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Nr. 514 Ministerkonferenz, Wien, 10. Mai 1859 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Buol-Schauenstein; BdE. und anw. (Buol 10. 5.), gesehen Bach 12. 5., gesehen Thun 12. 5., Toggenburg, Bruck, gesehen Kempen 12. 5., Nádasdy 12. 5., Kellner (BdE. fehlt).

MRZ. – KZ. 1719 –

Protokoll der zu Wien am 10. Mai 1859 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministers des kaiserlichen Hauses und des Äußern Grafen v. Buol-Schauenstein.

I. Vertretung des Chefs der Obersten Polizeibehörde in den Ministerkonferenzen

Der tg. gefertigte Vorsitzende brachte zur Kenntnis der Konferenz den Inhalt des Ah. Kabinettschreibens vom 9. Mai 1. J., womit der Chef der Obersten Polizeibehörde ermächtigt wird, sich in Verhinderungsfällen bei den Ministerkonferenzen durch den Sektionschef FML. Georg Hartmann vertreten zu lassen1.

II. Verbot der Ausfuhr von Roheisen nach Serbien

Nachdem laut einer Eröffnung des Chefs der Obersten Polizeibehörde an den Minister des Äußern die serbische Regierung gegenwärtig bedeutende Rüstungen veranstaltet und namentlich zur Herstellung von Geschützmunition erhebliche Quantitäten von Roheisen aus Österreich zu beziehen beabsichtigt, schien es unter den gegenwärtigen bedenklichen politischen Verhältnissen den beiden obgenannten Chefs angemessen, im Nachhange zu dem bereits bestehenden Waffenausfuhrverbote2 auch das Verbot der Ausfuhr von Roheisen nach Serbien zu erlassen.

Der tg. Gefertigte erbat sich daher hierzu die Zustimmung der Konferenz, welche sofort auch in der Rücksicht erteilt wurde, daß, wie der Handelsminister bemerkte, hievon eine wesentliche Benachteiligung der inländischena Eisengewerken nicht zu besorgen sei. Der Handelsminister wurde eingeladen, die diesfalls erforderliche Verordnung der einschlägigen Zentralstellen auszufertigen3.

III. In betreff der Anerkennung der neuen Siegel der Regierung der Donaufürstentümer

Bekanntlich hat die k. k. Regierung, festhaltend an den Stipulationen des letzten Pariser Friedenskongresses4, den seither versuchten Bestrebungen einer faktischen Union der beiden Donaufürstentümer in Übereinstimmung mit dem eigenen Suzerän die Anerkennung versagt5. Es wurden demgemäß die k. k. Agenten in der Walachei und Moldau angewiesen, Ausfertigungen der dortigen Landesbehörden mit dem neuen Siegel „Vereinigte Fürstentümer der Moldau und Walachei“ nicht anzunehmen6. Man antwortete darauf mit der Verweigerung der ferneren Anerkennung der Jurisdiktion, welche den k. k. Agentien über die in den Fürstentümern sich aufhaltenden österreichischen Untertanen traktatenmäßig zusteht7.

Unter diesen Umständen würde nun zwar die Einstellung aller Beziehungen zwischen den k. k. Agenten und der faktischen, eigentlich revolutionären Regierung der Fürstentümer gerechtfertigt sein und nichts erübrigen, als die k. k. Untertanen unter den Schutz des königlich preußischen Konsulats zu stellen8. Allein, das Interesse der österreichischen Untertanen in den Fürstentümern widerrät diesen äußersten Schritt und macht einen vermittelnden Ausweg wünschenswert, um ohne Beeinträchtigung des von der k. k. Regierung bisher festgehaltenen Prinzips ihren dortigen Untertanen die traktatenmäßigen Privilegien zu erhalten.

Der tg. gefertigte Minister des Äußern erbat sich daher die Wohlmeinung der Konferenz, ob nicht, nach etwaiger vorläufiger Anfrage bei der Ottomanischen Pforte, einstweilen und bis zur Austragung der Donaufürstentümerangelegenheit auf dem durch die Kriegserklärung abgebrochenen Kongresse9 über die gewählte Siegelumschrift hinausgegangen werden könnte.

Nachdem es sich um wichtige Rechte und Interessen der zahlreichen, in den Fürstentümern befindlichen k. k. Untertanen handelt, deren Vertretung, wie der Handelsminister bemerkte, einem fremden Konsulate schon um der Masse der damit verbundenen Geschäfte und der Unbekanntschaft mit unserer Gesetzgebung willen ohne Beibehaltung der k. k. Agentiebeamten nicht anvertraut werden könnte, vereinigte sich die Konferenz in dem Antrage des Gefertigten, die k. k. Agentien anzuweisen, daß || S. 327 PDF || sie, einstweilen und salvo principio, Ausfertigungen der dortigen Behörden mit dem neuen Siegel annehmen, wovon gleichzeitig die Pforte mit dem Vorbehalte in die Kenntnis zu setzen wäre, daß hierdurch weder ihren, noch den Rechten der k. k. Regierung in bezug auf die definitive Regelung der Fürstentümerfrage vorgegriffen werden wolle10.

IV. Patriotische Spende des Erzbischofs von Agram

Der Kultusminister brachte zur Kenntnis der Konferenz, daß der Erzbischof von Agram mit einer Ergebenheitsadresse Sr. Majestät 35.000 fr. in Obligationen und 3000 fr. in Silber zur Verfügung gestellt habe, über deren Widmung sich der Minister die Ah. Schlußfassung erbitten wird11.

Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Wien, den 14. Mai 1859.