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Nr. 3 Ministerkonferenz, Wien, 21. Mai 1859 – Protokoll II - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Rechberg; BdE. und anw. (Rechberg 21./25. 5.), Bach 23. 5., Thun 23. 5., Toggenburg 24. 5., Bruck 24. 5., Nádasdy 24. 5., Kellner (Für Se. Exzellenz den Herrn Ersten Generaladjutanten Sr. Majestät des Kaisers) 22. 5., Hartmann (Für Se. Exzellenz den Herrn Chef der Obersten Polizeibehörde).

MRZ. – KZ. 1931 –

Protokoll II der zu Wien am 21. Mai 1859 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministers des kaiserlichen Hauses und des Äußern Grafen v. Rechberg.

I. Erläuterung des § 3 der Verordnung vom 11. Mai 1859 betreffend neutrale Schiffe

Über eine Anfrage des Militärkommandanten in Venedig FML. Grafen Wallmoden, ob der § 3 der Verordnung vom 11. Mai 1859, RGBL. Nr. 76, über die Offenlassung der sämtlichen österreichischen Handelshäfen für die neutralen Kauffahrteischiffe zum Behufe des erlaubten Verkehrs mit dem Auslande auch auf den k.k. Kriegshafen von Venedig Anwendung finde, glaubte der Handelsminister die Erledigung dahin beantragen zu sollen, daß unter den Handelshäfen alle dem Verkehr geöffneten Häfen verstanden werden und daß dort, wo militärische Dispositionen eine Beschränkung erheischen sollten, die Bestimmung hierüber dem betreffenden Militärkommandanten anheimgestellt sei.

Die Konferenz erklärte sich mit diesem Erledigungsantrage einverstanden1.

II. Behandlung der Beamten bei Verlegung der Ämter ins Innere bedrohter Landesteile

Der Präsident des Oberlandesgerichts in Triest hat bezüglich der etwa eintretenden Verlegung dieses Gerichts und des Landesgerichts nach Görz über die Ausführungsmodalitäten mehrere Anfragen gestellt, von denen zwei, nämlich, ob die nach Görz übersiedelten Gerichtsbeamten Anspruch auf Diäten haben und ob den zurückbleibenden angemessene Gehaltsvorschüsse angewiesen werden dürfen, das Einvernehmen mit dem Finanzminister erfordern. Der Justizminister glaubte dasselbe im kürzesten Wege durch Vortrag des Gegenstands in der Konferenz ermitteln zu können. Nachdem jedoch der Finanzminister erklärt hatte, daß diese Frage der Konsequenzen wegen prinzipiell aufgefaßt, daher der schriftlichen Verhandlung vorbehalten werden müsse, verstand sich der Justizminister dazu, die bezüglichen Akten an den Finanzminister zu leiten2.

