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Nr. 18 Ministerkonferenz, Wien, 30. Juni 1859 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Rechberg; BdE. und anw. (Rechberg 30. 6.), Bach 5. 7., Thun 7. 7., Toggenburg, Bruck, Nádasdy, Eynatten, Hartmann.

MRZ. – KZ. 2582 –

Protokoll der zu Wien am 30. Junius 1859 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministers des kaiserlichen Hauses und des Äußern Grafen v. Rechberg.

I. Bitte der Stadt Triest um Belassung der lf. Behörden während einer feindlichen Okkupation. Anfrage des dortigen Postamts über Behandlung der Briefträger im gleichen Falle

Der Minister des Inneren referierte über die Bitte des Gemeinderates von Triest, der Stadt im Falle einer feindlichen Okkupation nicht, wie es in der Lombardie geschehen, alle lf. Behörden zu entziehen. Er beruft sich dabei unter Anführung mehrerer anderer Motive auf das Beispiel von den Jahren 1805 und 1809, wo selbst die politische Landesstelle, den Gouverneur an der Spitze, während der feindlichen Besetzung in der Stadt verblieb und ihre Amtshandlungen fortsetzte. Er hebt hervor, welche Nachteile das Zurückziehen insbesondere der Gerichts- und lf. Lokalbehörden auf alle Verkehrs- und bürgerlichen Verhältnisse der Bevölkerung haben würde, da er bei dem besten Willen nicht imstande wäre, deren Funktionen durch Gemeindeorgane versehen zu lassen1.

Hiermit wird also eine Modifikation derjenigen Weisungen bezielt, welche wegen Zurückziehung der lf. Behörden aus den vom Feinde besetzt werdenden Gebietsteilen infolge früherer Konferenz­beratungen im allgemeinen erteilt worden sind2.a Diese haben sich nun zwar, bemerkte der Minister des Inneren, in der Lombardie durch den Vorgang des Feindes gerechtfertigt, der gegen alles Völkerrecht die zeitweilig besetzten Landesteile sogleich seinen eigenen Staaten einzuverleiben sich vermessen hat. Es ist jedoch nicht zu verkennen, daß einerseits im Küstenlande und insbesondere in Triest andere Verhältnisse als in dem von der Revolution unterwühlten Boden der Lombardie obwalten und daß andererseits der Feind, selbst wenn er sich der völkerrechtswidrigen Anmaßung der Majestätsrechte in dem okkupierten Gebiete enthalten wollte, durch die freiwillige Entfernung aller rechtmäßigen Behörden aus demselben gezwungen würde, sie durch Organe seiner Wahl zu ersetzen. Aus dieser Rücksicht würde der Minister des Inneren, welcher bereits infolge Konferenzberatung vom 21. d.M., Z. 137, bezüglich der Strafhäuser eine Modifikation jener allgemeinen Weisungen angeordnet hat, der Meinung sein, daß die vorliegende Eingabe des Triester Gemeinderates dahin zu erledigen wäre, es haben – mit Ausnahme der politischen Landesstelle, welche als zweite || S. 65 PDF || Instanz für die Stadt ohnehin von minderer lokaler Bedeutung ist, bund der Polizeibehördeb sämtliche übrigen lf. Behörden, Gerichte und Lokalämter auch während einer etwaigen feindlichen Besetzung so lange zu amtieren, als ihnen der Feind gestattet, nach den bestehenden Gesetzen und Instruktionen zu fungieren und, wie der Justizminister hinsichtlich der Gerichte ausdrücklich beisetzte, im Namen Sr. k. k. Majestät Recht zu sprechen, und solange er von dem Beamten keinen Akt der Anerkennung seiner Souveränität fordert.

Die Konferenz erklärte sich mit diesem Antrage einverstanden, und behielt sich der Minister des Inneren vor, die Formulierung des diesfälligen Erledigungsentwurfs mit den Konferenzgliedern zu vereinbaren. Ein vom Kultusminister erhobener Zweifel, ob zu dieser Verfügung nicht die Ah. Ermächtigung Sr. Majestät einzuholen sei, wurde vom Minister des Inneren mit der Bemerkung gelöst, daß, da dieselbe rein administrativer Natur und vermöge der beantragten Klausel weder gegen die allgemeinen Regierungsgrundsätze noch gegen den von den Beamten Sr. k. k. Majestät geleisteten Eid verstößt, im Wirkungskreise der Ministerien gelegen sein und jedenfalls mit Rücksicht auf ihre Dringlichkeit provisorisch von ihnen erlassen werden dürfte.

