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Nr. 436 Ministerkonferenz, Wien, 23. und 25. Februar 1858 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • Sammelprotokoll; RS.; P. Marherr; VS. Buol-Schauenstein; BdE. und anw. (Buol 25. 2./16. 3.), gesehen Bach, Thun, Bruck, Nádasdy 15. 3., gesehen Kempen 15. 3., für Se. Exzellenz den Herrn Ersten Generaladjutanten Sr. Majestät Kellner; abw. Toggenburg.

MRZ. – KZ. 555 –

Protokoll der zu Wien am 23. und 25. Februar 1858 abgehaltenen Ministerkonferenzen unter dem Vorsitze des Ministers des kaiserlichen Hauses und des Äußern Grafen v. Buol-Schauenstein.

I. Wuchergesetz

Gegenstand der Beratung war die aus Anlaß des Einschreitens Sr. k. k. Hoheit des Herrn Erzherzogs Albrecht, Generalgouverneur von Ungern, wegen Gestattung der Stipulierung von 6 %igen Zinsen für Pfanddarleihen in Ungern beim Justizministerium eingeleitete Verhandlung über die Aufhebung oder Beschränkung der in einigen Kronländern der Monarchie bestehenden Wuchergesetze1.

Der Justizminister las den Entwurf seines hierwegen an Se. Majestät zu erstattenden Vortrags, in welchem er sich – gegen den Antrag seines Referenten Ministerialrat Dr. v. Hyea – in thesi gegen jede Änderung der bestehenden Gesetzgebung in dieser Beziehung, vorderhand wenigstens, aussprach.

Eines der Hauptmotive, welches für die Änderung der diesfälligen Gesetze, insbesondere für die Aufhebung des § 994 ABGB. geltend gemacht wurde, die seit einiger Zeit bestandene Geldklemme, ist gegenwärtig mit dem Aufhören derselben entfallen. Der Grundbesitz, welchem man durch Erhöhung des gesetzlichen Zinsfußes die Erwerbung von Kapitalien erleichtern will, scheint dieser Hilfe nicht zu bedürfen; denn es ist noch sehr viel Geld, bei 800 Millionen, zu 5 % auf den Realitäten der Monarchie eloziert2 und es finden || S. 297 PDF || sich noch immer Kapitalisten, die eine sichere Plazierung ihrer Fonds gegen eine mäßige Verzinsung jeder anderen Verwendung ihrer Gelder vorziehen. Würde der bisherige gesetzliche Zinsfuß für Hypothekarkapitalien von 5 % auf 6 % erhöht, so wäre die unmittelbare Folge davon die Kündigung der mit 5 % elozierten Kapitalien und die Steigerung der Zinsen aller Hypothekarforderungen. Welche Verlegenheiten aber dadurch dem belasteten Grundbesitze bereitet würden, bedarf keines Beweises. Seine Lasten würden um 1 %, also im Ganzen um 8 Millionen jährlich erhöht und dies von der verderblichsten Rückwirkung auf die Preisverhältnisse aller Bedürfnisse begleitet sein. Ja, die Aussicht, Geld zu 6 % auf Hypotheken gesetzmäßig anlegen zu können, würde auch einen großen Teil der itzt in Staats- oder Industriepapieren angelegten Kapitalien diesen entziehen und den Kurs derselben herabdrücken. In Dalmatien besteht das Wuchergesetz nicht; dennoch steigt der Zins für Darleihen dort oft bis 20 %, ein Beweis, daß die Freigebung des Zinsfußes wenigstens nicht immer und nicht überall die