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Nr. 474 Ministerkonferenz, Wien, 9. November 1858 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Ransonnet; VS. Kaiser; BdE. und anw. (Buol 9. 11.), gesehen Bach 17. 11., Thun 17. 11., Toggenburg, Bruck 12. 11., Grünne, gesehen Kempen 14. 11., Nádasdy 15. 11.

MRZ. – KZ. 12 –

Protokoll der am 9. November 1858 unter dem Ah. Vorsitze Sr. k. k. apost. Majestät abgehaltenen Konferenz.

I. Übergang zur neuen Währung

Se. Majestät der Kaiser geruhten die Frage zur Beratung zu bringen, ob und welche besonderen Maßregeln dermal noch zu ergreifen wären, um den Übergang von der alten zur neuen österreichischen Währung zu erleichtern und manchen damit verbundenen Unzukömmlichkeiten zu steuern1.

Der Finanzminister setzte hierauf auseinander, daß nach seiner Überzeugung dermal keineswegs ein Mangel, sondern vielmehr ein Übermaß von Scheidemünzen vorhanden sei. Es sind nämlich in Umlauf: 25 Millionen Gulden in 6 Kreuzer, und 5 Millionen Gulden in 5 und 3 Kreuzerstücken; an Kupfermünze der alten Währung: 7,600.000 fl. Aus dem Umlaufe seien nur 900.000 fl. in 3 und ¼ Kreuzer Konventionsmünze, in Wiener Währung und Centesimi gezogen worden. An Neukreuzern seien 120 Millionen Stück ausgegeben worden, was 4 Kreuzer für jeden Kopf der Bevölkerung des Kaiserreiches macht. Von den Kassen in Wien wurde so viel ausgegeben, daß man 10 Stück für den Kopf der hiesigen Bevölkerung rechnen kann. In allen Münzstätten wird noch fortwährend, Tag und Nacht, geprägt. Ein neues Zirkulationsmittel wird dem Verkehr durch Emittierung von 10 Millionen Gulden in silbernen 25 Neukreuzerstücken geschaffen.

Daß sich in den ersten Tagen einige Schwierigkeiten ergeben haben, kann nicht befremden; man war darauf gefaßt. Nie und nirgends habe sich eine Valutaänderung mit einem Schlage durchführen lassen. Die Schwierigkeiten der gegenwärtigen, hoffentlich kurzen Übergangszeit würden durch die großen Vorteile und insbesondere durch die mit überraschender Schnelle herbeigeführte Wiederherstellung des Parikurses der Banknoten im reichlichsten Maße überwogen. Heute habe die Nationalbank faktisch ihre Barzahlungen wiederaufgenommen, indem sie die alten Noten à 1000 f. Konventionsmünze gegen neue in österreichischer Währung einlöst, welche jederzeit gegen neue Silbermünze al pari umgewechselt werden können. Dies sei ein großer Schritt, bei dem der im Ah. Patente festgesetzte Termin um mehr als sieben Monate antizipiert wurde. Auf diesem Wege werden Massen neuer Silbermünzen und Banknoten in das Publikum kommen.

|| S. 145 PDF || Die Ausfolgung von Silber gegen 2-3 % Agio von Seite der Nationalbank sei bloß auf dringendes Bitten der Parteien in der guten Absicht geschehen, aum den Anforderungen des Publikums nach Silber auf eine billigere Weise als bei den Geldwechslern zu entsprechen und die Agiotage zu brechena . Gleichwohl war es ein Mißgriff, den der Finanzminister gleich am folgenden Tage abgestellt hat2. Der unleugbare momentane üble Eindruck wird aber durch die Aufnahme der Barzahlung bereits vollständig beseitigt sein.