Bei diesem Anlasse brachte der Handelsminister eine Anfrage des Triester Postamts, wie sich mit den Briefträgern in gleichem Falle zu benehmen sei, in Vortrag. Es war nämlich in dem Erlasse, den der Handelsminister, konform den früheren Konferenzbeschlüssen, an die seinem Ressort angehörigen Ämter hinausgegeben, nur von Beamten die Rede. Nachdem kein Grund vorhanden ist, jene Kategorie von Dienern anders als die Beamten zu behandeln oder sie gar zu ignorieren und dem Schicksal zu überlassen, so gedenkt der Handelsminister mit Zustimmung der Konferenz diese Anfrage dahin zu erledigen, daß, was in Ansehung des Verbleibens oder der Entfernung der Postbeamten angeordnet worden ist oder angeordnet werden wird, auch auf die Postamtsbriefträger Anwendung zu finden habe3.

II. Anweisung der bisherigen Genüsse für die aus Mailand zurückgezogenen lf. Lehramtsindividuen

Unter den aus Mailand nach Laibach zurückgezogenen Beamten befinden sich auch vier Individuen aus dem Lehrstande, deren sogleiche Unterbringung von Sr. Majestät anbefohlen worden ist4.

Da dies augenblicklich nicht geschehen kann, so stellte der Unterrichtsminister die Anfrage, ob es einem Anstande unterliege, denselben einstweilen ihre bisherigen Genüsse flüssig zu erhalten. Der Finanzminister versicherte, daß dieses bereits im allgemeinen rücksichtlich der zurückgezogenen Beamten verfügt worden sei, wornach der Unterrichtsminister um die Mitteilung bezüglich dieser seinem Ressort angehörigen Individuen ersuchte5.

III. Ausschreitungen der Zeitungspresse

Der Minister des Inneren machte wieder auf die Notwendigkeit einer strengeren Beaufsichtigung der periodischen Presse in bezug auf Nachrichten vom Kriegsschauplatze || S. 66 PDF || aufmerksam, damit nicht wider solche Notizen, welche kürzlich zu lesen waren, von hungernden und erschöpften österreichischen Regimentern etc. in die Öffentlichkeit kommen, Notizen, welche, wie der FML. Freiherr v. Eynatten bemerkte, von keiner Regierung der Welt über die eigenen Truppen zu bringen zugelassen werden würde und die gewiß nicht geeignet sind, die hier herrschende Stimmung zu bessern, welche endlich, wie der tg. gefertigte Vorsitzende beifügte, umso anstößiger erscheinen, als dagegen prunkhafte Darstellungen der Vorgänge im feindlichen Lager und auf dem Kriegsschauplatze etc. aufgenommen werden.

Der Sektionschef der Oberpolizeibehörde FML. Hartmann äußerte das Bedauern, wenn trotz aller Wachsamkeit mitunter solche Artikel übersehen werden, erklärte sich zur Ausführung derjenigen weiteren Restriktionen bereit, welche die Konferenz in dieser Beziehung bestimmt und genau begrenzt vorzuzeichnen für nötig halten sollte, sprach aber seiner Pflicht gemäß freimütig seine innerste Überzeugung dahin aus, daß kleinliche polizeiliche Maßregeln gegen die periodische Presse, welche unter den jetzigen ernsten Zeitverhältnissen ihre Leser doch nicht bloß mit Theater und Mode unterhalten kann und bezüglich der Kriegsbegebenheiten bei dem fortwährenden offiziellen Stillschweigen zu Privat- und ausländischen Zeitungsmitteilungen darüber ihre Zuflucht nehmen muß, zu nichts führen, vielmehr die schon herrschende, sehr ungünstige Stimmung im Publikum noch mehr erhöhen würden.

Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Laxenburg, den 23. Juli 1859.