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Nr. 30 Ministerkonferenz, Wien, 3. September 1859 – Protokoll II - Retrodigitalisat (PDF)

MRZ. – KZ. 3175 –

Protokoll II der zu Wien am 3. September 1859 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des kaiserlichen Hauses etc. Grafen v. Rechberg.

I. Behandlung der Beamten des Handelsministeriums

Der tg. gefertigte Ministerpräsident brachte die Frage wegen Behandlung der Beamten des aufgelösten Handelsministeriums in Anregung1.

Die Beantwortung dieser Frage, bemerkte der Finanzminister , hängt zunächst von der Ah. Entscheidung über die Verteilung der Geschäfte dieses Ministeriums ab. Ist diese erfolgt, so wären die Geschäfte dieses Ministeriums von dessen einstweilen noch beisammen bleibenden Personale, jedoch in abgesonderten Protokollen und zu Handen der betreffenden Ministerien und Zentralstellen zu bearbeiten; indem erst nach Verlauf eines angemessenen Beobachtungstermines, allenfalls bis Ende des Solarjahres 1859, jedes einzelne mit Bruchstücken des aufgelösten Amts beteilte Ministerium zu beurteilen vermag, ob und welches Personal es zur Bearbeitung des Zuwachses benötigt. Inzwischen wäre den sämtlichen Angestellten des Handelsministeriums von der Ah. Gnade das übliche Begünstigungsjahr zu erwirken. Nur rücksichtlich der beiden Sektionschefs Esch und Baron Czoernig würde mit Rücksicht auf ihre höhere Stellung die gleiche Behandlung mit allen übrigen verletzend, es daher angemessen erscheinen, die weitere Bestimmung über dieselben Sr. Majestät unmittelbar besonders vorzubehalten.

Mit diesen Anträgen erklärte sich die Konferenz einverstanden, der Polizeiminister mit der Bemerkung, daß die Einstellung der bisherigen Gesamtfunktion des Handelsministeriums sobald als möglich, etwa unmittelbar nach der Ah. Genehmigung der Geschäftsverteilung, verfügt werden möchte, damit der einer gründlichen und raschen Geschäftsbehandlung so nachteilige Übergangszustand behoben werde2.

II. Bestand der Zeitungen „Austria“ und „Central-Polizei-Blatt“

Über die Anfrage des Polizeiministers, ob es nicht angemessen wäre, das Blatt „Austria“ eingehen zu lassen, nachdem der Regierung zur Publizierung ihrer Artikel die „Wiener Zeitung“ zu Gebote steht, gab der Finanzminister die Auskunft dahin ab, daß die erstgedachte Zeitung, welche wichtige staatswirtschaftliche Notizen enthält, künftig statt des bisher ausgegebenen, nun wieder eingehenden Montagsmorgenblattes der „Wiener Zeitung“ zu erscheinen haben werde, womit der Polizeiminister einverstanden war.

Ebenso stand er von dem Antrage, das „Central-Polizei-Blatt“, welches sämtliche Steckbriefe enthält, eingehen zu lassen, über die Bemerkung des Justizministers ab, daß dieses Blatt den sämtlichen Strafgerichten zur nötigen Evidenz über verfolgte und eingebrachte Verbrecher unentbehrlich ist3.

III. Vereinfachung und Ersparung beim Hof- und Staatshandbuch

Der Minister des Inneren beantragte eine Reform in der Einrichtung und unentgeltlichen Verteilung des Staatshandbuches.

Es ist in ersterer Beziehung von einem Umfang und es besteht in letzterer Beziehung eine Freigiebigkeit, welche weder mit dem Nutzen, den es wirklich gewährt, noch mit den Kosten, die es dem Ärar verursacht, im Verhältnisse stehen. Sechs Bände, im Preise durchschnittlich zu 2 fr. für jeden, werden alljährlich nicht nur an alle Chefs, Räte und Sekretäre der Zentralbehörden, dann alle Chefs und Räte der Landesoberbehörden, sondern auch an alle Kreisbehörden (in zwei Exemplarien) und an alle Bezirksämter verteilt und kosten bedeutende Summen, ohne diesen Ämtern zu einem dienstlichen Gebrauche zu dienen, da sie selten über die Kronlandsgrenzen hinaus zu korrespondieren haben. Den Landesbehörden dürfte ein wohleingerichteter Provinzialschematismus, wie ein solcher für Galizien eingerichtet ist, für den Dienstbedarf vollkommen entsprechen, auch von den Gemeinden und sonstigen Bewohnern gesucht werden, so daß die Kosten für jedes Land unbedeutend wären, während gegenwärtig die Beteiligung des Lemberger Verwaltungsgebietes allein mit dem Hof- und Staatshandbuche 2600 fr. kostet.