davon erwartete Wirkung für die Geldbedürftigen hat. Auch auf den Vorschlag, höhere Zinsen als die gesetzlichen zwar straflos bedingen, aber nicht einklagen zu dürfen, könnte der Justizminister nicht eingehen, weil dies nur zur Umgehung der Bestimmungen des Gesetzes von 18033 über den Wucher am Kapital Anlaß geben würde. Der Justizminister faßte seine Anträge mit folgendem zusammen: 1. Das Wucherpatent von 1803 in den Kronländer, wo es besteht, nicht aufzuheben; es ist bereits im Jahre 1787 der Versuch gemacht worden, die Wuchergesetze aufzuheben; wie wenig derselbe den Erwartungen entsprochen hat, sagt das Wucherpatent von 1803 im Eingange mit treffenden Worten, und der Justizminister wüßte denselben kaum etwas hinzuzusetzen, als daß das Experiment auch heutzutage keine bessere Wirkung haben würde. 2. Handelt es sich um die Frage, ob das Wucherpatent in den Kronländern, wo es zur Zeit nicht besteht, eingeführt werden soll oder nicht, so würde der Justizminister, falls Se. Majestät diese Frage zum Gegenstande einer Verhandlung machen sollten, eher für die Einführung desselben in der ganzen Monarchie stimmen und sich die Ausarbeitung eines für den Umfang des Reiches berechneten, den gegenwärtigen Zeitverhältnissen gemäß modifizierten Gesetzentwurfs vorbehalten. Vorderhand aber erachtete er, daß an dem Status quo der diesfälligen Gesetzgebung nichts zu ändern sei, daß daher, so weit es die Anträge auf Gestattung der Bedingung höherer als der bisher gesetzlich erlaubten Zinsen von Darleihen betrifft, 3. selbe überhaupt nicht, auch nicht gegen Verlust des Klagrechts auf den Mehrbetrag, auch 4. die Erhöhung des Zinsfußes bei Hypothekardarleihen, insbesondere von 5 % auf 6 %, für die Zukunft weder in Ungern noch in den übrigen Kronländern zugestanden werden soll, weil im ersteren Falle Anlaß zur Umgehung des Wuchergesetzes in bezug auf das Kapital gegeben, im letzteren aber, wie schon bemerkt, die Erhöhung des Zinsfußes von Hypothekarschulden auf 6 % allgemein werden und einen namhaften Teil der in öffentlichen Kreditpapieren angelegten Fonds denselben entziehen und so deren Wert herabdrücken würde. 5. Nachdem in Ungern, dessen ehemaligen Nebenländern und Siebenbürgen bis zur Einführung des ABGB. bei Hypothekardarleihen 6 % gesetzmäßig gefordert werden konnten, so hat das Justizministerium bereits früher – über eine Anfrage – entschieden, daß dort die bis zu jenem Zeitpunkte diesfalls eingegangenen Verpflichtungen aufrecht bleiben und das dafür || S. 298 PDF || bestellte Pfandrecht auch in die neuen Grundbücher übertragen werden dürfe. Diese Erläuterung ist aber nicht öffentlich kundgemacht worden. Der Justizminister beantragte daher, dieselbe durch das Reichsgesetzblatt zur Kenntnis des Publici bringen zu lassen. Endlich 6. behielt er sich vor, die Frage wegen Erhöhung der bisher mit 4 % limitierten sogenannten Verzugszinsen in einer besonderen Verhandlung zu erörtern.

