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Nr. 452 Ministerkonferenz, Wien, 13. Mai 1858 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Buol-Schauenstein; BdE. und anw. (Buol 13. 5.), gesehen Bach 14. 5., gesehen Thun 14. 5., Toggenburg, Bruck 15. 5., gesehen Kempen 15. 5., Nádasdy 16. 5., Statt des Ersten Herrn Generaladjutanten Sr. Majestät Schlitter.

MRZ. – KZ. 1716 –

Protokoll der zu Wien am 13. Mai 1858 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministers des kaiserlichen Hauses und des Äußern Grafen v. Buol-Schauenstein.

[I.] Nachsicht der Materialabschreibungsperzente für die Donaudampfschiffahrtsgesellschaft

Der Handelsminister referierte über die Bitteder Donaudampfschiffahrtsgesellschaft um Nachsicht der statutenmäßigen Materialabschreibung für das Jahr 18571.

Die äußerst ungünstigen Verhältnisse des verflossenen Schiffahrtsjahres, welche wegen der großen Trockenheit und des dadurch herbeigeführten niedrigen Wasserstandes, sowie wegen frühzeitig eingetretenen Frostes den Betrieb der Schiffahrt nur kurze Zeit gestatteten, während gleichzeitig bedeutende Nachschaffungen an Betriebsmateriale stattfanden, würden es der Donaudampfschiffahrtsgesellschaftsverwaltung unmöglich machen, nicht nur eine Dividende, sondern selbst die 5%igen Zinsen des Aktienkapitals ihren Aktionären auszuzahlen, wenn sie genötigt wäre, die statutenmäßig vorgeschriebenen Materialabschreibungsperzente von dem Jahresertrage in Abzug zu bringen. Es wird daher um Nachsicht dieser Abschreibung für das in Rede stehende Jahr gebeten und der diesfällige Betrag mit 1,135.000 fr. beziffert, welcher dann zur Verteilung der 5%igen Zinsen an die Aktionäre zu verwenden wäre2.

Der Handelsminister fände unter den obwaltenden besonderen Verhältnissen kein Bedenken dagegen, die diesfällige Ermächtigung zu erteilen. Eine einzige Rücksicht ist es, welche gegen die Bewilligung angeführt werden könnte, nämlich: daß mit dem Jahre 1858 die Garantie der Staatsverwaltung für einen 7%igen Ertrag des Aktienkapitals eintritt, was zu der Forderung berechtigen würde, daß die Gesellschaft in diese Periode mit ungeschwächter Kapitalskraft, also mit dem um das statutenmäßige Perzent vermehrten beziehungsweise verbesserten Materiale eintrete. Allein, in dem Maße, als die Verhältnisse im vorigen Jahre die Benützung des Materials beschränkt haben, ist auch die Abnützung desselben geringer gewesen; der Unterschied kann also nicht bedeutend sein, und die einmalige Nachsicht der Materialabschreibung bringt keine Konsequenz für die nachfolgende || S. 25 PDF || garantierte Periode mit sich, weil für diese durch die im Übereinkommen der Staatsverwaltung und der Gesellschaft stipulierte Perzentualabschreibung vorgesorgt ist, daß weder eine weitere Nachsicht derselben, noch eine etwaige Erhöhung ihres Perzents zur Einbringung des gegenwärtigen Ausfalls angesprochen werden kann. Überwiegend ist hier die Wirkung, welche die Insolvenz der Unternehmung ihren Aktionären gegenüber auf sie selbst äußern würde, und darum glaubte der Handelsminister, die vorliegende Bitte unterstützen zu sollen, mit der ausdrücklichen Bedingung jedoch, daß in die garantierte Periode unter keiner Rubrik ein Verlustkonto aus der bisherigen Gebarung übertragen werden dürfe. Nachdem die diesfällige Proposition in der auf den 15. d. M. anberaumten Generalversammlung der Gesellschaft vorgelegt werden soll, so hat der Handelsminister, aus Mangel an Zeit zur schriftlichen Verhandlung mit den Ministern des Inneren und der Finanzen, diesen Weg gewählt, um sich deren Zustimmung hierüber zu erbitten.

