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Nr. 475 Ministerkonferenz, Wien, 4. Dezember 1858 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Buol-Schauenstein; BdE. und anw. (Buol 4. 12.), gesehen Bach 6. 12., Thun 6. 12., Toggenburg, Bruck 7. 12., gesehen Kempen 7. 12., Nádasdy 8. 12., Für Se. Exzellenz den Herrn Ersten Generaladjutanten Sr. Majestät Kellner 8. 12.

MRZ. – KZ. 4971 –

Protokoll der zu Wien am 4. Dezember 1858 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministers des kaiserlichen Hauses und des Äußern Grafen v. Buol-Schauenstein.

I. Revers und Beeidigung der Advokaten wegen Nichtbeteiligung an geheimen Gesellschaften

Der Justizminister referierte über die Anfrage des Mailänder Oberlandesgerichtspräsidenten, ob die Ah. Entschließung vom 10. September 1858, KZ. 2017, wegen Nichtbeteiligung der k. k. Beamten an geheimen Gesellschaften1 auch auf Advokaten und Notare auszudehnen sei.

Nachdem diese Ah. Entschließung ausdrücklich nur von Staatsbeamten spricht, worunter weder die Advokaten noch die Notare gehören, so glaubte der Justizminister eine Ausdehnung der diesfälligen Ah. Anordnung nicht veranlassen und diese seine Ansicht mit Beziehung auf die Konferenzberatung vom 8. Mai 1858 ad III, KZ. 1718, in der Konferenz aussprechen und mittelst au. Vortrags zur Kenntnis Sr. Majestät bringen zu sollen.

FML. Freiherr v. Kellner war zwar der Meinung, daß dieser Anlaß benützt werden dürfte, die Frage, ob Advokaten und Notare nicht neuerdings, wie bereits vor dem Jahre 1848 der Fall gewesen, zur Ausstellung des Reverses und Ablegung des Eides verhalten werden, daß sie mit keiner geheimen Gesellschaft in Verbindung stehen noch sich in eine solche einlassen werden, im Interesse des Staates in Verhandlung zu nehmen, weil der Präsident Beretta, als ein Ehrenmann und treuer Anhänger der Regierung bekannt, bei seiner Bekanntschaft mit den Gesinnungen der Advokaten und Notare in seinem Sprengel ohne Zweifel triftige Gründe für die Wiederherstellung jener Vorschrift gehabt haben muß, wenn er sich eine Anfrage über einen durch den Wortlaut der Ah. Entschließung bereits gelöste Angelegenheit erlaubte.

Allein, die Mehrheit der Konferenz, obwohl sie in merito kein Bedenken gegen die Ausdehnung der Ah. Vorschrift auf Advokaten und Notare fände, schloß sich in formali der Ansicht des Justizministers an, indem schon in dem ursprünglichen, der ganzen Verhandlung zum Grunde liegenden Ah. Befehle vom 20. Jänner 1858 2 nur von Beamten und Lehrern die Rede war und die Ah. Entschließung vom 10. September, obwohl in dem Vortrage vom 22. Mai auch anderer öffentlicher Funktionäre erwähnt wird, sich lediglich auf die Staatsbeamten beschränkt, die Einbeziehung der Lehrer und Geistlichen einer besonderen Verhandlung vorbehaltend.

|| S. 150 PDF || Selbst in merito würde der Justizminister sich jetzt schon gegen die Ausdehnung der vielbelobten Ah. Vorschrift auf Advokaten und Notare erklären, weil er sich davon keinen wesentlichen Nutzen verspricht. Auch der tg. Vorsitzende teilte diese letztere Ansicht. Je mehr man in den Klassen herabsteigt, welche man der Vorschrift unterwerfen will, desto unwirksamer wird sie sich darstellen. Sie mag ihr Gutes haben, wenn leichtsinnige, aber sonst wohlgesinnte Individuen an eine bestehende allgemeine Verpflichtung noch insbesondere und unter Verhaltung der gesetzlichen Folgen ihrer Übertretung erinnert werden, oder wenn es sich um die Verbindung mit einer Verbrüderung handelt, die, wie z. B. der Freimaurerorden, in anderen Staaten zugelassen, in Österreich aber nicht anerkannt ist. Bei Individuen dagegen, welche sich mit einer den Umsturz der Throne bezweckenden Verbindung eingelassen haben oder einlassen wollen, wird die Abforderung des Reverses oder die Leistung des Eides keinen Grund abgeben, sich von der Verbrüderung loszumachen oder ihr nicht beizutreten, weil man versichert sein kann, daß ihnen von den Oberen einer solchen Gesellschaft der Bruch eines dem rechtmäßigen Landesfürsten geleisteten Eides oder eidlichen Versprechens nicht nur im vorhinein verziehen, sondern sogar als ein verdienstliches Werk werde angerechnet werden3.