Der Finanzminister erklärte sich laut seines hier angeschlossenen ausführlichen Votumsb, 1. im allgemeinen für die gänzliche Freigebung des Geldverkehrs und für die Beseitigung aller gesetzlichen Beschränkungen des erlaubten Zinsfußes, unbeschadet 2. des Fortbestands teils zivilrechtlicher Verbote oder strafgerichtlicher Verfolgung gewisser Arten einer eigentlich wucherischen Bedrückung; 3. für die alsogleiche Loszählung aller vom Staate zur Gewährung von Darleihen konzessionierten Gesellschaften, die unter dessen unmittelbarer Aufsicht stehen, von der Beschränkung des Zinsfußes. Über einige vom Justizminister aus nationalökonomischen und finanziellen Rücksichten für den Fortbestand der bisherigen beschränkenden Gesetze geltend gemachten Motive aber bemerkte er, daß die Verhältnisse, welche im Jahr 1803 zur Wiedereinführung der Wuchergesetze Anlaß gaben, wesentlich verschieden von denjenigen waren, welche gegenwärtig bestehen, mithin der Schluß von damals auf jetzt nicht gezogen werden könne. Was die Zinsenbeschränkung betrifft, so erscheint sie, wenn Geld wohlfeil, d. h. leicht zu bekommen ist, überflüssig, denn dann sinkt der Zinsfuß von selbst unter das gesetzliche Ausmaß, wie es auch die Erfahrung früherer Jahre bestätigt hat; ist aber Geld wenig und gesucht, so ist sie gefährlich, weil sie es den auf ein gewisses Zinsenmaximum beschränkten Geschäften gänzlich entzieht. Die von der Aufhebung der Zinsfußbeschränkung befürchtete plötzliche und allgemeine Erhöhung aller Zinsen aber kann und wird nicht eintreten, weil die bereits elozierten Kapitalien unmöglich auf einmal gekündigt werden können. Wenn nun auch bei neuen Darleihensgeschäften oder schon fälligen Hypotheken anfangs höhere Zinsen als die bisher gesetzlich erlaubten gefordert und zugestanden werden, so beweist dieses nur, daß die Nachfrage nach Geld für Hypotheken größer ist als der Anbot. Dieses Verhältnis wird aber aufhören, sobald der noch immer unter dem Drucke der letzten Krisis4 leidende Geldmarkt wieder in seinen normalen Stand zurückgekehrt, das Vertrauen gehoben und der Verkehr nicht mehr bloß auf Industrie- und andere Kreditpapiere beschränkt sein wird. Viel erwartet der Finanzminister von der Wirksamkeit der Hypothekaranstalt der Nationalbank; sie bietet mit ihren Pfandbriefen ein Wertpapier, das wegen seiner leichten Umsetzbarkeit und wegen seiner Deckung durch Hypothek cund das Bankkapitalc bald in der Gunst des Publikums sich befestigen wird. dAndere Institute mit größerer Sicherheit für die von ihnen auszugebenden Wertpapiere können nicht geschaffen werden, dafür würden solche immer weniger gelten als jene der Bank, und wahrscheinlich würde der Verlust dann weit größer im Verhältnisse sein als das 1 %, welches die Bank für ihre Mühewaltung bezieht, abgesehen davon, daß andere sogenannte gemeinnützige Institute ebenfalls durch einen Zuschlag die Kosten decken müssen.d Andere Institute mit größerer Sicherheit für die von ihnen auszugebenden Wertpapiere können nicht geschaffen werden, dafür würden solche immer weniger gelten als jene der Bank, und wahrscheinlich würde der Verlust dann weit größer im Verhältnisse sein als das 1 %, welches || S. 299 PDF || die Bank für ihre Mühewaltung bezieht, abgesehen davon, daß andere sogenannte gemeinnützige Institute ebenfalls durch einen Zuschlag die Kosten decken müssen. Wenn der Erfolg bisher noch nicht so glänzend war, so liegt die Ursache in der Kürze der Zeit, seit welcher jene Anstalt ihre Operationen begonnen hat. Man lasse ihr also Zeit; der Erfolg wird nicht ausbleiben5.

