MRP-1-3-06-0-18580420-P-0447.xml

|

Nr. 447 Ministerkonferenz, Wien, 20. April 1858 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Buol-Schauenstein; BdE. und anw. (Buol 20. 4.), gesehen Bach 21. 4., Toggenburg, Bruck, gesehen Kempen 23. 4., Nádasdy 24. 4.; abw. Thun, Kellner.

MRZ. – KZ. 1120 –

Protokoll der zu Wien am 20. April 1858 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministers des kaiserlichen Hauses und des Äußern Grafen v. Buol-Schauenstein.

[I.] Entgelt für die Servitutsrechte in Galizien

Mit der Ah. Entschließung vom 9. Jänner 1858 wurde dem Minister des Inneren aufgetragen sich zu rechtfertigen, wie er dem Ah. Kabinettschreiben vom 7. Februar 1853 1 die Auslegung geben konnte, daß damit die Auflassung des von den galizischen Servitutsberechtigten an den Staatsschatz zu leistenden Entgelts bezweckt worden sei; dann, diese Angelegenheit in einer Ministerkonferenz in reifliche Beratung zu nehmen und hiebei 1. zu erörtern, ob und in welcher Weise jenes Entgelt nicht noch jetzt eingehoben werden könne, 2. falls es sich als uneinbringlich darstellen oder höhere politische Rücksichten dessen Eintreibung widerraten sollten, die Frage zu erwägen, ob bei allen galizischen, ehemals untertänigen Servitutsberechtigten überhaupt oder bei welchen aus ihnen die Bestimmungen der Patente vom 17. April 1848 2 und 15. August 1849 3 außer Kraft zu setzen seien4.

In Befolgung dieses Ah. Befehls brachte der Minister des Inneren diesen Gegenstand in der heutigen Konferenz zum Vortrage und las nach Vorausschickung einer umständlichen Darstellung der hierauf bezüglichen Verhandlungen den Entwurf der hierwegen an Se. Majestät zu erstattenden Äußerung vor. Aus derselben ergibt sich, daß die Auffassung, welche der Minister des Inneren im Verein mit den Ministern der Justiz und der Finanzen dem Ah. Kabinettschreiben vom 7. Februar 1853 hinsichtlich der Auflassung des Servitutenentgelts || S. 387 PDF || gab, in keiner Weise weder den Behörden noch den Parteien bekanntgegeben, mithin der anderweitigen Ah. Bestimmung hierüber durchaus nicht vorgegriffen worden sei. Vielmehr wurde infolge der mit jenem Ah. Kabinettschreiben ausgesprochenen Trennung der Grundentlastungs- von der Servitutenfrage mit dem Erlasse des Ministers des Inneren vom 23. Februar 1853 5 die letztere einer besonderen Verhandlung vorbehalten6. Erst nach Durchführung der Grundentlastung konnte diese wieder aufgenommen werden7, und nachdem nun sowohl das Gesetz als die Instruktion für die Servitutenablösung erlassen worden8, kann auch die Frage über das Entgelt zur Sprache kommen.

Der Minister des Inneren war nun aber auch heute der Meinung, daß es von diesem Entgelte abzukommen hätte, weil man

1. schon nach Erlassung des Patents vom 17. April 1848 sich der Hoffnung hingegeben zu haben scheint, es werde für die Servituten von Seite der Untertanen eine Entschädigung nicht zu leisten sein, denn die Verpflichtung dazu fand bei den Bauern keinen Glauben und kein einziger Vergleich war in dieser Beziehung abgeschlossen worden; und weil auch die späteren Gesetze auf die Frage wegen des Entgelts nicht mehr eingegangen sind.

