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Nr. 24 Ministerkonferenz, Wien, 23. August 1859 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Rechberg; BdE. und anw. (Rechberg 23. 8.), Thun 25. 8., Bruck 25. 8., Nádasdy 25. 8., Hübner 26. 8., Gołuchowski 26. 8., Crenneville.

MRZ. – KZ. 3039 –

Protokoll der zu Wien am 23. August 1859 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des kaiserlichen Hauses und des Äußern Grafen v. Rechberg.

I. Beeidigung der neuen Minister; Festsetzung des Donnerstags zur Konferenz bei Sr. Majestät

Der tg. gefertigte Ministerpräsident brachte zur Kenntnis der Konferenz, daß Se. Majestät die Beeidigung der neu ernannten Minister auf den 25. d.M., 10 Uhr früh, anzuordnen und von nun an jeden Donnerstag für unter Ah. Vorsitze abzuhaltende Ministerkonferenzen zu bestimmen geruht haben1.

II. Voreinleitungen zur Ausführung des ministeriellen Programms

Der tg. Gefertigte brachte ferner einige Voreinleitungen zur Sprache, welche zur Durchführung des ministeriellen Programms2 erforderlich sein dürften, und zwar:

a) bezüglich der Veränderungen im Wirkungskreise der einzelnen Ministerien (Art. II des Programms).

Nachdem das Maß derselben bereits grundsätzlich im Programme ausgesprochen ist, so wäre die Ausführung lediglich dem wechselseitigen Einvernehmen der dabei beteiligten Ministerien zu überlassen. Was insbesondere die Auflösung des Handelsministeriums und die Verteilung seiner Agenda betrifft, so würden sich die zur Übernahme derselben bestimmten Ministerien und Zentralstellen mit dem bisherigen Sektionschef dieses Ministeriums Esch hierwegen in das Einvernehmen zu setzen haben; dieser aber hätte bis zur gänzlichen Vollziehung der Übergabe einstweilen die kurrenten Geschäfte fortzuführen, wichtigere Angelegenheiten aber – nach dem Antrage des Ministers des Inneren – entweder gar nicht oder im Falle der Dringlichkeit nicht ohne vorläufige Rücksprache mit demjenigen Minister zu erledigen, in dessen Ressort dieselben dem Programm gemäß gehören werden3.

b) zur Ausarbeitung eines Entwurfs über das Statut des Reichsrates (V. des Programms) wurden die Minister für Kultus und Unterricht, der Finanzen und der Justiz eingeladen, vorläufig miteinander in Beratung zu treten und ihre Vorschläge in der Konferenz zum Vortrage zu bringen4.

c) Die im Programm sub X. angedeutete finanzielle Frage betrifft das Gesamtbudget und die Einsetzung einer Kommission zur Erzielung möglicher Ersparungen in allen Zweigen der Verwaltung.

Das Budget für 1860 ist Sr. Majestät vom Finanzminister kürzlich vorgelegt worden5. Die Ersparungskommission würde, nach dem Antrage des Finanzministers , aus Abgeordneten sämtlicher Zentralstellen unter dem Vorsitze eines Sektionschefs des Finanzministeriums zusammenzusetzen sein. Gegen ihre sofortige Wirksamkeit aber wurden Bedenken erhoben. Es bemerkte nämlich der Minister des Inneren , daß wirksame Ersparungen in dem ihm anvertrauten Verwaltungszweige erst von der Durchführung von Reformen und Reduktionen der politischen Behörden zu erwarten seien. Diese aber müssen erst vorbereitet und von Sr. Majestät genehmigt werden, was wohl vor einigen Monaten nicht geschehen kann. Der Kultusminister aber setzte hinzu: Mitglieder dieser Ersparungskommission würden ohne Zweifel diejenigen Beamten der Ministerien werden, welche bisher zur Zusammenstellung der Staatsvoranschläge verwendet worden sind. Als solche wären sie zwar geeignet, die einzelnen Positionen des Budgets des von ihnen vertretenen Ministeriums zu begründen und gegen Einwendungen zu verteidigen; allein sie erscheinen vermöge ihrer untergeordneten Stellung weder als befähigt noch als berechtigt, über Ersparungen in anderen Verwaltungszweigen Anträge zu machen oder darüber abzustimmen. Sie müßten also entweder von ihren Chefs vorläufig hierwegen instruiert und autorisiert werden, oder die Minister müßten selbst die Sache in die Hand nehmen. Unter diesen Verhältnissen schiene es dem Kultusminister angemessener, wenn vorläufig auf Grundlage des Gesamtbudgets pro 1860 die Hauptideen zu möglichen Ersparungen vom Finanzminister angegeben, in der Konferenz beraten und prinzipiell festgestellt, dann aber die Ausführung derselben im Detail jener Kommission überlassen würde. Übereinstimmend mit dieser Ansicht behielt sich der Finanzminister vor, sämtlichen Mitgliedern der Konferenz zum Behufe dieser Beratung den Staatsvoranschlag für 1860 zur vorläufigen Einsicht mitzuteilen und seinerzeit die Ersparungsvorschläge in Vortrag zu bringen6.

|| S. 83 PDF || d) Über die Zustände und Bedürfnisse des Königreichs Ungern wäre sich mit einigen Notabilitäten des Landes vertraulich zu beraten7.

