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Nr. 40 Ministerkonferenz, Wien, 7. Oktober 1859 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Ransonnet; VS. Kaiser; BdE. und anw. (Rechberg 8./14. 10.), Erzherzog Wilhelm, Erzherzog Rainer, Thun 9. 10., Bruck 11. 10., Nádasdy 10. 10., Hübner 10. 10., Gołuchowski 10. 10.

MRZ. – KZ. 3551 –

Protokoll [der Ministerkonferenz] vom 7. Oktober 1859 unter dem Ah. Vorsitze Sr. k. k. apost. Majestät.

I. Ah. Resolution über einen unerledigten Vortrag in evangelischen Kirchenangelegenheiten

Der Kultusminister stellte die au. Bitte um Ah. Resolvierung seines Vortrags 1. über die Bitte ungarischer Evangelischer um Abhaltung einer Synode, und 2. über mehrere andere Gesuche dieser Religionsgenossen um Restitution in den Stand vor 1848. Wenn Se. Majestät der Kaiser diesen Vortrag durch Hinweisung auf das Patent vom 1. September 1859 Ah. zu erledigen und Deputationen ungesetzlicher Versammlungen der Evangelischen nicht zu empfangen geruhen, werde dies einen zur Kräftigung aller Gutgesinnten dienenden Beweis geben, daß die Regierung an ihren Beschlüssen über die Kirchenangelegenheiten festzuhalten entschlossen ist1.

II. Evangelischer Konvent in Käsmark

Der Kultusminister referierte hierauf über den bereits in der Ministerkonferenz am 6. d. M. (Protokollabsatz I) beratenen Vorgang, den die Regierung der Bitte des Superintendentialkonventes vom 27. September d. J. zu Käsmarka wegen Suspendierung des Patents vom 1. v. M. und Einberufung einer Synode gegenüber zu beobachten hätte.

Graf Thun glaubt, daß das Einschreiten dieses Konvents, das ihm soeben baus Ah. Händenb zugekommen ist2, bald und in entschiedener Weise abzulehnen sei. Bliebe dieses Einschreiten ganz oder doch längere Zeit unbeantwortet, so würde man darin eine Unschlüssigkeit der Regierung und ein Anzeichen erblicken, daß der Bestand der neuen Kirchenverfassung ernstlich in Frage gestellt ist. Die große Mehrheit, welche dafür günstig gestimmt ist, würde den Mut verlieren, sich offen dafür auszusprechen. Die Agitation dagegen aber würde wesentlich aufgemuntert. Der Minister glaubte ferner, daß diese Ablehnung bündig zu motivieren sei, was bei den Blößen, welche die Eingabe gibt, keine schwere Aufgabe sein wird.

Der Ministerpräsident , im übrigen einverstanden, machte (unter Beitritt des Polizeiministers) gegen die Motivierung das Bedenken geltend, daß, wenn man einmal || S. 140 PDF || in eine solche, wenn auch siegreiche, Begründung eingegangen ist, die Diskussion von unseren Gegnern leicht auf ein Feld hinübergespielt werden kann, welches zur Vermeidung tiefer politischer Aufregung ganz unberührt bleiben sollte. Der Finanzminister , der Vorstimme beitretend, äußerte, daß die guten Gründe, welche die Regierung zur Ablehnung bestimmten, am füglichsten mittelst nichtoffizieller Artikel in ungarischen Blättern geltend gemacht werden könnten. Übrigens müsse Baron Bruck bedauern, daß die Behörden im Lande von der sich vorbereitenden Agitation wider das Patent vom 1. v. M. entweder keine Kenntnis erhielten oder sich derselben gegenüber ganz passiv verhielten. Der Justizminister teilte in Absicht auf die Abweisung der Eingabe und deren baldige Motivierung in den Zeitungen die Anträge der Vorstimmen.

Se. k. k. apost. Majestät geruhten diese Anträge zu genehmigen3 und die weitere Frage zur Verhandlung zu bringen:

III. Frage über die fernere Abhaltung von Konventen der Evangelischen in Ungarn

ob und inwiefern noch die Abhaltung von Generalversammlungen (Konventen) der Evangelischen in Ungarn nach deren alter Zusammensetzung zu gestatten sei.

Der Unterrichtsminister glaubte vor allem, zwischen jenen Konventen, welche bereits vor Kundmachung des Patents vom 1. September einberufen waren, und jenen unterscheiden zu sollen, welche erst seitdemc einberufen werden wollten. Was die Konvente, die vor dem Patent einberufen wurden, betrifft, so würde Graf Thun glauben, daß sie insofern nicht für ungesetzlich erklärt werden könnten, als sie sich nicht zu Übergriffen, gleich jenem in Käsmark, verleiten lassen. Übrigens dürfte, nebst deinem, welcher eben gestern in Ödenburg zusammentrat,d dem nach Debreczin für den 8. d.M. einberufenen Konvente, kaum mehr ein anderer eschon vor Kundmachung des Patentes berufenere Konvent bevorstehen4. Dagegen sei es eine notwendige Folge des Patents vom 1. September, daß nach dessen Kundmachung keine Konvente älterer Zusammensetzung mehr einberufen und abgehalten werden können und daß, wenn solche sich dennoch versammeln sollten, deren Beschlüsse null und nichtig sind. Das wäre den politischen Behörden in Ungarn sofort bekanntzugeben mit der Weisung, daß sie denjenigen, welche sich etwa zu derlei Konventen versammeln wollten, zu bedeuten haben, daß sie sich nicht mehr legal versammeln können, daß aber, wenn demungeachtet eine illegale Versammlung stattfindet, dieselbe ohne Verzug im polizeilichen Wege aufzulösen sei. Der Minister halte es jedoch nicht für angezeigt, gegen diejenigen, welchen den Versuch zur Abhaltung einer solchen Versammlung fohne weitere Widersetzlichkeitf zur Last fällt, strafweise vorzugehen.

|| S. 141 PDF || Die Minister der Justiz und des Inneren , welchen sich die übrigen Minister anschlossen, ghoben die Notwendigkeit hervorg, daß der mit Widersetzlichkeit gegen die Anordnung der Behörden stattfindende Versuch zur Abhaltung illegaler Konvente allerdings, und zwar nach den hiezu ausreichenden Bestimmungen des Strafgesetzes, zu bestrafen wäre.

Se. k. k. apost. Majestät geruhten den Kultusminister Ah. zu beauftragen, daß er sofort nach den Anträgen der Stimmenmehrheit eine Verordnung an die Statthaltereiabteilungen in Ungarn erlasse5.

IV. Ersparungskommission; Gewerbegesetz; Gendarmerie

Se. Majestät der Kaiser geruhten zur Pflicht zu machen, daß die Ersparungskommission ihre Tätigkeit baldmöglichst beginne. Ihre Wirksamkeit, für deren entsprechende Begrenzung Sorge zu tragen ist, werde nicht bloß temporär, sondern bleibend sein müssen6.

Schließlich geruhten Se. Majestät noch die baldige Vorlage des Gewerbegesetzes7 und der Gendarmerieinstruktion8 in Erinnerung zu bringen.

Am 8./14. Oktober 1859. Rechberg. Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Wien, 16. Oktober 1859.