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Nr. 10 Ministerkonferenz, Wien, 7. Juni 1859 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Rechberg; BdE. und anw. (Rechberg 7. 6.), Bach 8. 6. (bei I abw.), Thun 9. 6., Toggenburg, Bruck 9. 6., Nádasdy 9. 6., Eynatten, Hartmann.

MRZ. – KZ. 2132 –

Protokoll der zu Wien am 7. Juni 1859 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministers des kaiserlichen Hauses und des Äußern Grafen v. Rechberg.

I. Expeditionen von Schiffen nach blockierten Häfen

I. a Eine an den Handelsminister gelangte Anfrage, ob österreichischen Schiffen Expeditionen1 nach blockierten Häfen erteilt werden können, wird ihre definitive Erledigung durch die Entscheidung finden, welche über die in der Konferenz vom 2. d.M. sub I. besprochene Verhandlung zwischen dem Handelsminister und dem Armeeoberkommando von dem mit dessen Leitung hier betrauten FML. Freiherrn v. Eynatten bei Sr. Majestät eingeholt worden ist. Um bis dahin für dringende Fälle eine Norm zu haben, gedächte der Handelsminister einstweilen die Weisung hinauszugeben, daß derlei Expeditionen nur mit Bewilligung des betreffenden Militärkommandanten erteilt werden dürfen.

Hiermit erklärte sich der FML. Freiherr v. Eynatten einverstanden, und die übrigen Votanten fanden dagegen nichts zu erinnern2.

II. Provisorische Aufnahme bayerischer Telegrafisten

Der Handelsminister erhielt die Zustimmung der Konferenz zu seinem Vorhaben, für den gegenwärtigen außerordentlichen Bedarf an Telegrafenbeamten, welche bei dem Mangel geprüfter inländischer Kandidaten sonst nicht gedeckt werden kann, durch Berufung geeigneter Telegrafisten aus Bayern in der Art zu sorgen, daß dieselben einstweilen provisorisch und mit dreimonatlicher Kündigung angestellt werden, die Verhandlung über das Erfordernis der österreichischen Staatsbürgerschaft derselben aber dem Zeitpunkte vorbehalten bleibe, wo einer oder der andere derselben definitiv angestellt werden sollte3.

III. Ausfuhr von Faßdauben aus Galizien

Eine Anfrage des Statthalters von Galizien an den Minister der Inneren , ob die Ausfuhr von eichenen Faßdauben (400 Klafter4) nach Odessa, für Frankreich bestimmt, gestattet werden könne, wenn sich der noch näher zu erhebende Umstand bestätigen sollte, daß dieselben zu feindlichen Proviantfässern bestimmt seien, || S. 38 PDF || gedenkt der Minister des Inneren mit allseitiger Zustimmung dahin zu erledigen, daß diese Ausfuhr bei der Unerheblichkeit des Gegenstandes umso minder zu beanständen sei, als zu einem partiellen Ausfuhrverbote kein hinreichender Grund vorliege.

IV. Aufhebung der geistlichen Pfründenverleihungs- und Wahlbestätigungstaxen

Der Kultusminister referierte seinen Vortrag vom 21. April d. J. über die Aufhebung der geistlichen Pfründenverleihungs- und Wahlbestätigungstaxen (Patent vom 27. Jänner 1840)5.