Der Minister des Inneren bemerkte: Es handelt sich um die Frage über den Fortbestand oder die Aufhebung einer seit mehr als 50 Jahren bestehenden Gesetzgebung. Bei der Beantwortung derselben müssen daher alle Verhältnisse und insbesondere die Folgen ins Auge gefaßt werden, welche bei dem Übergange von der bisherigen Beschränkung zur gänzlichen Freigebung des Geldverkehrs eintreten würden. Handel und Industrie genießen bereits diese Freiheit und unterliegen der gesetzlichen Beschränkung des Zinsfußes, welche eigentlich den Hauptgegenstand der Frage bildet, nicht. Durch die allgemeine Wechselfähigkeit ist auch für Geldgeschäfte unter Privaten, insofern sie nicht hypothekarische Darleihen betreffen, einige Erweiterung zugestanden worden. Von seinem Standpunkte glaubte der Minister des Inneren vorzüglich die Frage erörtern zu sollen, welche Wirkung die plötzliche Aufhebung der Wuchergesetze und der bisherigen Zinsbeschränkung für den mit Schulden belasteten großen und kleinen Grundbesitz haben würde. Er habe diese Frage mit Rücksicht auf die seit 1825 sowohl in Österreich als auch anderwärts gemachten Erfahrungen der eindringlichsten Prüfung unterzogen und sei zur Überzeugung gekommen, daß eine solche Maßregel zwar von der Handelswelt freudig begrüßt werden würde, dagegen von den Grundbesitzern, welche anfangs darin eine Abhilfe für die herrschende Kapitalnot zu finden glaubten, nach den in den letzten zwei Jahren gemachten Erfahrungen eher für schädlich als nützlich für ihre Interessen werden erachtet werden. Er teile diesfalls im wesentlichen die Besorgnisse des Justizministers. Hier möge noch erwähnt werden, daß diese Maßregel gegenüber der Belastung des Grundbesitzes mit einer um ein oder mehrere Perzente erhöhten Verzinsung (bei der Erhöhung von 5 % auf 6 % würde dieselbe schon 20 % der bisherigen Zinszahlung betragen) den Besitzern von Hypothekarforderungen mit einem Male eine durch nichts gerechtfertigte Prämie von ebensovielen Perzenten gewähren würde. Eine solche Maßregel würde also höchstwahrscheinlich für die mit Hypothekarschulden belasteten Grundbesitzer zunächst nur eine Steigerung ihrer dermaligen Zinsenlast zur Folge haben. Für den geldbedürftigen Grundbesitzer wird aber diese Maßregel schwerlich neue Kapitalien verfügbar machen. Woher sollten sie auch kommen? Das industrielle und kommerzielle Kapital, das vornehmlich im schnellen Umsatze seine Rechnung findet, wird dadurch für Hypothekaranlehen nicht flüssig werden, ebensowenig das Kapital des Auslandes, das überhaupt nicht sehr an den gewöhnlichen Hypothekaranleihen sich beteiligt. Die Klasse der einheimischen Kapitalbesitzer aber, welche auf Hypotheken leihen und sozusagen eine geschlossene Klasse bilden, wird sich hierdurch schwerlich sehr vermehren, gewiß nicht in der Art, daß dadurch die voraussichtlich allgemeine Zinssteigerung bei den bereits elozierten Kapitalien gerechtfertigt wäre. Diese Klasse schätzt die Sicherheit des angelegten Kapitals und die Regelmäßigkeit und Genauigkeit der Zinszahlung über alles. Die Zahl dieser || S. 300 PDF || Kapitalbesitzer, welche sich in der Regel vom Papiermarkte fern halten, würde nur dann größer werden, wenn die mit dem Hypothekardarleihensgeschäfte nach den bestehenden Gesetzen verbundenen Schwierigkeiten in der Realisierung solcher Kapitalien nicht beständen und wenn nicht die wiederholte Entwertung der Valuta vorzüglich auf ihnen so schwer gelastet hätte. Dieser Klasse von Kapitalisten würde nicht sowohl mit einer Erhöhung des Zinsfußes als vielmehr mit Aufrechthaltung der durch die Hypothek bedingten Sicherheit, durch eine solche Einrichtung der Darleihensgesetze, welche eine leichtere Begebbarkeit der Schuldtitel und eine minder kostspielige und umständliche Realisierung der dargeliehenen Kapitalien gewährte, die gebührende Rücksicht getragen. Auf dem Prinzipe der gegenseitigen Haftung, nicht auf Gewinn berechnete Provinzialhypothekarkreditanstalten können hier, wie überhaupt, dem Kreditbedürfnisse der Grundbesitzer allein wirksam und nachhaltig abhelfen.