Der Minister des Inneren bemerkte, die Devalvierung der älteren Münzen setze eigentlich die Möglichkeit voraus, sie sofort gegen neue umzutauschen; dieser Umtausch werde sich aber hier nur sehr allmählig realisieren lassen. Die Mißstimmung finde darin eine weitere Nahrung, daß der gemeine Mann bei seinen Kreuzern etc. etwas verloren hat, während die alten Noten nicht devalviert, sondern auch jetzt selbst bis zum Parikurs gehoben sind. Damit die dekretierte Einführung der neuen Währung eine Tatsache werde, scheine es dem Minister des Inneren nötig, noch eine weitere Maßregel zu ergreifen, um die neue Währung dem großen Publikum in dessen verschiedenen Rangstufen zuzuführen, und dies wäre die Auszahlung der Gehalte, Militärgagen, Löhnungen etc. in österreichischer Währung. Die Einlösung der großen Banknoten sei allerdings ein großer und folgenschwerer Schritt im Interesse des öffentlichen Kredits; allein, er habe nicht die schleunigste Verbreitung des neuen Geldes in allen Verkehrskanälen zur Folge, wie sie durch die oben angedeutete Maßregel erreicht würde.

Der Erste Generaladjutant Sr. Majestät Graf Grünne pflichtete der Meinung des Ministers Baron Bach bei.

Der Handelsminister bemerkte, es sei der Übergang zur neuen Valuta allerdings mit Verlusten für die Bevölkerung verbunden gewesen; allein, dies war nicht zu umgehen. In ähnlicher Weise haben auch die Schweizer sich Verluste gefallen [lassen] müssen, als die Eidesgenossenschaft vor wenig Jahren zu einem einheitlichen Münzsysteme überging3. Jedenfalls müsse man wünschen, wenigstens die alte Kupfermünze bald aus dem Verkehr gezogen zu sehen, nachdem die Sechser wohl noch einige Jahre lang werden in Umlauf bleiben müssen. Er sehe nicht ab, daß man in dieser Angelegenheit dermal noch mehr tun könne.

Dies wurde auch vom Kultusminister anerkannt.

Der Finanzminister glaubte auf die vom Minister des Inneren vorgeschlagene Maßregel dermal nicht eingehen zu können. Die Wiederaufnahme der Barzahlungen von Seite der Nationalbank sei eine Maßregel von so großer Wichtigkeit und so delikater Natur, daß mit der Emission neuer Noten und Silbergeldes nur Schritt für Schritt und mit der größten Vorsicht zu Werke gegangen werden könne. Derlei außerordentliche Maßregeln, wie die vorgeschlagene, könnten leicht die finanziellen Kombinationen in gefährlicher Weise beirren, und er müsse daher Se. Majestät in tiefster Ehrfurcht dringend bitten, das ganze Geschäft ausschließend in seiner Hand Ag. zu belassen.

|| S. 146 PDF || Auf die von Sr. Majestät Ah . gestellte Frage, ob sich nichts tun lasse, um den seit 1. November eingetretenen Preissteigerungen der Lebensbedürfnisse zu begegnen, äußerte der Finanzminister , daß diese Steigerung größtenteils durch die Ungewißheit über die Bedeutung und Wirkung der neuen Münzverhältnisse hervorgerufen wurde und dieselbe bei mehreren Artikeln bereits wieder verschwunden sei. Ruhigere Erwägung und die Konkurrenz der Verkäufer werde das übrige wohl bald wieder in das rechte Geleise bringen. Ja, die kleinere Einheit des Neukreuzers sei der wohlfeileren Anschaffung kleiner Quantitäten günstig4.

II. Arbeitseinstellung bei großen Eisenwerken

Se. Majestät der Kaiser geruhten hierauf über den eigentlichen Grund der Arbeitseinstellungen auf den großen Privateisenwerken in Mähren, Steiermark und Kärnten die Frage aufzuwerfen, nachdem die bezüglichen Industriellen behaupten, daß die übergroße Einfuhr ausländischer Schienen mit Begünstigungszoll daran Schuld sei5. Der Handelsminister erörterte sofort die Lage der Schienen erzeugenden Eisenwerke in den einzelnen Kronländern und zeigte vorerst, daß die böhmischen Werke (insbesondere Kladno) sich im blühendsten Zustande befinden. Daß die Rothschildschen Werke in Mähren Arbeiter in großer Zahl entlassen, findet der Minister unerwartet, und könne der Grund davon nicht in den Begünstigungszöllen für die neuen Bahnen liegen, da Witkowitz seinen Railsabsatz bisher bloß bei der Nordbahn suchte und fand. Allerdings ist diese jetzt völlig ausgebaut und braucht fortan weniger Rails des Jahres, aber dies ist von den Zöllen unabhängig.