2. Käme die Regierung bei Einforderung des Entgelts gegenüber der Ablösung der Servituten in Widerspruch mit sich selbst. Denn soll dem Bauer einleuchtend gemacht werden, daß er für die Servitutsberechtigung zu zahlen habe, so muß ihm doch der Fortbestand derselben gesichert werden. Allein, das Patent vom 5. Juli 1853 9 bezielt die möglichste Einschränkung oder Ablösung der Servitutsrechte. Erhält nun der Berechtigte einerseits die ausgemittelte Ablösungssumme, soll sie aber gleichzeitig an die Staatskasse wieder einzahlen, so muß ihm der ganze Akt als eine unentgeltliche Entziehung seines Servitutsbezugs erscheinen. Außerdem würde die Ausmittlung des Entgeltsbetrages zu endlosen und kostspieligen Verhandlungen mit jedem einzelnen der Berechtigten führen.

3. Auch höhere politische Rücksichten sprechen gegen die Einforderung des Entgelts. Schon die Einhebung der von den Untertanen aus eigenem zu vergütenden Leistungen (an Pfarren, Kirchen und Schulen) für aufgehobene Urbarialrechte ist beim galizischen Landvolke auf die größten Schwierigkeiten gestoßen, weil es glaubte, daß ihm durchs Patent vom 17. April 1848 alles unentgeltlich erlassen worden sei. Jetzt, nach zehn Jahren, mit der Forderung des Servitutenentgelts hervorzutreten, würde umso bedenklicher sein, als diese Forderung als neu, als eine Zurücknahme der Zusage, daß die Grundentlastungsentschädigung ganz vom Staate (oder Landesfonds) getragen werde, und als eine Zurücksetzung gegen die Nachbarländer Ungern und Siebenbürgen und die ehemals mit Galizien || S. 388 PDF || vereinigte Bukowina angesehen werden würde. Selbst im galizischen Landvolke untereinander würde die Maßregel Neid und Mißgunst hervorrufen, weil sie nur einen Teil, und zwar den ärmeren desselben, trifft, welchem die Servituten zur Ergänzung der Grunddotation zugestanden worden waren.

4. Endlich wäre das Entgelt gar nicht einbringlich. Abgesehen von der notorischen Entblößung des galizischen Bauers von Geldmitteln, welche schon die Einbringung der ordentlichen lf. Steuern und Zehntenentschädigung so schwer macht, würde die zur Leistung des Servitutenentgelts erforderliche Belastung die davon Betroffenen vollends erdrücken. Nach einer approximativen Berechnung würde sie sich auf 13 Millionen Gulden beziffern. Soll diese Schuld in 20 Jahren abgetragen werden, so entfallen auf ein Jahr samt Zinsen 1,500.000 fr., und werden die rückständigen Zinsen von 1848 an dazu geschlagen, noch mehr. Dies trifft etwa den vierten Teil des galizischen Grundbesitzes, und da die gesamten direkten Steuern mit 5,500.000 fr., also auf den vierten Teil sich mit 1,350.000. fr. beziffern, so würde die oben ausgewiesene Tilgungssumme von 1,500.000 fr. mehr als 100 %, und geschähe die Abtragung in 40 Jahren, mehr als 50 % vom Steuergeld in Anspruch nehmen. Die Finanzbehörden haben wiederholt anerkannt, daß ein Zuschlag von 25 % oder 15 Kreuzer vom Steuergulden zum Zwecke der Grundentlastung das höchste sei, auf dessen Eingehen mit Erfolg gerechnet werden könne. Tatsächlich beträgt aber dieser Zuschlag itzt schon 50 % oder 30 Kreuzer vom Gulden. Wie wäre es möglich, von den Servitutsberechtigten noch einen weiteren Zuschlag von 1 fr., mithin im ganzen 1 fr. 30 Kreuzer oder 150 % der direkten Steuer, zu verlangen?

Aus diesen Gründen glaubte der Minister des Inneren den Antrag an Se. Majestät stellen zu sollen, Allerhöchstdieselben geruhen diese seine Rechtfertigung zur Kenntnis zu nehmen und es von der Einhebung des Servitutenentgelts in Galizien gänzlich und bei allen Servitutsberechtigten gleichmäßig abkommen zu lassen, da bei allen gleiche Verhältnisse eintreten.

Die Konferenz trat diesem Antrage einstimmig bei10.

Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Laxenburg, 27. Juli 1858.