So wenig aber durch die Aufhebung der Zinsbeschränkung eine wesentliche Vermehrung der dermal in Hypothekarkredit anliegenden Kapitalien zu erwarten steht, so wenig scheint dem Minister des Inneren die Behauptung gerechtfertigt, daß diese Maßregel darum getroffen werden müsse, um die vorausgesetzte fortschreitende Verminderung dieses Hypothekarkapitalstockes zu verhindern. Es ist zwar schwer, hierüber mit voller Sicherheit abzusprechen, weil für das Pro und Kontra die positiven Ziffern über die Gesamtbewegung der auf Hypotheken ruhenden Kapitalien in den letzten Jahren mangeln. Nur über die Sparkassen liegen positive, authentische Daten vor und diese sind nicht geeignet, die vorgedachte Behauptung zu bewähren. So haben, laut der anliegendene, auf ämtlichen Nachweisungen beruhenden Zusammenstellung die Sparkassen sich in der Monarchie seit 1853 von 62 auf 92 bis Ende 1857 vermehrt; viele neue sind in fast allen Ländern in der Errichtung begriffen. Auch die Gesamtheit der Kapitalien hat sich nicht unbedeutend vermehrt. Von 112 Millionen im Jahre 1853 sind sie, nach einem während der Jahre 1854 und 1855 eingetretenen Rückgange, im Jahre 1856 auf 117 Millionen und 1857 auf 123 Millionen gestiegen. Von den in sämtlichen Sparkassen 1856 angelegt gewesenen 117 Millionen waren über 78 Millionen, also mehr als zwei Drittel, auf Hypotheken eloziert, Ende 1855 betrug die Summe nur 73 Millionen. Hieraus ergibt sich, wie schon in der den Akten zuliegenden Note des Ministers des Inneren6 näher erörtert ist, durchaus keine Notwendigkeit, den Sparkassen ex lege einen höheren als den bisherigen 5 % Zinsfuß zu gestatten. Daß auch bei andern Instituten dieses Bedürfnis nicht gerechtfertigt sei, wird gleichfalls in jener Note nachgewiesen. Nach allem diesen scheint also ein wesentliches Bedürfnis, dem Grundbesitze durch Kapital mit erhöhtem Zinsfuße zu Hilfe zu kommen, nicht zu bestehen, vielmehr die Hoffnung, daß dieses auf dem gedachten Wege zu erzielen sei, illusorisch zu sein, wie dies die bisherige Erfahrung mit der Hypothekarkreditanstalt der Nationalbank beweist, gegen welche von Seite der Grundbesitzer || S. 301 PDF || eben die Klag‘ erhoben wird, daß diese Hilfe so teuer sei, wie denn auch der Versuch, eine Filiale für Böhmen zu begründen, aus dieser Ursache gescheitert ist7. Gerade beim Hypothekarkredit sollte die größtmögliche Stabilität des Zinsfußes angestrebt werden, weil das darin gebundene Kapital auf langjährige Unternehmungen hin in Verwendung genommen wird und der Grundbesitzer nicht in der Lage ist, von den oft schnell wechselnden Konjunkturen in dem leicht beweglichen kommerziellen und industriellen Kapitalsverkehre Gebrauch zu machen, er auch nur in sehr seltenen Fällen einen höheren als 5 %igen Zinsfuß ertragen kann. Soweit aber Guts- oder Realitätenbesitzer in der Lage sind, auch einen höheren Zinsfuß als diesen auf die Dauer zu ertragen, gibt ihnen die auf die Summe von 200 Millionen konzessionierte Hypothekarabteilung der Nationalbank, welche bisher kaum über den zehnten Teil dieser Summe disponiert hat, Mittel und Wege dazu.