Was die Walzwerke in Steiermark und Kärnten am schwersten empfinden, ist, daß die Südbahn völlig ausgebaut ist und, wie leicht vorauszusehen war, nur mehr des Ersatzes für unbrauchbar werdende Schienen bedarf. Dies ist wieder keine Folge des vorgeschützten Grundes.

Daß die Franz-Joseph-Orientbahn und die galizische Bahn von dem in der Konzession enthaltenen Bezugsrecht fremder Schienen in ausgedehnter Weise Gebrauch machten, um die selten günstigen Preiskonjunkturen zu benützen, ist begreiflich, und die Verwaltungsräte hätten sich sonst den Aktionären gegenüber einer schweren Unterlassungssünde schuldig gemacht.

Die lombardisch-venezianische Bahn hat allerdings ihre absolute Zollfreiheit für alle Schienen in der ausgedehntesten Weise benützt und selbst zu mißbrauchen versucht, so daß die Zollämter, welche überhaupt allen Bahnen gegenüber in Absicht auf den Schienenzoll die genaueste Kontrolle üben, den Ausschreitungen mit Entschiedenheit entgegentreten mußten. Der bisherige reiche Gewinn bei der Schienenerzeugung ist für die kärntnerischen und steirischen Werke nicht länger zu hoffen; es droht ihnen bei diesem Artikel nicht vom Ausland, sondern vom Inlande – Kladno – her eine überwältigende || S. 147 PDF || Konkurrenz. Diesen Werken steht aber bei der Vortrefflichkeit ihres Eisens noch ein reicher Absatz für feinere Artikel bevor, und es handelt sich nun darum, sich darauf einzurichten. Einzelnen Werken sei man einstweilen mit Ärarschienenbestellungen zu Hülfe gekommen.

Auch die Minister der Finanzen und des Inneren sprachen sich im gleichen Sinne aus. Die Regierung vermag nicht die gegenwärtigen ungünstigen Konjunkturen der Geldkrisis und der niedrigen Getreidepreise, die auch auf die Eisenindustrie zurückwirken, zu beheben, und ebenso muß es den Gewerken überlassen bleiben, ihre Werke auf die Erzeugung anderer Objekte einzurichten6.

III. Beschwerden der Wiener und Reichenberger Fabrikanten

Se. Majestät geruhten hierauf die Frage Ah. zur Beratung zu bringen, ob über die Beschwerden der Wiener und Reichenberger Fabrikanten gegen die bestehenden Warenzölle nicht eine genaue Erhebung mit deren Zuziehung vorzunehmen sei7.

Die Minister des Handels und der Finanzen referierten hierauf über den Stand der diesfalls auf Ah. Befehl angebahnten Verhandlung unter den Ministerien8, wobei sich das Finanzministerium gegen die Vornahme einer förmlichen Enquete, die Ministerien des Inneren und des Handels aber dafür erklärt hatten. Wenn Se. Majestät Allerhöchstsich für die Vornahme zu entscheiden geruhen, würde man die Vernehmungen in möglichst unauffälliger Weise vornehmen und nebst den Beschwerdeführern auch einige derjenigen Industriellen und Konsumenten vernehmen, welche durch eine Zollerhöhung leiden müßten. Es werde dann nicht schwerfallen, mit Hilfe statistischer Nachweisungen die Unstatthaftigkeit der Beschwerden darzutun. Man könne auch erwarten, daß die Handelskammern – weil sie eben keine einseitigen Interessen vertreten – sich in einem dem gegenwärtigen System günstigen Sinne äußern werden. Die beiden Minister halten es jedoch für rätlich, jeden Eklat und den Anschein einer Wiederholung des Industriellenkongresses9 zu vermeiden, damit der Sache keine zu große Bedeutung beigelegt und nicht etwa die Hoffnung genährt werde, daß die Regierung zum Prohibitivsystem zurückzukehren beabsichtigt. Auch der Minister des Inneren teilt diese Ansicht und legt einen großen Wert darauf, daß die Beschwerdeführer kommissionell eines Besseren belehrt würden.

