MRP-1-4-01-0-18590524-P-0004.xml

|

Nr. 4 Ministerkonferenz, Wien, 24. Mai 1859 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Ransonnet; VS. Rechberg; BdE. und anw. (Rechberg 25. 5.), Bach 25. 5., Thun, Toggenburg, Bruck 25. 5., Nádasdy 25. 5., Kempen 25. 5.; abw. Kellner.

MRZ. – KZ. 1932 –

Protokoll [der Ministerkonferenz] vom 24. Mai 1859 unter dem Vorsitze des Ministers des kaiserlichen Hauses und des Äußern Grafen v. Rechberg und Rothenlöwen.

I. Behandlung der Telegramme über Kriegsereignisse

Der Handelsminister brachte die Notwendigkeit zur Sprache, über die Behandlung der hierorts einlangenden Privattelegramme über politische und militärische Ereignisse baldigst einen definitiven Beschluß zu schöpfen. Die von der Ministerkonferenz angeordnete vorläufige Beratung einer Kommission von Delegierten der Ministerien1 habe zu keiner Einigung geführt. Der Handelsminister habe bis jetzt derlei Telegramme ungünstiger Art zurückgehalten. Allein, er halte sich auf seinem Standpunkte als Handelsminister zu einer solchen ins Fach der präventiven Preßpolizei gehörigen Maßregel bei dem Abgange einer diesfälligen gesetzlichen Vorschrift weder berufen noch selbst berechtigt und glaube daher der Beförderung solcher Telegramme, auf welche die Absender durch die Gebührenzahlung vollen Anspruch haben, keine weiteren Hindernisse mehr setzen zu sollen. Um der voreiligen Mitteilung von derlei Telegrammen zu begegnen, gebe es drei Wege: 1. Deren Veröffentlichung unbedingt und ohne Unterschied zu verbieten – eine harte Maßregel, welche zudem nur durch höchstens 24 Stunden wirksam bleibt, weil mittlerweilen die ausländischen und oft selbst manche inländischen Journale außer der Residenz jene Nachrichten bringen. 2. Die Überwachung der Privattelegramme durch die Preßaufsicht; und 3. eine konfidentielle Erinnerung an die hiesigen Journalisten, daß sie sich der Mitteilung ungünstiger Nachrichten vor deren Konstatierung enthalten sollen.

Der Minister des Inneren äußerte, daß ihm das Protokoll der von der Vorstimme erwähnten Kommission soeben erst zugekommen sei, und er seine diesfälligen Anträge demnächst in der Ministerkonferenz stellen werde. Minister Baron Bach verkenne gleichfalls nicht, daß man durch Unterdrückung der Privattelegramme die Mitteilungen aus dem feindlichen Lager dem hiesigen Publikum höchstens durch 24 Stunden vorenthalten könne, und daß daher das wirksamste Mittel gegen Beunruhigung durch falsche Nachrichten in der schnellen Veröffentlichung authentischer Berichte aus dem österreichischen Hauptquartier bestehen würde.

Der Handelsminister erwähnte noch, daß der Unternehmer einer telegrafischen Korrespondenz zu London, Julius Reuter, sich zur schleunigsten Verbreitung von Nachrichten aus dem österreichischen Lager und zur Widerlegung der vielen lügenhaften Telegramme angeboten habe. Ritter v. Toggenburg habe ihm zu diesem Zwecke die tätigste Unterstützung zugesichert. Allein, die Hauptbedingung bliebe immer dabei, daß man hierorts fortlaufend im Besitz von neuen Nachrichten aus dem k.k. Hauptquartiere sei, || S. 15 PDF || und hiezu bedürfe es noch einer bleibenden Vorkehrung. aDa der Herr Minister des Inneren diese Angelegenheit in der nächsten Ministerkonferenz zur Sprache bringen werde, so erklärte der Finanzminister, alsdann erst seine Meinung aussprechen zu wollena Da der Herr Minister des Inneren diese Angelegenheit in der nächsten Ministerkonferenz zur Sprache bringen werde, so erklärte der Finanzminister , alsdann erst seine Meinung aussprechen zu wollen.2

II. Gestattung der Cabotage durch fremde Schiffe

Nach den bestehenden Vorschriften ist die Cabotage von einem österreichischen Hafen zum andern bloß den nationalen Schiffen vorbehalten3. Unter den gegenwärtigen Verhältnissen wird aber die Cabotage durch österreichische Schiffe nur in sehr beschränkter Ausdehnung betrieben werden können, während das Interesse der Küstenbevölkerung die tätige Fortsetzung der Cabotage dringend erheischt4. Der Handelsminister gedächte daher, der Zentralseebehörde die Ermächtigung zu erteilen, ausländischen Schiffen ausnahmsweise und für die Dauer der kriegerischen Verhältnisse die Cabotage an den österreichischen Küsten zu gestatten. Eine förmliche Kundmachung hierüber wäre jedoch im Interesse der österreichischen Reeder nicht zu erlassen.

Gegen diese Maßregel wurde von keiner Seite eine Erinnerung erhoben5.

III. Bewilligung für französische Schiffe, in unseren Häfen zu löschen

Der k. k. Generalkonsul in Marseille hat angezeigt, daß den in jenem Hafen von weiten Fahrten eintreffenden österreichischen Handelsschiffen, welche sich in der Unkenntnis von dem ausgebrochenen Krieg befinden, gestattet wird, ihre Ladung durch sechs Wochen daselbst zu löschen. Dieser Vorgang der französischen Regierung bestimmte die Zentralseebehörde, ein reziprokes Zugeständnis für die in unseren Häfen eintreffenden französischen Schiffe zu beantragen6.

Nach der Meinung des Handelsministers wären die Fälle des Eintreffens österreichischer Schiffer in Marseille mit dem Einlaufen französischer in unsere Häfen in Absicht auf die Unkenntnis vom ausgebrochenen Kriege gewiß nicht identisch. Der österreichische Schiffer, der von amerikanischen oder afrikanischen Häfen direkt nach Marseille kommt, kann dort von der Kriegsnachricht überrascht werden, während der französische Schiffer davon, bevor er ins Adriatische Meer segelt, wohl schon unterrichtet sein muß. Aus diesem Grunde und um allfälligen Spionagen vorzubeugen, würde der Handelsminister glauben, daß den französischen Schiffen das Einlaufen und Löschen in österreichischen Häfen unbedingt zu verweigern wäre. Der Finanzminister glaubt jedoch, daß dies in vielen Fällen eine Maßregel der Strenge gegen die eigenen Untertanen wäre, deren Eigentum unter der Ladung des französischen Kauffahrers befindlich ist. || S. 16 PDF || Baron Bruck könne daher nicht dafür stimmen. Auch der Minister des Äußern würde mit Hinblick auf den Vorgang in Marseille nicht alle französischen Kauffahrer unbedingt ausschließen, sondern diejenigen in unsere Häfen einlaufen lassen, aus deren Schiffspapieren sich ergibt, daß sie nach dem Laufe des Schiffs vom Ausbruche des Kriegs keine Kenntnis haben konnten.

Bei diesen Äußerungen der Vorstimme bund vorausgesetzt, daß auch militärischerseits zugestimmt werdeb, erklärte der Handelsminister , von seinem Standpunkte gegen den Antrag der Zentralseebehörde keinen Anstand erheben zu können7.

Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Wien, den 28. Mai 1859.