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Nr. 34 Ministerkonferenz, Wien, 13. September 1859 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Rechberg; BdE. und anw. (Rechberg 13. 9.), Nádasdy 14. 9., Hübner 14. 9., Crenneville; abw. Thun, Bruck, Gołuchowski.

MRZ. – KZ. 3264 –

Protokoll der zu Wien am 13. September 1859 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Minister des kaiserlichen Hauses etc. Grafen v. Rechberg.

I. Aufschub der Wirksamkeit der kaiserlichen Verordnung vom 12. Mai wegen Besteuerung von Wein und Fleisch

Der tg. gefertigte Ministerpräsident eröffnete der Konferenz die Ah. Absicht Sr. Majestät, die Wirksamkeit der kaiserlichen Verordnung vom 12. Mai 1859, RGBL. Nr. 77, in betreff der Besteuerung von Wein und Fleisch, welche (laut § 12) mit 1. November 1959 beginnen sollte, auf ein Semester weiter, also bis 1. Mai 1860 hinauszuschieben, nachdem gegen ihre sofortige Wirksamkeit viele Klagen, namentlich aus Tirol und Ungern, erhoben worden sind1. Diese Ah. Verfügung soll mittelst Ah. Kabinettschreibens an den Finanzminister erlassen werden, wegen dessen Entwerfung der Justizminister sofort mit dem Unterstaatssekretär im Finanzministerium Rücksprache pflegen und das Resultat dem Ministerpräsidenten übergeben wird2.

II. Aufnahme der Ministerialverordnung über die Evangelischen in Ungarn in die Wiener Zeitung

Dem Polizeiminister ist vom Unterstaatssekretär im Kultusministerium die Ministerialverordnung vom 2. September 1859 (RGBL. Nr. 161) über die Vertretung und Verwaltung der Kirchen­angelegenheiten der Evangelischen in Ungern3 etc. zur Erteilung des „Inseratur“ für das Amtsblatt der Wiener Zeitung vorgelegt worden.a Teils wegen ihres Umfangs (147 §§), teils wegen der Beschränkung ihrer Wirksamkeit auf einzelne Kronländer, und weil durch die Verlautbarung in der Wiener Zeitung ihr, einer bloß provisorischen Ministerialverordnung, eine Bedeutung beigelegt würde, die ihr nicht zukommt, bwünschte Baron Hübner, ehe er die Einrückung in die Wiener Zeitung veranlaßte, die Ansicht der Konferenz zu kennen.b

Nachdem cdiese Verordnungc bereits im Reichsgesetzblatte erschienen ist, so glaubten der Justizminister und FML. Graf Crenneville , daß sie auch in der Wiener Zeitung abgedruckt werden sollte, letzterer mit der Bemerkung, daß diese Verordnung, als für die Militärgrenze wirksam, dem Armeeoberkommando nicht mitgeteilt worden, was umso mehr hätte geschehen sollen, als dort in der Durchführung bei einzelnen Bestimmungen || S. 121 PDF || Änderungen werden vorgenommen werden müssen, auf welche Graf Crenneville in einer nächsten Konferenz zurückzukommen sich vorbehielt4.

Indem nach der Bemerkung des gefertigten Ministerpräsidenten die Veröffentlichung der gedachten Verordnung in ihrem vollen Inhalte durch die Wiener Zeitung nur dann stattzufinden hätte, wenn der Kultusminister einen besonderen Grund dafür geltend machte, so wurde beschlossen, den Unterstaatssekretär im Kultusministerium anzugehen, daß er den Minister Grafen Thun hierwegen befrage, inzwischen aber die Aufnahme derselben in die Wiener Zeitung auszusetzen5.

III. Widerlegung der Gerüchte über Truppenmärsche nach Italien

Zur Widerlegung der selbst in den Zeitungen Platz findenden falschen Gerüchte, als ob neue Truppen nach Italien gesendet würden, haben sich der Polizeiminister und FML. Graf Crenneville unter Zustimmung der Konferenz über einen für die Wiener Zeitung bestimmten Artikel geeiniget, worin diese Gerüchte widerlegt und durch die bei Anlaß der Auflösung der 5. und Depotbataillons vermehrten Transporte von Beurlaubten auf der Südbahn erklärt werden6.

IV. Straffreie Rückkehr der ungarischen Legionäre

FML. Graf Crenneville brachte zur Kenntnis der Konferenz, daß Se. Majestät den Kriegsgefangenend, welche in der sogenannten ungrischen Legion Dienste genommen,d die straffreie Rückkehr in ihre Heimat Ag. zu bewilligen geruht haben, und daß die von dieser Ah. Gnade Gebrauch Machenden von den betreffenden Truppenkommandanten, dem Armeeoberkommando und durch selbes der Polizeibehörde behufs deren etwaigen Überwachung werden namhaft gemacht werden7.

V. Gültigkeit der Zeitungsverwarnungen

Der Polizeiminister brachte gesprächsweise zur Kenntnis der Konferenz, ewelche sich damit einverstanden erklärte,e daß er die bei seinem Amtsantritte noch in Rechtskraft bestandenen wenigen Verwarnungen einiger Zeitungen als nicht geschehen darum ansehen wolle, weil dieselben gleichzeitig einer Präventivzensur unterzogen worden waren8.

Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Schönbrunn, den 19. September 1859.