Der Finanzminister erteilte, in Berücksichtigung der angeführten, ganz besonders abnormen Verhältnisse diese Zustimmung unter der vom Handelsminister selbst angetragenen Bedingung und mit dem weiteren Vorbehalte, daß der Gesellschaft ausdrücklich bemerkt werde, es finde nach dem Eintritt der garantieren Periode eine Erhöhung des in dem Übereinkommen stipulierten Materialabschreibungsperzents zur etwaigen Ergänzung des gegenwärtigen Abfalls an demselben in keinem Falle mehr statt, was sofort der Handelsminister zusicherte. Auch der Minister des Inneren erklärte, es erübrige unter den obwaltenden Umständen wohl nichts anderes, als die angesuchte Ermächtigung zu einem Vorgange ausnahmsweise zu erteilen, der sich sonst vom Standpunkte einer geregelten Gebarung nicht rechtfertigen ließe. Zugleich sprach er das Bedauern aus, nicht einmal von den Gebarungsresultaten der Unternehmung in Kenntnis gesetzt worden zu sein, um den gegenwärtigen Vorschlag eindringlicher beurteilen zu können, weshalb der Administration für die Zukunft mitgegeben werden dürfte, Anträge solcher Art beizeiten einzubringen.

Die übrigen Stimmen der Konferenz fanden über diese Anträge nichts zu erinnern3.

Schließlich machte der Finanzminister noch darauf aufmerksam, daß dem Vernehmen nach eine Partei unter den Aktionären beabsichtigte, eine Änderung der Statuten durchzusetzen und zu diesem Ende ein Komitee zu wählen, welches nicht mit der Administration gemeinschaftlich vorzugehen, sondern gewissermaßen sich über dieselbe zu stellen hätte. Da unter dieser Statutenänderung auch die Anstellung besoldeter Administratoren statt der bisherigen unentgeltlichen vorkommen soll, wobei natürlich die Finanzverwaltung mit Rücksicht auf die übernommene Zinsengarantie wesentlich beteiligt wäre, so wünschte der Finanzminister, daß der lf. Kommissär hiernach gehörig instruiert werde, um etwaigen Übergriffen entgegenzutreten und insbesondere zu verhindern, daß das Komitee sich nicht über die Administration stelle.

Der Handelsminister , welcher diesfalls dem lf. Kommissär bereits seine Instruktion erteilt und ihn angewiesen hat, dieselbe den Ministern der Finanzen und des Inneren || S. 26 PDF || zur Einsicht mitzuteilen, bemerkte hierüber, daß nach dem Inhalt dieser Instruktion die Erklärung des lf. Kommissärs in dieser Beziehung sich nur darauf beschränken könne: es stehe der Generalversammlung frei, eina Komitee behufs des Antrags auf Statutenänderungen zu wählen, es seien bbei diesen letzteren vorzugsweise die von der Administration gemachten praktischen Erfahrungen zu berücksichtigenb . Ein weiteres Vortreten des lf. Komissärs würde dem statutenmäßigen Rechte der Gesellschaft entgegen sein. Übrigens unterliegen die Beschlüsse der Gesellschaft ohnehin der Beurteilung der Ministerien4.

Ah. E. cÜber den hier verhandelten Gegenstand ist Mir ein ausführlicher, mit den erforderlichen Nachweisungen versehener Vortrag von Meinem Minister für Handel, Gewerbe und öffentliche Bauten zu erstatten und von diesem insbesondere aufzuklären, warum Meine zur Erteilung der in Rede stehenden Ermächtigung erforderliche Genehmigung nicht rechtzeitig oder wenigstens nachträglich erbeten wurde, dann ob und welchen Einfluß die im Jahre 1857 erfolgte Unterlassung der statutenmäßigen Abschreibung auf die Stellung der Gesellschaftsrechnung für die folgenden, unter die Staatsgarantie fallenden Jahre auszuüben geeignet sei.c Franz Joseph. Laxenburg, den 30. Mai 1858.