Im allgemeinen erkannte die Konferenz die Richtigkeit dieser Bemerkungen an; der Justizminister machte aber darauf aufmerksam, daß die Konferenz nicht in der Lage sei, ohne speziellen Nachweis über die Bedürfnisse des Dienstes bei den einzelnen Behörden über diesfällige Beschränkungen zu entscheiden. Er lud daher unter allseitiger Zustimmung den Minister des Inneren ein, diese Angelegenheit in ordentliche Verhandlung zu nehmen und durch eine abeim Ministerium des Innerena aus Abgeordneten sämtlicher Zentralbehörden zusammenzusetzende Kommission die Anträge auf Vereinfachung und Ersparung in diesem Zweige beraten und ausarbeiten zu lassen4.

IV. Beleuchtung der Gesetze etc. durch offiziöse Zeitungsartikel

Der tg. gefertigte Ministerpräsident und Minister des Äußern bezeichnete es ausländischen Regierungen gegenüber als einen Mangel der österreichischen, daß sie sich in der Regel begnügt, die wichtigsten Gesetze und Anordnungen bloß dem ämtlichen Texte nach zu veröffentlichen, ohne sie mit einer Erläuterung über Veranlassung, || S. 105 PDF || Zweck und Tendenz in offiziösen Zeitungsartikeln zu begleiten, zu beleuchten und dem Publikum zu empfehlen. Gegenwärtig steht die Publikation der evangelischen Kirchenverfassung bevor; der tg. Gefertigte wird den Hofrat Baron Thierry und Ministerialrat Zimmermann anweisen, hierüber einen einleitenden oder erläuternden Artikel für die Zeitung vorzubereiten5.

V. Zahlung der Nationalanleihekupons am 1. Oktober 1859 in Banknoten mit Aufgeld

Der Finanzminister referierte über die Bestimmung des Aufgeldes für die am 1. Oktober d.J. fälligen Kupons von Nationalanlehensobligationen, nachdem dieselben baußer in Zoll- und teilweise Steuerzuschlägenb nur in Banknoten bezahlt werden würden6. Baron Bruck beruft sich darauf, daß die in der kaiserlichen Verordnung vom 11. Juni 1859, RGBL. [Nr. 109] S. 255, als maßgebend angeführten, „durch die Kriegsereignisse herbeigeführten Verhältnisse“ noch fortdauern, daß der Friede noch nicht geschlossen sei und sich der Zeitpunkt einer völligen Pazifizierung noch nicht vorausbestimmen lasse. Mit der Ministerialverordnung vom 15. Juni 1859, RGBL. S. 260, sei das Aufgeld auf 25% bestimmt worden, und bei dem raschen Sinken des Silberagios seit Unterzeichnung der Friedenspräliminarien hätten die Eigentümer von Nationalanlehensobligationen dabei kein übles Geschäft gemacht, zumal die meisten unter ihnen sich des Silbers ohnehin bald zu entäußern pflegten. Gegenwärtig schwankt das Silberagio zwischen 16 und 17% und dürfte bald weiter herabgehen. Der Finanzminister glaube daher, daß das Aufgeld dermal cfür die Monate Oktober, November und Dezember 1859c mit 15% festzusetzen wäre.

Der Justizminister bedauert sehr, daß ddie Silberzahlung der fraglichen, am 1. Oktober fälligen Kupons nicht eintreten kann. Dies werde in Anbetracht der bedeutend gebesserten Geldverhältnisse, da heute der Silberkurs beiläufig 17% ist, am 11. Juni 1859 aber bei 42% betragen hat,d vielfach getadelt werden, wegen fortgesetzter Nichterfüllung eines kaiserlichene Versprechens. Andererseits dürfte den Finanzen auch die Barzahlung der Oktoberkupons weit geringere Opfer auflegen, als jene der am 1. Julius fälligen, nachdem es sich jetzt nur um etwa 3Millionen Zinsenf handelt. gDie Differenz aber zwischen den 15%, welche der Finanzminister anträgt, und dem Silberkurs, der am 1. Oktober wahrscheinlich sein wird, dürfte kaum so bedeutend sein, um das Nichtzuhalten [sic !] des kaiserlichen Wortes zu rechtfertigen.g Der Finanzminister erwiderte, die nächste und heiligste Pflicht der Finanzverwaltung sei in diesem || S. 106 PDF || Augenblicke, alles bare Silber, welches ihr zufließt, zur Refundierung der aus dem Schatze der Bank bar entnommenen 20 Millionen Silber zu verwenden7. Diese Refundierung werde für den Kredit im allgemeinen und insbesondere für den Kurs der Banknoten die besten Wirkungen äußern und so indirekt durch das Sinken des Agios auch den Besitzern von Nationalanlehensobligationen sehr zuguten kommen, hauf deren Kurs an den Börsen die Bezahlung in Banknoten mit Aufgeld nicht den geringsten nachteiligen Einfluß gehabt habe.h Gegen jede Verwendung des einfließenden Silbers zu derlei Kuponzahlungen müsse sich daher Baron Bruck auf das bestimmteste erklären.