Der Minister des Inneren würde daher nach wiederholter reiflicher Prüfung aller Verhältnisse und mit Rücksicht auf die von den Landesbehörden abgegebenen Gutachten unter Modifikation der im Jahre 1855 ausgesprochenen Ansicht, weder für die Aufhebung der bestehenden zivilrechtlichen Wuchergesetze noch für eine Erhöhung des dermal bestehenden gesetzlichen Zinsfußes (sei es im allgemeinen, sei es in Ungern in specie), am allerwenigsten aber für die vom Finanzminister sub 3. seines Votums beantragte Ausnahme zugunsten der dort bezeichneten Anstalten stimmen, indem eine solche Ausnahme für die Hypothekarkreditanstalt der Nationalbank ohnehin besteht, ihre Ausdehnung auf Sparkassen etc. aber nur die in das Gesetz bereits geschossene Bresche noch erweitern und nach den vorausgeschickten Daten wenigstens durch kein allgemeines Bedürfnis gerechtfertigt, vielmehr den Grundbesitzern nachteilig sein würde. Wohl aber würde der Minister des Inneren eine Revision der Wucherstrafgesetze in der Art für zulässig erachten, daß dieselben analog den für das lombardisch-venezianische Königreich bestehenden Vorschriften auf jene Fälle beschränkt werden, wo die Abnahme höherer als der gesetzlichen Zinsen oder die Stipulierung anderer privatrechtlich unzulässiger Bedingungen bei Darleihen sich als Gewohnheits- oder Gewerbewucher darstellt, oder wo die Unerfahrenheit oder Rechtsunkenntnis oder der Notstand eines Geldsuchenden durch wucherisches Vorgehen ausgebeutet wird. Dagegen hätten alle privatrechtlichen Bestimmungen über Darleihensvaluta, Zinsfuß und sonstige Bedingungen aufrecht zu bleiben, sodaß unter dieser Voraussetzung, falls die vorgedachten Fälle einer strafbaren wucherischen Handlung nicht eintreten, z. B. eine auf ein höheres Maß als das gesetzliche gemachte Zinsenstipulation, lediglich eine natürliche Verbindlichkeit zwischen den Kontrahenten begründen, aber kein Klagerecht geben, dagegen auch nicht den Wucherstrafgesetzen unterliegen würde. Ein solcher Vorgang dürfte sich als Übergangsmaßregel gegenüber der vom Finanzminister angestrebten völligen Freigebung des Zinsfußes empfehlen; sie würde nicht die Bedenken einer sofortigen Freigebung des Zinsfußes gegen sich haben und wenigstens in jenen Fällen, wo Nichthandelsleute in die Lage kommen, auf kürzere Zeit Kapitalien zu benötigen, und die Entrichtung eines höheren Zinsbetrags den Interessen sowohl des Darleihennehmers als des Darleihengebers zusagt, nicht ohne praktischen Nutzen sein. Sollte jedoch diese Vermittlungsmodalität nicht gutgeheißen werden, so müßte der Minister des Inneren sich dem Antrage des Justizministers anschließen, weil er bei diesem das || S. 302 PDF || von ihm vertretene Interesse der Grundbesitzer jedenfalls mehr gewahrt erachtet, als bei jenem des Finanzministers.

Der Minister für Kultus und Unterricht bemerkte: Drei verschiedene Ansichten sind in dieser Verhandlung vornehmlich zur Geltung gekommen: 1. Die Beseitigung der bisherigen gesetzlichen Beschränkung des Zinsfußes; 2. die Gestattung, höhere als die bisher erlaubten Zinsen bei Darleihen straflos, aber ohne Klagerecht rücksichtlich des Mehrbetrags bedingen zu dürfen; 3. die Belassung des Status quo in der bisherigen Gesetzgebung. ad 1. Diese Ansicht stützt sich auf den Grundsatz, daß fdie Verwendung des Geldes völlig frei sein solle und jede gesetzliche Beschränkung derselben eine unnatürliche und unberechtigte seif . Gälte dieser Grundsatz unbedingt, so würde er noch zu weiteren Konsequenzen führen; alle Schranken um den Besitz