II. Diplomatische Kommission in Mailand für den Monte Napoleone

Mit Ah. Entschließung vom 28. Mai 1858 geruhten Se. Majestät dem Finanzminister aufzutragen, im Einvernehmen mit dem Minister des Äußern und nach Beratung in der Ministerkonferenz sich zu äußern, 1. ob und welche Schritte geschehen seien, um die Wirksamkeit der diplomatischen Kommission in Mailand wieder zu beginnen, 2. welche Hindernisse der Wiederaufnahme der Tätigkeit derselben entgegenstanden, 3. welche Verfügungen getroffen worden, und 4. welche zu treffen seien, um die Liquidierung der Schulden des Monte Napoleone und deren Verteilung auf die einzelnen italienischen Staaten zum Abschluß zu bringen4.

Nachdem die Wirksamkeit der diplomatischen Kommission seit ihrem Bestande bis zu ihrer faktischen Auflösung im Jahre 1848 an der beharrlichen Weigerung der beteiligten italienischen Regierungen, die von den k. k. Kommissären geltend gemachten Forderungen zu einer gemeinsamen Verteilung der Administrationspassiven anzuerkennen, gescheitert und von einer Wiederherstellung derselben, vorderhand wenigstens, ein anderes Resultat nicht zu erwarten ist, so glaubte der Finanzminister einstimmig mit dem Minister des Äußern auf eine Reaktivierung dieser Kommission nicht antragen zu sollen.

|| S. 151 PDF || Die Konferenz fand hierüber nichts zu erinnern. Hiernach wurde der auch die historischen Daten zur Beantwortung der Fragepunkte 1–3 enthaltende Vortrag des Finanzministers an Se. Majestät erstattet5.

III. Subskription für den Suezkanal betreffend

Der tg. gefertigte Minister des Äußern brachte die Frage zur Sprache, ob nicht aus Anlaß der angekündigten Subskription für den Suezkanal eine Warnung des inländischen Publikums vor der Beteiligung daran mittelst der öffentlichen Blätter zu erlassen sei, nachdem das ganze Unternehmen, zu welchem die Konzession der Pforte nicht erteilt, das von keiner Regierung unterstützt und laut der neuesten Nachrichten aus Alexandrien selbst vom Vizekönige von Ägypten desavouiert worden ist, den Charakter einer Schwindelei an sich trägt6.

Der Handelsminister bemerkte hierüber im Einverständnisse mit dem Finanzminister, daß dies wohl nicht der Fall sein könne, weil die Subskription in Frankreich einen so rapiden Fortgang genommen hat, daß fast von dort allein das ganze Anlagekapital gedeckt wurde. Es scheine also dort wenigstens eine Unterstützung des Unternehmens von Seite der Regierung stattgefunden zu haben. Was aber die vizekönigliche Regierung bewogen habe zu erklären, v. Lesseps handle nicht als Mandatar derselben, scheint lediglich darauf zu beruhen, daß sich dieselbe die für sich vorbehaltenen 40 Millionen auch für den Fall gesichert wissen will, daß durch die anderen Subskribenten das Kapital ganz gedeckt werden sollte. Nachdem übrigens der Termin zur Subskription bereits mit 30. November abgelaufen ist, so wäre eine Warnung des inländischen Publikums, das sich ohnehin ziemlich teilnahmslos dabei verhalten hat, nicht mehr an der Zeit, aso wie sie auch niemals nötig war, da eine förmliche Subskriptionsausschreibung in Österreich nie stattgefunden hara,7.

Unter diesen Umständen erachtete die Konferenz, daß eine öffentliche Erinnerung über die Enthaltung von der Beteiligung an dieser Subskription zu entfallen hätte, wobei übrigens der Minister des Inneren noch bemerkte, daß nach den bestehenden Vorschriften die Ausschreibung von Subskriptionen für ausländische Unternehmungen im Inlande nur mit besonderer Bewilligung der Regierung stattfinden darf, was in Hinkunft für ähnliche Fälle zur Richtschnur zu dienen hätte.

Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Wien, 30. Dezember 1858.