Unter diesen Umständen fanden die übrigen Stimmführer gegen den Antrag des Finanzministers nichts mehr zu erinnern, und nur der Minister des Inneren machte geltend, daß das Aufgeld, wenn nicht mit dem Durchschnittskurse der drei letzten Monate, doch mit 16% als dem während derselben vorgekommenen niedrigsten Kurse bemessen würde. Der Finanzminister entgegnete jedoch, auf der Ziffer von 15% nicht sowohl wegen der Differenz des Geldbetrages, sondern vorzugsweise deshalb bestehen zu müssen, weil sich bei 16% Aufzahlung in der Rechnung großei Schwierigkeiten ergeben jund die Bestimmung für drei Monate zu gelten habe, binnen welcher Zeit ein weiterer Rückgang des Silberagios sich erwarten lasse, insbesondere, wenn der Friede abgeschlossen werden würdei .8

VI. Beibehaltung der Degradierungsstrafe bei Dienern

Der Justizminister referierte, es sei an ihn vom Eperieser Oberlandesgerichtspräsidium die Anfrage gerichtet worden, ob die mit Ah. Entschließung vom 13. Juni 1859 ausgesprochene Aufhebung der Degradierungsstrafe9 auch für die Diener der Gerichtsbehörden zu gelten habe. Nach der Meinung des Justizministers hat jene Ah. Entschließung, welche ausdrücklich nur von Beamten spricht, auf die Diener keine Anwendung, und es dürfte daher in derselben kein Hindernis liegen, z.B. einen Türsteher strafweise zum Kanzleidiener oder Hausknecht zu degradieren, gleichwie auch die Unteroffiziers strafweise degradiert werden können.

Sämtliche Konferenzmitglieder teilten diese Meinung, und es wird jeder in seinem Wirkungskreise nach diesem Beschluß vorgehen.

VII. Kontrasignatur bei dem Patent vom 1. September 1859

Der Justizminister brachte hierauf die Reihung der Kontrasignaturen bei dem Ah. Patente vom 1. September 1859 über die kirchlichen Verhältnisse der Protestanten in Ungarn zur Sprache10. Es wurde einstimmig beschlossen, daß unter die Ah. Namensunterschrift vor allem jene des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Chef des Armeeoberkommandos, dann jene des Minister­präsidenten und der übrigen Ministern nach der gewöhnlichen Ordnung zu reihen seien.

VIII. Kontrasignatur bei dem Patent vom 1. September 1859

Der Ministerpräsident knüpfte hieran die Äußerung, es erscheine ihm angezeigt, daß der Polizeiminister Freiherr v. Hübner, obgleich zum Vollzuge des Patents vom 1. September 1859 11 nicht unmittelbar berufen, dasselbe dennoch gleich allen übrigen Ministern unterzeichne, indem es gewiß auffallen und mißliebige Deutungen erfahren dürfte, wenn seine Unterschrift allein bei diesem hochwichtigen Patente fehlt, welches zudem das erste ist, welches seit der Zusammensetzung des gegenwärtigen Ministeriums Allerhöchst erlassen wird. Das größere Publikum, welchem die Bestimmungen des über die ministerielle Gegenzeichnung maßgebenden Ah. Handschreibens vom 20. August 1851 12 nicht gegenwärtig sind, weiß sich den Mangel der Unterschrift eines einzigen Ministers nicht zu erklären und nimmt oft zu ungereimten Hypothesen seine Zuflucht. Graf Rechberg glaubt aber, daß es überhaupt dem Geiste der Einigkeit, welcher das Ministerium beseelt, den augenfälligsten Ausdruck verleihen würde, wenn nicht bloß das fragliche, sondern überhaupt alle wichtigeren Ah. Patente nebst dem Ministerpräsidenten und den zum Vollzuge des Patents berufenen Ministern auch von allen übrigen Ministern kontrasigniert würden, zumal selbe auch bei der Beratung des Gesetzes mitgestimmt haben. Es wäre daher Se. Majestät der Kaiser au. zu bitten, Ag. anzuordnen, daß die k. k. Patente von größerer Wichtigkeit von allen Ministern gegenzuzeichnen, im übrigen aber die Bestimmungen des Ah. Handschreibens vom 20. August 1851, Art. 4, fortan zu beobachten seien.

Die Konferenz erklärte sich mit diesen Anträgen einverstanden13.

Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Laxenburg, den 11. September 1859.