Sie eigens zu diesem Zwecke zu berufen, würde Aufsehen und vielleicht unerfüllbare Erwartungen im Lande erregen. Es wären zwar mehrere, vom Justizminister nahmhaft gemachte, vollkommen vertrauenswürdige Männer hier, andere werden im Herbst erwartet; allein sie werden, wie der Minister des Inneren bemerkte, wissen wollen, wie weit die Regierung selbst in ihren Zugeständnissen gehen könne, was zur Stunde noch nicht ausgemacht ist; dann müsse der Minister des Inneren auf einige Wochen zur Ordnung der Geschäftsübergabe etc. auf seinen frühern Posten zurück8, könne also itzt schon nicht derlei Besprechungen anfangen.

Es wurde also für angemessen erkannt, vorderhand und bis zum sukzessiven Eintreffen der erwarteten ungarischen Herren in Wien sich darauf zu beschränken, die jedem einzelnen Minister sich etwa darbietende Gelegenheit zur vertraulichen Besprechung mit einem oder dem anderen der anwesenden zu benützen9.

III. Straffreie Rückkehr für Nikolaus v. Katona

Der Polizeiminister referierte über die Meinungsdifferenz, welche sich aus Anlaß der Vorlage von neuen Amnestierungsgesuchen bezüglich des im Kommissionsprotokolle sub 7. aufgeführten Nikolaus v. Katona ergeben hat10. Während nämlich die Mehrheit der Kommission nach dem Antrage des Statthalters11, dann der vormalige Minister des Inneren Freiherr v. Bach für die Bewilligung der straffreien Rückkehr Katonas stimmten, haben sich bei der Kommission der Vertreter des Finanzministers, dann dieser selbst, der Justizminister und der bisherige Chef der Obersten Polizeibehörde FML. Baron Kempen gegen diese Bewilligung ausgesprochen.

Der Minister der Finanzen und der Justiz verharrten auf ihrer Ansicht, weil Katona solche Untaten verübt hat, daß er – was unerhört ist – selbst von der revolutionären Regierung um derselben willen vor ein Kriegsgericht gestellt wurde, seine straffreie Rückkehr also den übelsten Eindruck im Lande machen würde. Der Polizeiminister bemerkte: Er würde im allgemeinen bei Angelegenheiten dieser Art dem Antrage des Statthalters (welcher hier für Katonas Rückkehr ist) das größte Gewicht beilegen, weil der Statthalter adie vorliegenden Daten in ihrem Zusammenhange mit den örtlichen Verhältnissena am besten zu beurteilen vermag. Nur dann schiene ihm ein Abgehen von dem Einraten des Landeschefs gerechtfertigt zu sein, wenn allgemeine || S. 84 PDF || politische Rücksichten dagegen sprechen, oder nachträglich solche Daten vorkommen, welche dem Statthalter nicht bekannt waren. Gegen Katona werden nun zwar auch solche nachträgliche Daten geltend gemacht; demungeachtet würde der Polizeiminister denselben wenig Gewicht beilegen, weil sie auf bloßen Kundschaftsnachrichten beruhen. Nachdem indessen die Äußerung des dermaligen Statthalters in Siebenbürgen, Fürst Liechtenstein, zugunsten Katonas an Gewicht verliert, indem sie, wie der Justizminister bemerkte, kurz nach seinem Amtsantritte abgegeben worden bsein dürfteb, während der frühere Statthalter Fürst Schwarzenberg12 entschieden gegen Katonas Rückkehr sich erklärt hat, so nahm der Polizeiminister keinen Anstand, sich dem auch von den übrigen Votanten geteilten Antrage auf Zurückweisung der Bitte Katonas anzuschließen13.

IV. Bekanntmachung der Aufhebung der Degradierungsstrafe durch das Reichsgesetzblatt

Gegen den Antrag des Justizministers auf Bekanntmachung der Ah. Entschließung vom 13. Juni 1859 „wegen Aufhebung der Degradierungsstrafe“ in das Reichsgesetzblatt ergab sich keine Einwendung14.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen cund finde anzuordnen, daß mir die Anträge wegen Verteilung der Geschäfte des bisherigen Handelsministeriums nach Beratung in der Konferenz zur Entscheidung unterlegt werdenc . Franz Joseph. Wien, 29. August 1859.