Wie in diesem Vortrage umständlich nachgewiesen wird, sind diese beiden Taxen nicht mehr zulässig, indem konkordatmäßig und nach kirchlichen Prinzipien überhaupt der weltlichen Macht ein Verleihungs- oder Wahlbestätigungsrecht bezüglich geistlicher Pfründen nicht zusteht. Faktisch ist bdie Entrichtung der Wahlbestätigungstaxenb in letzterer Zeit bereits suspendiert worden; der Ertrag cbeider Taxbezügec im ganzen ist für die Finanzen von geringerer Bedeutung (ca. 100.000 f. jährlich) und läßt sich durch eine gleichmäßige Regulierung der bisher in den verschiedenen Kronländern verschieden eingerichteten Besteuerung des geistlichen Einkommens ersetzen. Der Kultusminister wandte sich daher an das Finanzministerium um dessen Zustimmung zur Aufhebung der genannten Taxen und zur Verhandlung über eine neue Regulierung der Besteuerung des geistlichen Einkommens. Das Finanzministerium bestand dagegen auf dem seit 200 Jahren geübten Rechte der Staatsverwaltung, für Akte, welche ihr wie damals so auch itzt noch nach dem Konkordate in Ansehung der geistlichen Pfründen zustehen, eine Gebühr einzuheben; es gab zu, daß die Bezeichnung „Pfründenverleihungs- und Wahlbestätigungstaxe“ nicht passend, also abzuändern wäre, verlangte aber, daß vorerst die Ah. Entscheidung Sr. Majestät über das angefochtene Recht, jene Taxen einzuheben, eingeholt werde, bevor zur Erörterung der Frage über die Modalitäten eines Ersatzes dafür geschritten würde, in welcher Frage wohl nur ihm (Finanzministerium) die Initiative zustände. Sonach erübrigte nichts, als über diesen Gegenstand nach vorläufigem Vortrage in der Konferenz die Ah. Schlußfassung Sr. Majestät einzuholen.

Der Finanzminister , welcher aus konfessionellen Rücksichten an der Verhandlung persönlich keinen Teil genommen hatte, beschränkte sich darauf, die Note des Finanzministeriums vom 7. August 1858, gezeichnet vom Unterstaatssekretär, vorzulesen6, wogegen der Kultusminister erklärte, seinerseits von seinem Antrage nicht abgehen zu können. Der Minister des Inneren versuchte eine Vermittlung. Aus dem Konkordate folgt seines Erachtens die Unzulässigkeit einer Taxabnahme beim Antritte geistlicher Pfründen durch die Staatsverwaltung nicht; nur die Bezeichnung der Abgabe als „Verleihungs- und Wahlbestätigungstaxe“ widerstreitet den kanonischen Ansichten; würde sie entsprechend geändert und insbesondere die Taxe angemessen vermindert, || S. 39 PDF || so wäre wohl der Hauptanstand gehoben. Denn nicht erst seit dem Konkordate, sondern lange vorher schon sind Klagen gegen diese Taxen und insbesondere gegen deren Höhe, die namentlich den Stiften sehr beschwerlich fällt, vorgekommen. Es erscheint also jedenfalls sehr wünschenswert, daß wegen einer durchgreifenden Reform dieser Taxen und überhaupt der Abgaben von den geistlichen Pfründen die Verhandlung zwischen den beiden Ministerien der Finanzen und des Kultus gepflogen werde, wozu eigentlich beide schon bereit sind, nur mit dem Unterschiede, daß das Finanzministerium vorerst die Frage über das Recht zur Abnahme der Pfründenverleihungs- und Wahlbestätigungstaxe prinzipiell entschieden haben will. Allein, die vorläufige prinzipielle Entscheidung, fällt sie gegen das Finanzministerium aus, erschwert dann die Verhandlung über das Äquivalent der aufgehobenen Taxen und gibt ihr einen gehässigen Anstrich. Der Minister des Inneren wäre daher der Meinung, daß diese Verhandlung mit Beseitigung der prinzipiellen Frage von den beiden Ministerien sogleich in Angriff genommen werde.

Beide Minister waren mit einem abermaligen Ausgleichungsversuche einverstanden, und der Finanzminister übernahm die bezüglichen Akten mit dem Bemerken, daß er den Unterstaatssekretär anweisen werde, hierwegen nochmals mit dem Kultusministerium Rücksprache zu pflegen. Käme eine Vereinbarung nicht zustande, so würde der Minister des Inneren , dem auch der Justizminister beistimmte, dem Antrage des Kultusministers nur mit der Modifikation beitreten, daß in dem von ihm vorgeschlagenen Resolutionsentwurfe nicht die sofortige Aufhebung der Pfründenverleihungs- und Wahlbestätigungstaxe, sondern nur die Ah. Geneigtheit Sr. Majestät ausgesprochen werde, selbe dann aufzuheben, wenn deren Ersatz durch eine andere Belegung des geistlichen Einkommens ermittelt worden sein würde7.

Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Verona, 17. Juni 1859.