|| S. 10 PDF || Bei diesem Anlasse bemerkte der Minister des Inneren , daß er in Ansehung der Verlegung der k. k. politischen Behörden in den vom Feinde bedrohten Landesteilen ins Innere die Weisung erteilt habe, daß diese nur im äußersten Notfalle und nach den zwischen dem politischen Landeschef und dem Militärkommandanten vereinbarten Dispositionen zu geschehen habe. Es sei zu wünschen, daß sich hiernach auch die übrigen Behörden zu benehmen und nach den Weisungen des Landeschefs zu richten hätten3. Von Seite der Obersten Polizeibehörde ist, wie der Sektionschef FML. Hartmann versicherte, eine solche Weisung an die ain den mutmaßlich bedrohten Provinzen befindlichena Polizeibehörden bereits ergangen4. bDer Finanzminister erklärt, daß er den ihm unterstehenden Behörden in den vom Feinde bedrohten Landesteilen die Weisung gegeben habe, bei Invasionen, durch welche voraussichtlich nur zeitweilig kleine Gebiete oder Städte besetzt würden, sich ganz zurückzuziehen und alles das mitzunehmen, was weggeschleppt werden könne, wenn es sich aber um dauernde Okkupation ganzer Gebiete oder Länder des Reichs handeln würde, sich mit den Länderchefs im Einvernehmen mit den politischen Behörden über die anzuordnenden Maßregeln einzuverstehen und darnach zu handelnb Der Finanzminister erklärt, daß er den ihm unterstehenden Behörden in den vom Feinde bedrohten Landesteilen die Weisung gegeben habe, bei Invasionen, durch welche voraussichtlich nur zeitweilig kleine Gebiete oder Städte besetzt würden, sich ganz zurückzuziehen und alles das mitzunehmen, was weggeschleppt werden könne, wenn es sich aber um dauernde Okkupation ganzer Gebiete oder Länder des Reichs handeln würde, sich mit den Länderchefs im Einvernehmen mit den politischen Behörden über die anzuordnenden Maßregeln einzuverstehen und darnach zu handeln.5 Nach der Bemerkung des Handelsministers kommt es jedoch auch darauf an, eine Vorsorge zu treffen, daß Lokalämter, wie z.B. Hafen-, Sanitäts- und Postämter im Falle einer feindlichen Okkupation nicht plötzlich von ihren Beamten verlassen und mit ihrem Materiale schutzlos preisgegeben werden, und daß die dabei Angestellten, wenn sie – gegen die natürliche Neigung zu einer vorzeitigen Flucht – bis zur Übergabe des Amts an eine andere Autorität auf ihrem Posten ausharren, nicht den Folgen einer vermeintlichen Untreue gegen ihren legitimen Landesherrn ausgesetzt seien. In diesem Sinne hat daher der Handelsminister auch an die betreffenden Ämter eine Weisung erlassen6. Gleichwohl erachtete der Minister des Inneren , daß diese Weisung mit derjenigen, welche er an die politischen Behörden erlassen, in Einklang zu setzen wäre, damit überall ein gleichmäßiger Vorgang stattfinde. Der Landeschef im Einvernehmen mit dem Militärkommandanten bestimmt nach Maßgabe der Umstände den Zeitpunkt, wann die Funktion der legitimen lf. Behörden aufzuhören hat; ist dieser Zeitpunkt eingetreten, so übernimmt die Lokalgemeinde ihre Funktionen, und der lf. Beamte, wenn er auch im Orte bleibt, kann dem Feinde nicht mehr dienen. Dies anerkannten auch die übrigen Stimmen der Konferenz und der tg. gefertigte Vorsitzende , welcher übrigens die Bemerkung beifügte, daß der lf. Beamte auf seinem Posten so lange zu verharren habe, bis er der physischen Gewalt weichen muß, alsdann aber auch keine Funktion mehr in dem vom Feinde okkupierten Teile ausüben dürfe7.

III. Grundplan der Wiener Stadterweiterung

Der Minister des Inneren referierte über den Plan der Erweiterung der Stadt Wien.

Derselbe (Beilage 1)c wurde auf Grundlage des Ah. Kabinettschreibens vom 20. Dezember 1857, der Ah. Entschließung vom 25. Dezember 1858 und des Ah. Kabinettsschreibens vom 28. März 1859 von einer aus Abgeordneten der betreffenden Zentralstellen und Kunstverständigen zusammengesetzten Kommission ausgearbeitet und in dem Motivenberichte (Beilage 2)d begründet. Der Minister des Inneren, welcher denselben sämtlichen Konferenzmitgliedern zur vorläufigen Einsicht und Prüfung mitgeteilt hatte, glaubte ihn der Ah. Genehmigung Sr. Majestät empfehlen zu dürfen8.

