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Nr. 446 Ministerkonferenz, Wien, 10. April 1858 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Buol-Schauenstein; BdE. und anw. (Buol 10. 4.), gesehen Bach 12. 4., Thun 13. 4., Toggenburg, Bruck, gesehen Kempen 13. 4., Nádasdy 13. 4.; abw. Kellner.

MRZ. – KZ. 1116 –

Protokoll der zu Wien am 10. April 1858 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministers des kaiserlichen Hauses und des Äußern Grafen v. Buol-Schauenstein.

[I.] Kaiserliche Verordnung über die Errichtung eines Zentralrates für Landeskultur

Gegenstand der Beratschlagung war der vom Minister des Inneren vorbereitete Entwurf einer kaiserlichen Verordnunga über die Errichtung eines Zentralrates für Landeskultur1.

Nach einem einleitenden Vortrage des Ministers des Inneren wurde der Entwurf in seinen einzelnen Bestimmungen von der Konferenz fast einstimmig angenommen.

Nur gegen die Bestimmung ad I. b und ad IV. 1, daß der Zentralrat das vermittelnde Organ für die land- und forstwirtschaftlichen Vereine zu bilden und deren Verbindung untereinander zu vermitteln habe, erhob der Finanzminister das Bedenken, es könnte aus dieser Stellung des Zentralrats zu den einzelnen Vereinen ein Verhältnis sich entwikkeln, welches nicht nur das selbständige Urteil der einzelnen Vereine beirren, sondern selbst in manche Verwaltungsmaßregeln, namentlich über die Besteuerung, störend einzugreifen geeignet sein würde. Bei den Handels- und Gewerbekammern, welche für Handelsund Industrieangelegenheiten den Beirat des Handelsministeriums bilden, besteht die Vorschrift, daß sie unter sich keine Beziehung gegeneinander haben sollen. Hiermit ist der wesentliche Vorteil erreicht, daß das Ministerium von jeder einzelnen ihre eigene Ansicht über die Bedürfnisse ihres Bezirkes erhält, und seine Aufgabe ist es, nach Prüfung derselben das Entsprechende zu verfügen. So sollte es auch in Angelegenheiten der Land- und Forstwirtschaft gehalten werden; die Vereine sollten ihre Anträge und Wünsche unmittelbar oder im Wege der Statthalter an das Ministerium gelangen lassen und dieses dann erst den Zentralrat darüber vernehmen. Drängt sich aber dieser als ein vermittelndes Organ zwischen beide, so ist dessen Einwirkung sowohl nach oben als nach unten hin eine überwiegende und benimmt den Gutachten oder Anträgen der Vereine den Charakter der Unmittelbarkeit und Selbständigkeit; es bildet sich ein Rat nicht unter, sondern neben dem Ministerium, welcher in der Folge seine Wirksamkeit über Angelegenheiten auszudehnen versuchen möchte, die man ihm einzuräumen nicht die Absicht haben kann. bAuch würde man den Vertretern der anderen Erwerbszweige eine ähnliche Stellung nicht wohl versagen können.b Auch würde man || S. 384 PDF || den Vertretern der anderen Erwerbszweige eine ähnliche Stellung nicht wohl versagen können.

Der Minister des Inneren teilte dieses Bedenken nicht, er glaubte vielmehr, daß die Verbindung der land- und forstwirtschaftlichen Vereine mit dem Zentralrate aus der Natur der Sache fließe; nachdem die ihm in Art. II und III gestellten Aufgaben gerade durch die Verbindung mit den Vereinen erleichtert, vereinzelte Anträge von solchen Gesellschaften aber durch ihn von dem höheren Standpunkte der Allgemeinheit gewürdigt werden. Von einer Abhängigkeit der Vereine vom Zentralrate ist keine Rede, denn es heißt ja schon im Art. I. b, daß er „die statutenmäßige selbständige Wirksamkeit derselben nicht beirren“ dürfe; und es wird im Art. IV die Verbindung der Vereine unter sich, die Vertretung ihrer Wünsche etc. durch den Zentralrat ausdrücklich von „deren Verlangen“ abhängig gemacht. Endlich ist gegen allfällige Ausschreitungen in der Wirksamkeit des Zentralrats durch dessen ganze Zusammensetzung (Art. VI), durch den Vorbehalt der Benennung der Präsidenten von Sr. Majestät selbst und durch die Bestimmung des Art. X die möglichste Bürgschaft gegeben, indem hiernach die gesamte Korrespondenz des Zentralrats der Kontrasignatur des die Kanzleidirektion führenden Ministerialreferenten unterworfen ist. Eine ähnliche Einrichtung besteht in Sachsen und Preußen – die Landesökonomiekollegien – mit dem besten Erfolge. Der hier beantragte Zentralrat, setzte der Handelsminister hinzu, hat durchaus keinen repräsentativen Charakter, denn die Wirksamkeit aller seiner Glieder beruht lediglich auf dem Mandat der Regierung, und hierin sowohl als in der bürokratischen Einrichtung desselben (Art. X) liegt eine Garantie gegen die Möglichkeit einer Trennung desselben von dem Ministerium sowie gegen eine allfällige Beeinflussung der Vereine zum Nachteile der Selbständigkeit der letzteren. Diese wird so wenig gefährdet sein, als es die Selbständigkeit der Handels- und Gewerbekammern unter dem Einflusse des Handelsministeriums ist. Im Interesse der Sache aber liegt es, dem Zentralrate auch nach außen hin gegenüber den landwirtschaftlichen Vereinen eine ansehnlichere Stellung einzuräumen, wenn man will, daß wirklich Personen von Bedeutung an den sub VI zu 1., dann 2. zu b und c benannten Posten sich beteiligen.

Hiernach erklärten auch die übrigen Stimmen der Konferenz die Bestimmungen der Art. I. b und IV. 1 für unbedenklich.

Zu Art. III. 1 machte der Chef der Obersten Polizeibehörde darauf aufmerksam, daß es vielleicht nicht wünschenswert gefunden werden dürfte, die Beaufsichtigung land- und forstwirtschaftlicher Institute und Unterrichtsanstalten zu einem kurrenten Geschäfte des Zentralrates wie einer Verwaltungsbehörde sich gestalten zu lassen, und schlug daher vor, den Ausdruck „Beaufsichtigung“ etwa mit „Nachschau“ zu ersetzen. Der Minister des Inneren glaubte jedoch die nähere Bestimmung hierüber vorderhand noch offen lassen, hier aber nur so viel bemerken zu sollen, daß, nachdem die diesfällige Wirksamkeit des Zentralratss von dem speziellen Mandate des Ministers des Inneren abhängig sein wird, das nähere Eingehen in den Umfang derselben Gegenstand einer besonderen Verhandlung sein müsse2.

Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Wien, 17. Juni 1858.