Se . Majestät geruhten Ag. zu genehmigen, daß die Erhebungen in der beantragten Weise vorgenommen würden10.

IV. Beschränkung des Tabakanbaues in Ungarn

Se. k. k. apost. Majestät geruhten die Frage zu stellen, in welcher Weise den Tabakanbauern in Ungarn geholfen werden könne, welche nach den Beschlüssen der Finanzverwaltung ihren Tabakanbau im künftigen Jahre auf ein Drittel des heurigen Umfanges werden beschränken müssen, während man seit der Einführung || S. 148 PDF || des Tabakmonopols in diesem Lande durch alle Mittel dahin gestrebt habe, die Tabakproduktion zu vermehren11.

Der Finanzminister stellte hierauf dar, wie die für 1858 erteilten Baulizenzen auf den Ziffern eines fünfjährigen Durchschnitts basiert waren und alle Berechnungen durch den dreifach größeren Ertrag zu Illusionen wurden. Dadurch ist man jetzt in Verlegenheiten geraten; nicht bloß wegen Bezahlung der kolossalen Tabakernte dieses Jahres, sondern auch wegen deren Aufbewahrung. Um diese Verlegenheiten kommendes Jahr nicht noch maßlos zu vergrößern, ist es das Gebot einer unausweichlichen Notwendigkeit, die Bestellungen möglichst zu beschränken. Baron Bruck hat bereits Verhandlungen angeknüpft, um sich durch Verkauf von Blättern an Regien fremder Staaten eines Teils des Überflusses zu entledigen. Die schlechte Qualität des Tabaks – Folge der irrationellen Kultur und Behandlung – steht aber dabei sehr im Wege.

Auf die vom Minister des Inneren gemachte Andeutung, man könne den Tabakpflanzern gestatten, ihre von den Staatsfabriken künftig nicht abzunehmenden Blätter auf eigene Rechnung außer Land an Private zu verkaufen, entgegnete der Finanzminister , daß dies für den Gefällsertrag äußerst nachteilig sein würde, indem mit Gewißheit vorauszusehen, daß der größte Teil dieses Tabaks wieder nach Österreich eingeschmuggelt werden würde, wo derselbe vom Ärarialtabak nicht zu unterscheiden wäre, was dem Schmuggel die Ungestraftheit sichert. Diese Gefahr wird auch von allen fremden Tabakregien anerkannt, daher dieselben zum Teil den eigenen entbehrlichen Überfluß an Blättern lieber verbrennen als ins Ausland verkaufen.

Nach der Überzeugung des Finanzministers erübrige unter diesen Umständen nichts, als in den Lizenzen verhältnismäßige Reduktionen vorzunehmen, dabei mit tunlicher Schonung vorzugehen und bei diesem Anlasse dahin zu wirken, daß bessere Tabaksorten erzeugt werden, wozu Ungarn nach dem Urteile der Fachmänner vollkommen geeignet wäre. Die Grundstücke, welche dermal nicht mehr mit Tabak bebaut werden dürfen, würden von den Eigentümern zum Anbau anderer Pflanzen, z. B. Flachs, Raps, bestimmt werden müssen.

Se. Majestät der Kaiser geruhten diese Auskünfte Ag. zur Kenntnis zu nehmen und sofort die Beratung aufzuheben12.

Am 9. November 1858. Gr[af] Buol. [Ah. E.] Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Brünn, den 23. November 1858.