Im allgemeinen erklärte sich die Konferenz damit einverstanden. Bezüglich des Details wurden folgende Bemerkungen gemacht: vom Finanzminister 1. daß die Anbringung der Verpflegsbäckerei in der beantragten Defensionskaserne rechts vom Schottentore am Donaukanal9 bei der niederen Lage derselben durch den mit ihrem Betriebe verbundenen fortwährenden Rauch zur großen Belästigung der künftigen Bewohner dieses ganzen Stadtteils gereichen würde, daß es daher sehr zu wünschen wäre, dieses Etablissement an einen anderen Ort zu verlegen. eDies sei umso mehr angezeigt, als sonst dieser Kaserne ein Umfang [werde] und daher eine Baukostensumme erreichen werde, der viele Millionen verschlingen würde, wie es bei der Franz-Joseph-Kaserne der Fall gewesene .10 FML. Freiherr v. Kellner machte zwar bemerklich, daß die Belästigung wohl nicht so groß sein werde, nachdem über die seit so langer Zeit im Innern der Stadt im Zeughause unmittelbar an der Elendbastei bestehende Militärbäckerei keine Klagen vorgekommen sind11. Indessen, versetzte der Minister des Inneren , ist dieser Gegenstand bei der Abfassung des Grundplans nicht speziell erörtert worden, er kann also, da er die innere Verwaltung betrifft, einer nochmaligen besonderen Verhandlung vorbehalten werden, und zwar umso mehr, als einerseits mit dem Auflassen der Befestigungswerke der Stadt die Notwendigkeit eines solchen Etablissements im Innern derselben hinwegfällt, und andererseits die Verlegung der Bäckerei vor die Linie etwa in die Nähe des Arsenals nicht nur jenen Stadtteil, welcher sehr belebt und ein Hauptknotenpunkt des Verkehrs zu werden verspricht, von der unleugbaren Belästigung durch den || S. 12 PDF || Rauch befreien, sondern auch die Militärverwaltung in die Lage versetzen würde, ein allen Bedürfnissen und Beziehungen entsprechendes größeres Etablissement herzustellen und den in der Kaserne gewonnenen Raum für andere Zwecke zu verwenden.

Hiernach wurde beschlossen, Se. Majestät zu bitten, daß die Frage wegen der Militärbäckerei offen gelassen und bei der Beratung über den Kasernbau selbst nochmals in Verhandlung genommen werden dürfe.

2. Schienen dem Finanzminister die Wachthäuser mitten auf den Hauptstraßen bei dem Bestande der Kasernen entbehrlich und in ästhetischer Beziehung anstößig zu sein. Wachen können ja, wenn sie schon für notwendig erkannt werden, in den zunächst gelegenen Häuserkarrees untergebracht werden.

Hierüber bemerkte jedoch FML. Freiherr v. Kellner , daß er auf der Beibehaltung der Wachthäuser auf den im Plane bemerkten Punkten unbedingt bestehen müsse, weil es nach dem Aufgeben von elf Torwachen zur Erhaltung der Ordnung und Sicherheit unerläßlich ist, außer den ohnehin ziemlich weit auseinander gelegenen Kasernen einige feste Punkte zu haben, wo Militärmannschaft untergebracht ist, um in dringenden Fällen den Patrouillen- und Assistenzdienst besorgen und insbesondere zum Schutze der k. k. Hofburg den Zuzug aus den Kasernen freihalten zu können. Zu diesem letzteren Zwecke ist es erforderlich, daß diese Wachthäuser auch freistehen, also nicht in anstoßende Häusergruppen verlegt werden, damit sie die Straßen nach allen Richtungen hin bestreichen können. Bei der ansehnlichen Breite der Plätze, auf welche die Wachthäuser zu stehen kommen sollen, ist eine Störung der Kommunikation nicht zu besorgen, und in ästhetischer Hinsicht wird man bedacht sein, ihnen eine gefällige Form zu geben. Der Justizminister und der Sektionschef der Obersten Polizeibehörde FML. Hartmann , der die Wichtigkeit dieser Wachthäuser für die schnelle Abtuung vereinzelter Polizeiexzesse hervorhob, erklärten sich mit dem FML. Freiherrn v. Kellner einverstanden.

