patentes zu erzwingen, im Widerspruch stehe und die Regierung zwingen könnte, Maßregeln zu ergreifen, die es in einer Angelegenheit, die mit so großer Vorsicht behandelt werden müsse, vielleicht besser sei zu vermeiden. Er halte daher dafür, daß dieserj Ausspruch, um sich nicht für die Zukunft unter allen Umständen zu binden, besser unterbleiben dürfte, zumal die Ah. Willensmeinung aus dem übrigen Teil des Erlasses genugsam ersichtlich ist. kDer Kultusminister legt auf diesen Passus deswegen einen Wert, weil er die Überzeugung erlangt habe, daß unter den ungarischen Protestanten eine Fraktion gegen die Käsmarker Agitation im Steigen sei, es offenbar als sehr wünschenswert bezeichnet werden müsse, daß dieselbe zutage trete, zu dem Ende aber eine Ermutigung derjenigen, welche die Durchführung des Ah. Patentes wünschen, erforderlich sei, übrigens seines Erachtens jener Passus die kaiserliche Regierung durchaus nicht weiter bindet als schon die Tatsache der Kundmachung des Patentes.k Der Kultusminister legt auf diesen Passus deswegen einen Wert, weil er die Überzeugung erlangt habe, daß unter den ungarischen Protestanten eine Fraktion gegen die Käsmarker Agitation im Steigen sei, es offenbar als sehr wünschenswert bezeichnet werden müsse, daß dieselbe zutage trete, zu dem Ende aber eine Ermutigung derjenigen, welche die Durchführung des Ah. Patentes wünschen, erforderlich sei, übrigens seines Erachtens jener Passus die kaiserliche Regierung durchaus nicht weiter bindet als schon die Tatsache der Kundmachung des Patentes. Der Finanzminister besorgt, daß die bezeichneten Worte als die Androhung eines absoluten Zwanges gedeutet werden, und Se. k. k. Hoheit stimmen gleichfalls für die Weglassung wegen des voraussichtlichen Eindrucks auf die Protestanten.

|| S. 219 PDF || Se. Majestät geruhten unter diesen Umständen die Weglassung der gedachten Worte anzuordnen20.

VI. Militärbudget für 1860

Der Finanzminister setzte in gleicher Weise wie in der Ministerkonferenz am 1. November (Protokollabsatz II) die äußerst schwierige Lage auseinander, in welcher die Finanzen durch das auf 170 Millionen gestiegene Budget der Militärverwaltung für 1860 versetzt werde, und richtete an Se. Majestät die dringende Bitte, dem k. k. Armeeoberkommando die Ah. Weisung erteilen zu wollen, daß es sich zur Aufgabe zu machen habe, mit einer Dotation von 100 Millionen für 1860 auszulangen, wobei die 20 Millionen Nachzahlungen für 1859 selbstverständlich nicht eingerechnet würden.

Nachdem die Frage über die Stärke der Armee und die Bereitschaftsverhältnisse ihrer Korps wesentlich durch die Lage der äußeren Politik bedingt sind, geruhten Se. k. k. apost. Majestät den Ministerpräsidenten aufzufordern, sich darüber zu äußern.

Graf Rechberg erklärte hierauf, daß nach menschlicher Voraussicht ein großer Krieg im Jahre 1860 für Österreich nicht zu erwarten sei und wir höchstens in den Fall kommen können, mit einigen tausend Mann im Herzogtume Modena einzuschreiten. Hiezu dürfte die Mobilität eines kleinen Korps genügen. Der übrige Teil der italienischen Armee könnte auf den Friedensfuß gebracht werden, und er müsse diese Maßregel als eine durch die wichtigsten Interessen des Staats dringend gebotene bezeichnen. Die Beibehaltung einer größeren Truppenmacht auf dem Kriegsfuße sei überdies aber auch ganz nutzlos, weil Österreich bei der Zerrüttung seiner Finanzen und der vom Baron Bruck dargelegten Erschöpfung der Hilfsquellen außerstand ist, selbst mit der schönsten Armee einen Krieg zu führen.

Se. k. k. Hoheit der durchlauchtigste Herr Erzherzog Chef des Armeeoberkommandos setzten hierauf ziffermäßig auseinander, daß bei einer Reduktion des Ordinariums auf 100 Millionen, dann, wenn die italienische Armee mit einziger Ausnahme eines quasi mobilen Korps auf den Friedensfuß gesetzt, der Aufwand für Geniebauten eingeschränkt und eine Verminderung der Vorratsnachschaffungen vorgenommen wird, nur im ganzen 30 Millionen erspart werden könnten und dabei noch immer eine Differenz mit dem Finanzminister von 12l [sic!] Millionen erübrige.

Nachdem der Justiz - und Finanzminister noch eine weitere Verminderung dringend bevorwortet hatten, geruhten Se. Majestät Ah. auszusprechen, die außerordentlichen finanziellen Bedrängnisse, in welchen sich die Monarchie befindet, machten es zur Notwendigkeit, auch zu solchen Reduktionen zu schreiten, zu denen man bisher nie greifen wollte, und das Armeeoberkommando habe einen in diesem Sinne bearbeiteten summarischen Militärvoranschlag baldigst zu unterziehen21.

VII. Übereinkommen mit der Nationalbank

Der Finanzminister erwirkte hierauf die Ah. Ermächtigung zu einem Übereinkommen mit der Nationalbank, um bis zur Auflage eines Anlehens für die augenblicklichen Erfordernisse des Staatsschatzes die nötige Deckung zu erhalten22.

VIII. Bauplatz für die evangelische Unterrealschule in Wien

Der Kultusminister brachte zur Kenntnis seiner Kollegen, daß Se. Majestät Ag. zu genehmigen geruht haben, daß den Evangelischen in Wien, wofern sie sich damit einverstanden erklären, für ihre Unterrealschule statt des Platzes neben dem Polytechnischen Institute ein anderer geeigneter angewiesen werde, gegen den in keiner Beziehung Anstände obwalten23.

IX. Schillerfeier

Schließlich geruhten Se. Majestät zur Ah. Kenntnis zu nehmen, daß sich die Minister des Unterrichts und der Polizei an dem Bankett des Schillerfestkomitees beteiligen24.

Am 5. November 1859. Rechberg. Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Schönbrunn, 27. November 1859.