überhaupt, insbesondere um den Grundbesitz, müßten fallen, und die Teilbarkeit der bestifteten Bauerngüter wäre eine unmittelbare Folge davon. Sehr triftige politische Gründe sprechen jedoch gegen solche Konsequenzen und haben zur Erlassung beschränkender Gesetze geführt. Ähnliche Gründe sprechen für eine Einschränkung der Spekulation, welche aus dem bloßen Besitze des Kapitals ohne Arbeit den höchstmöglichen Nutzen zu ziehen strebt. Indem daher der Kultusminister gegen das der Meinung ad 1. zum Grunde liegende Axiom seiner Konsequenzen wegen protestiert, glaubt er, gdaß bei der Beurteilung der vorliegenden Frage nur in Erwägung gezogen werden solle, ob praktische Bedürfnisse eine Änderung der bestehenden Gesetze erheischen. Von dem in Handel und Gewerb zur Verwendung kommenden Kapital, welches in Verbindung mit Arbeit gewinnbringend werden soll, ist nicht die Rede. Bei reinen Gelddarleihensgeschäften handelt es sichg um ein zweifaches Interesse: um jenes des Kapitalisten und um das des Geldsuchenden. Fragt man, von welcher Seite die Freigebung des Zinsfußes verlangt wird, so ergibt sich die Antwort, daß dies nur von den Kapitalisten geschieht. Dem Kultusminister wenigstens ist nicht bekannt geworden, daß ein solches Verlangen von irgendeinem Geldsuchenden ausgegangen wäre. Man behauptet aber, die Freigebung des Zinsfußes werde auch zum Vorteil der Geldsuchenden gereichen, weil dann ein größerer Zufluß von Kapitalien für Gelddarleihen bewirkt würde. Absehend von bloßen chirographarischen Darleihen8, welche von minderem Belange sind, muß bezüglich der auf Hypotheken gesuchten Gelder allerdings anerkannt werden, daß sie hheutzutage schwer, und zwar weit schwerer zu erhalten sind, als vor dem Jahre 1848. Worin liegt aber der Grund dieser Erscheinung? Und kann derselbe durch die Freigebung des Zinsenausmaßes behoben werden? Der Grund liegt offenbar darin, daß jetzth Kreditpapiere aller Art zu niedrigen Kursen, also mit verhältnismäßig höheren Zinsen || S. 303 PDF || und ohne alle mit Hypothekarforderungen verbundene Unbequemlichkeit den Kapitalisten zu Gebote stehen. iSoll nun die Rivalität dieser Kapitalanlegung mit jener auf Hypotheken durch die freie Konkurrenz behoben werdeni, so muß das Erträgnis des hypothekarischen Kapitals so hoch hinaufgetrieben werden, daß es dem Geldgeber mehr Nutzen abwirft als jene Kreditpapiere. Der Grundbesitzer wird aber jin der Regelj nicht imstande sein, eine so hohe Belastung zu tragen. kEs wird daher der Zinsfuß zwar steigen, aber doch nicht zu der Höhe, welche für den spekulierenden Kapitalisten lockend werden könnte, und der Grundbesitzer wird trotz der angeblich in seinem Interesse bewirkten Zinsenerhöhung doch kein Geld bekommen. Der Hypothekarkredit im großen kann sich erst wieder heben, wenn die Geldverhältnisse im allgemeinen wieder normaler geworden und die Kurse der Kreditpapiere gestiegen sind. Im übrigen kann dem großen Grundbesitzer nur geholfen werden durch Hypothekarinstitute, welche nicht Gewinn bezwecken, sondern sich nur die Aufgabe stellen, so wohlfeil als möglich zu leihen, dem kleinen Grundbesitzer aber durch Wiederherstellung der kumulativen Waisenkassen und die Vervielfältigung ähnlicher Institute, die, unter dem Einflusse von Grundbesitzern stehend, ihre Geschäfte auf ein kleines Gebiet beschränkenk . Ad 2. scheint es der Würde der Regierung nicht angemessen zu sein, einerseits die Stipulierung höherer als der bisher gesetzlich erlaubten Zinsen zu gestatten, und andererseits denselben oder dem