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Nr. 11 Ministerkonferenz, Wien, 9. Juni 1859 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Ransonnet; VS. Rechberg; BdE. und anw. (Rechberg 10. 6.), Bach 10. 6., Thun 11. 6., Toggenburg, Bruck 11. 6., Nádasdy 11. 6., Eynatten, Hartmann.

MRZ. – KZ. 2133 –

Protokoll [der Ministerkonferenz] vom 9. Juni 1859 unter dem Vorsitze des Ministers des kaiserlichen Hauses und des Äußern Grafen v. Rechberg-Rothenlöwen.

I. Regelmäßige Abhaltung der Ministerkonferenzen

Über Antrag des Kultusministers wurde einstimmig beschlossen, daß die Ministerkonferenz sich während der Dauer der gegenwärtigen ernsten Zeitverhältnisse1 regelmäßig, und zwar auch wenn kein spezieller Gegenstand eine Beratung erheischt, am Dienstag, Donnerstag und Samstage jeder Woche zum Austausch von Wahrnehmungen und zur fortgesetzten persönlichen Verständigung über Inzidenzfälle versammle.

II. Stimmung in Wien und in den Kronländern

Sämtliche Minister berichteten über die Stimmung der Gemüter, welche sie, jeder in seinem Kreise, zu beobachten Gelegenheit haben. Sie läßt sich mit den Worten charakterisieren: Bewunderung für die tapfere Armee; Unruhe und Mißtrauen über ihre bisherige Führung; ernste Besorgnis vor weiteren noch ungünstigeren Kriegsereignissen, wenn keine Änderung im Kommando erfolgt. Diese traurige Stimmung drückt am meisten die treuen Anhänger Sr. Majestät und der Ah. Dynastie und die opferwilligsten Freunde des Vaterlandes, die sich in ihrer vertrauensvollen Zuversicht auf glänzende Erfolge des kaiserlichen Heeres getäuscht sehen. Die Mißstimmung macht sich in Wien, nicht selten selbst an öffentlichen Orten, in unberufenen Kritiken der militärischen Operationen Luft und wird auch von der Mehrzahl der Militärs unverhohlen geteilt. Die dem Ministerium des Inneren und der Obersten Polizeibehörde zugekommenen Berichte aus den Provinzen [zeigen], daß dort im ganzen die gleiche Stimmung herrscht. FML. Freiherr v. Eynatten erklärte, daß er seinerseits die Tatsache der von den übrigen Konferenzgliedern geschilderten Stimmung im Militär und Zivil leider nicht in Abrede stellen könne, wenn er ihr gleich die Berechtigung bei der vollen Unkenntnis so vieler Faktoren, die dahin führten, absprechen müsse.

Die Minister hielten es unter diesen Umständen für ihre heilige Pflicht, diese Wahrnehmungen über die öffentliche Stimmung mit aller Freimütigkeit ehrfurchtsvoll zur Ah. Kenntnis zu bringen, und der vorsitzende Minister des Äußern übernahm die Erstattung des diesfälligen au. Vortrages2.

III. Konstituierung eines Prisengerichts

Nachdem der französische Dreimaster „Raoul“ von einem österreichischen Kriegsschiff gekapert worden ist, tritt die Notwendigkeit ein, das Prisengericht für diesen sowie für die noch später vorkommenden ähnlichen Fälle zu konstituieren. Der Minister des Äußern brachte diesen Gegenstand zur Beratung der Konferenz, welche sich für die schleunige Zusammensetzung einer Kommission aus Abgeordneten der Ministerien des Äußern, der Justiz, des Handels, des Armee- und des Marineoberkommando unter dem Vorsitz des Sektionschefs Esch entschied. Die Kommission wird ihre Arbeiten bezüglich der zu erstattenden Anträge baldmöglichst zu beginnen haben3.

IV. Behandlung der lombardischen Staatsbeamten während der Invasion

Aus Anlaß der vom Kultusminister zur Sprache gebrachten Anfrage des Baron Kellersperg über die Behandlung einiger Beamten des Lehrstandes, die ihm aus Mailand nach Mantua gefolgt sind, referierte der Minister des Inneren , daß über die allgemeine Frage der Behandlung der lombardischen Beamten während der feindlichen Invasion ein Übereinkommen zwischen den Ministern der Finanzen und des Inneren stattgefunden hat, welches sämtlichen Zentralbehörden im Zirkulationswege zur Kenntnis gebracht werden wird.

Bei diesem Anlasse sprach der Minister die Hoffnung aus, man werde es mit Rücksicht auf die ungünstigen Approvisionierungs- und Sanitätsverhältnisse in Mantua vermeiden, daselbst viele Behörden zu konzentrieren4.

Am 10. Juni 1859. Rechberg. Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Verona, den 17. Juni 1859.