3. erklärte sich der Finanzminister gegen die Verengung der Ringstraße vom Schottentor an gegen den Donaukanal zu als einen Übelstand und als eine Abweichung vom ursprünglichen Programm, welches die Idee einer vollkommen gleichen, bis 40 Klafter breiten Ringstraße als der schönsten Zierde der neuen Stadt festhielt. fDie Breite der Ringstraße sei ganz richtig nach seinem ursprünglichen Antrage auf 30 Klafter vermindert worden; sie aber in diesem Teilef zu verkümmern, würde den Verkehrs- und ästhetischen Rücksichten wenig entsprechen. Es wäre daher jener Teil ebenfalls auf 30 Klafter Breite anzulegen, wobei darauf Rücksicht genommen werden könnte, die eine Front des neuen Stadthauses in die Linie der Ringstraße einzubeziehen.

Mit der Erweiterung dieses Teils der Ringstraße auf 30 Klafter waren der Justizminister und FML. Hartmann einverstanden. Die übrigen Stimmen waren für die Beibehaltung des ursprünglichen Antrags nach dem Plane, weil die Verengung dieses Straßenteils, wie der Minister des Inneren bemerkte, durch die Freilassung eines Raumes von 100 Klafter nächst der Kaserne hinlänglich kompensiert werden dürfte.

Die weiteren Bemerkungen des Finanzministers 4. über die Beseitigung des nächst dem Palais Sr. k. k. Hoheit des Herrn Erzherzogs Albrecht durch die beantragte Rampe || S. 13 PDF || sich bildenden Hohlwegs sowie 5. des grünen Angers als Umgebung der Votivkirche im gotischen Stile, endlich 6. wegen Verlegung der Weinhalle vom Schotten- gegen das Stubentor wurden nach dem Antrage des Ministers des Inneren der weiteren Erörterung bei der Ausarbeitung der diesfälligen Detailpläne vorbehalten, desgleichen 7. die Bemerkungen des Kultus - und des Handelsministers , daß die vielen kleineren Häusergruppen an der Ringstraße, von denen manche nicht mehr als 23 Klafter Tiefe haben, die Entfaltung einer glänzenden Architektonik nicht zulassen, also durch Zusammenziehung in größere Gruppen zu beseitigen wären. 8. Ferner wünschte der Kultusminister, daß dem Übelstande des Auslaufens der breiten Straße vor dem ehemaligen Kärntnertor in die enge alte Kärntnerstraße durch die Anlegung eines durch angemessene Gebäude abzuschließenden Platzes vor der letzteren begegnet und 9. die Räume zwischen den Kolowrat- und Schwarzenberg’schen Palästen nicht verbaut, sondern zu Gartenanlagen verwandt werden möchten, wogegen jedoch der Minister des Inneren unter Vorbehalt der weiteren Würdigung des Antrags sub 8. bei der Detailausarbeitung ad 9. entgegnete, daß, nachdem nicht mehr als 100.000 Klafter zur Verbauung kommen, der bemerkte Platz davon nicht wohl mehr ausgeschlossen werden könne. Über die Bemerkungen des FML. Freiherrn v. Kellner endlich, daß nach den ursprünglichen Ah. Bestimmungen die Räume zwischen dem Burgtor und dem Hofstallgebäude ganz frei zu lassen und die k. k. Hofburg fortifikatorisch abzuschließen sei, im vorliegenden Plane nicht entsprochen worden, bemerkte der Minister des Inneren , daß die diesfällige Abweichung auf nachträglicher Ah. Genehmigung beruhe12, übrigens bezüglich der Schließung der k. k. Burg bei der Detailbearbeitung einer nochmaligen Erörterung unterzogen werden könne13.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, 1. September 1859.