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Nr. 32 Ministerkonferenz, Wien, 6. September 1859 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Rechberg; BdE. und anw. (Rechberg 6. 9.), Bruck 7. 9., Nádasdy, Hübner, Gołuchowski, Crenneville; abw. Thun.

MRZ. – KZ. 3205 –

Protokoll der zu Wien am 6. September 1859 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des kaiserlichen Hauses etc. Grafen v. Rechberg.

I. Publizierung des Patents und der Ministerialverordnung über die evangelische Kirchenverfassung

Infolge Ah. Befehls hat der tg. gefertigte Ministerpräsident über die Art und Weise der Verlautbarung des Ah. Patents vom 1. d. [M.] und der Ministerialverordnung vom 2. d. M. über die evangelische Kirchenverfassung in Ungern etc. mit dem Unterstaatssekretär des Kultusministeriums Freiherrn v. Helfert Rücksprache gepflogen1. Dieser erklärte über Weisung seines Ministers sich für die gleichzeitige Hinausgabe beider Aktenstücke durch das Reichsgesetzblatt. Allein der tg. Gefertigte glaubte, daß durch die gleichzeitige Publizierung der 147 Paragraphen enthaltenden Ministerialverordnung der moralische Eindruck des Patents abgeschwächt und gegen das spätere Erscheinen der Verordnung umso weniger ein Anstand bestehen würde, als ein Paragraph des Patents den Kultusminister erst ermächtigt, die zur Ausführung desselben erforderlichen Anordnungen zu treffen2.

Der Finanzminister teilte diese Ansicht vollkommen; er vermeinte, der ganzen Maßregel bei dem gleichzeitigen Erscheinen beider Verfügungen dieselbe kalte Aufnahme, wie sie dem Gemeindegesetze widerfuhr, prognostizieren zu können, und war der Überzeugung, daß durch die einstweilige Sistierung der Verordnung, welche ohnehin nur provisorische, für den ersten Zusammentritt der Synoden berechnete Bestimmungen enthält, einer weiteren Verfügung nicht präjudiziert würde, zumal da die Frage über die Verlautbarung der Verordnung nachträglich beraten werden kann, sobald der Kultusminister wieder zurückgekehrt sein wird. Der Justizminister , welcher die Veröffentlichung der Verordnung durch das Reichsgesetzblatt um ihrer meritorischen Bestimmungen über die Wahlen etc. für notwendig hält, trug Bedenken, der Sistierung derselben ohne Zustimmung des Kultusminister beizustimmen. Er war daher der Meinung, daß Graf Thun von diesem Antrage im telegrafischen Wege in Kenntnis gesetzt werde, um hierzu entweder seine Zustimmung geben oder seine etwaigen Einwendungen dagegen vorbringen zu können. Der Polizeiminister fand die Frage bereits entschieden. Einem früheren Beschlusse gemäß soll die Verordnung später als das Patent erscheinen; für jeden Minister aber ist der Beschluß bindend (I. des ministeriellen Programms3). || S. 114 PDF || Auch haben Se. Majestät denselben genehmigt, indem der vom Ministerpräsidenten oben angeführte Paragraph des Patents in diesem Sinne abgeändert wurde. Es schiene ihm daher außer Zweifel zu sein, daß auch ohne weitere Einvernehmung des Kultusministers nach dem Konferenzbeschlusse vorgegangen werden könne. Die Vertretung desselben durch den Unterstaatssekretär komme hier nicht in Betracht, weil der Unterstaatssekretär nicht mit der vollen Amtsgewalt des Ministers ausgerüstet, kein Mitglied der Konferenz ist, und durch seine Intervention die Solidarität des Ministeriums nicht beeinträchtigt werden darf. Der Minister des Inneren und FML. Graf Crenneville fanden gegen die Sistierung der Veröffentlichung der Verordnung nichts einzuwenden; ersterer (der Minister des Inneren) würde es jedoch, um allen Zweifel und jedes Bedenken zu beheben, für angemessen halten, wenn hierüber die Ah. Entscheidung Sr. Majestät eingeholt würde, was zu tun der Ministerpräsident sich vorbehielt4.

II. Vertretung der Minister in deren Abwesenheit

Die Minister der Finanzen und des Inneren brachten zur Kenntnis des Ministerpräsidenten und der Konferenz, daß sie den ihnen von Sr. Majestät Ag. bewilligten Urlaub antreten werden und zu ihrer Vertretung in der Konferenz und für alle wichtigeren und unverschieblichen Geschäfte während ihrer Abwesenheit ersterer den Justizminister, letzterer den Polizeiminister eingeladen haben, welche beiden Minister sich auch dazu bereit erklärten. Die kurrenten Geschäfte würden von dem Unterstaatssekretär im Finanzministerium, von dem Sektionschef Altgrafen Salm im Ministerium des Inneren versehen werden.

Nachdem der Ministerpräsident sich mit dieser Vertretung einverstanden erklärt hatte, wurde beschlossen, in künftigen ähnlichen Fällen den gleichen Vorgang als Norm zu beobachten.

III. Rückkehr der außerhalb der böhmischen Festungen konfinierten Italiener

Während der Kriegszeit sind mehrere politische Verdächtige aus den italienischen Provinzen in die böhmischen Festungen konfiniert worden. Der Ah. Amnestieakt vom 25. August gab ihnen die Freiheit5. Inzwischen sind von einigen Militärkommandanten andere solche Individuen, namentlich ein gewisser Dr. Cumano nach Laibach konfiniert worden. Da der vorbelobte Akt nur von den in die böhmischen Festungen konfinierten Italienern spricht, so wurde angefragt, ob auch Cumano und andere derlei Personen entlassen werden können.

Der Minister des Inneren , welchem diese Anfrage vom vormaligen Chef der Obersten Polizeibehörde mitgeteilt worden war, glaubte dieselbe mit Rücksicht auf die Gleichartigkeit der veranlassenden Umstände bejahend beantworten zu können, und erhielt sofort auch die Zustimmung der Konferenz6.

Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Wien, 11. September 1859.