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Nr. 487 Ministerkonferenz, Wien, 5. und 8. Februar 1859 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • Sammelprotokoll; RS.; P. Marherr; VS. Buol-Schauenstein; BdE. und anw. (Buol 8. 2.), Bach 9. 2., Thun, Toggenburg, Bruck, Nádasdy, Für Se. Exzellenz den Herrn Ersten Generaladjutanten Sr. Majestät Kellner; abw. Kempen.

MRZ. – KZ. 458 –

Protokoll der zu Wien am 5. und 8. Februar 1859 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministers des kaiserlichen Hauses und des Äußern Grafen v. Buol-Schauenstein.

[I.] Verbot der Einführung religiöser Sekten

Das wiederholte Erscheinen einer religiösen Sekte unter dem Namen „Neu-Jerusalem“ in Wien gab die Veranlassung zu einer Verordnung, womit der Bestand derselben ausdrücklich verboten wurde1. Sie tauchte aber unter dem veränderten Namen „Nazaräer“ im Ofener Verwaltungsgebiete und in der Woiwodina auf, und während sie die Statthalterei in dem letztern Kronlande auf Grundlage der obigen Verordnung unterdrückte, nahm man im Ofener Verwaltungsgebiete Anstand, gegen diese Sekte nach den Bestimmungen jener Verordnung vorzugehen, weil letztere nur wider die „Neu-Jerusalem“ genannte Sekte gerichtet ist.

Dies führte den Kultusminister zu der Überzeugung von der Notwendigkeit eines allgemeinen Verbotes solcher Genossenschaften. Er setzte sich daher mit den Ministerien des Inneren und der Justiz, dann mit der Obersten Polizeibehörde hierwegen ins Einvernehmen, aus welchem nachstehender Entwurf einer Verordnung der genannten Zentralstellen mit dem Kultusministerium, wirksam für alle Kronländer mit Ausnahme der Militärgrenze, hervorging:

„Wer eigenmächtig eine Religionsgesellschaft, welche von der Staatsverwaltung nicht ausdrücklich anerkannt oder zugelassen ist, stiftet oder zu stiften versucht, zu diesem Zwecke Bekenner anwirbt, Vorträge hält oder veröffentlicht, Versammlungen veranstaltet oder denselben beiwohnt, oder was immer für eine dahin abzielende Handlung unternimmt, begeht dadurch, insoweit seine Handlungsweise nicht schon nach dem Strafgesetze als strafbar erscheint, eine Übertretung, welche nach Maßgabe der Verordnung vom 30. September 1857 (RGBL. Nr. 198)2 zu behandeln ist.“

|| S. 214 PDF || Dieser Entwurf wurde von der Konferenz einstimmig mit der vom Kultusminister selbst vorgeschlagenen Modifikation angenommen, daß statt der etwas zu beschränkten Bestimmung „Wer etc. stiftet oder zu stiften versucht“ die umfassendere Bezeichnung „Wer etc. einführt oder einzuführen versucht“ gewählt werde. In der Überschrift der Verordnung würde es dann statt „Stiftung“ ebenfalls „Einführung“ zu lauten haben.

Belangend den Umfang der Wirksamkeit dieser Verordnung bemerkte der Minister des Inneren, daß sich dieselbe, wie in den früheren Entwürfen schon angetragen war, auf das ganze Reich erstrecken sollte, weil wohl auch in der Militärgrenze gegen eine etwa dort zum Vorschein kommende derlei Sekte gleichmäßig wie in den übrigen Kronländern vorgegangen werden müßte.

Nachdem jedoch hierwegen vorerst das Einvernehmen mit dem Armeeoberkommando zu pflegen ist, so wurde der Generaladjutant Sr. Majestät FML. Freiherr v. Kellner eingeladen, im kurzen Wege die Zustimmung der genannten Zentralstelle zur Ausdehnung der Verordnung auf die Militärgrenze zu vermitteln.

In der Sitzung vom 8. Februar 1859 brachte der FML. Freiherr v. Kellner dievollständige Zustimmung des Armeeoberkommandos beziehungsweise der Militärzentralkanzlei Sr. Majestät zu obiger Verordnung mit dem Bemerken im Vortrag, daß hiernach in der Überschrift bei den einvernommenen Zentralstellen des Armeeoberkommandos oder der Militärzentralkanzlei Sr. Majestät Erwähnung zu machen und der Passus „mit Ausnahme der Militärgrenze“ wegzulassen sei3.

Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Wien, den 1. April 1859.