diesfälligen Mehrbetrage die Einbringlichkeit vor Gericht zu versagen. lAuf ein dauerndes Rechtsverhältnis, wie es Hypothekarschulden begründen, scheine ihm eine solche Behandlung nicht anwendbar. Wie soll in einer Erbteilung die Belastung der Hypothek berechnet werden, auf welcher ein Kapital haftet, für das höhere Zinsen bedungen wurden? Zudem würde schon die Gestattung der höheren Zinsforderung ohne Zweifel die Folge haben, den Zinsfuß des größten Teiles an bereits bestehenden Satzposten durch die Drohung mit Aufkündigung in die Höhe zu treiben und dadurch die Lage der Grundbesitzer, ohne daß daraus für die allgemeinen Verhältnisse irgendwelcher Nachteil entstünde, in dem gegenwärtigen, für sie ohnedies ungünstigen Zeitpunkte wesentlich zu verschlimmern.l Auf ein dauerndes Rechtsverhältnis, wie es Hypothekarschulden begründen, scheine ihm eine solche Behandlung nicht anwendbar. Wie soll in einer Erbteilung die Belastung der Hypothek berechnet werden, auf welcher ein Kapital haftet, für das höhere Zinsen bedungen wurden? Zudem würde schon die Gestattung der höheren Zinsforderung ohne Zweifel die Folge haben, den Zinsfuß des größten Teiles an bereits bestehenden Satzposten9 durch die Drohung mit Aufkündigung in die Höhe zu treiben und dadurch die Lage der Grundbesitzer, ohne daß daraus für die allgemeinen Verhältnisse irgendwelcher Nachteil entstünde, in dem gegenwärtigen, für sie ohnedies ungünstigen Zeitpunkte wesentlich zu verschlimmern. Der Kultusminister würde daher weder die Meinung ad 1. noch ad 2. teilen, sondern sich dem Antrage des Justizministers ad 3. auf Aufrechthaltung des Status quo anschließen.

Nur bezüglich Ungerns hätte er gewünscht, daß dort die von jeher bestandene, erst mit Einführung des ABGB. aufgehobene 6 %ige Verzinsung der Hypothekarkapitalien wieder hergestellt werden könnte, weil es ihm nicht angemessen erschiene, in diesem Kronlande einen doppelten Zinsfuß, nämlich den 6 %igen bei den vor und den 5 %igen bei den nach || S. 304 PDF || jenem Zeitpunkte kontrahierten Schulden fortbestehen zu lassen, was mzur Folge haben muß, daß die Kapitalien, welche eine Plazierung auf Hypotheken suchen, immer vorzugsweise zur Erwerbung alter Satzposten im Wege der Zession statt zu neuen Elozierungen werden verwendet werdenm zur Folge haben muß, daß die Kapitalien, welche eine Plazierung auf Hypotheken suchen, immer vorzugsweise zur Erwerbung alter Satzposten im Wege der Zession10 statt zu neuen Elozierungen11 werden verwendet werden, dann weil es im Interesse der Landeskultur wünschenswert erscheint, den Zufluß größerer Geldmittel nach diesem Lande durch den Reiz einer höheren Verzinsung zu vermehren, nwährend die Durchführung der Kommassationsverhandlung vielen Grundbesitzern Gelegenheit zu einer so vorteilhaften Kapitalsverwendung bietet, daß sie die höhere Verzinsung leicht zu tragen imstande wären.n während die Durchführung der Kommassationsverhandlung12 vielen Grundbesitzern Gelegenheit zu einer so vorteilhaften Kapitalsverwendung bietet, daß sie die höhere Verzinsung leicht zu tragen imstande wären. Nachdem ihm jedoch hierüber von den Ministern des Inneren und der Justiz dagegen eingewendet worden, daß von jenen älteren Hypothekarschulden oein sehr großer Teilo mit 5 %igen Grundentlastungsobligationen im Nennwerte abgezahlt worden, es also gegenüber den auf solche Art abgefertigten Gläubigern unbillig, wo nicht ungerecht wäre, neuen Gläubigern eine höhere als die 5 %ige Verzinsung zuzugestehen, daß ferner das Hindernis des lebhafteren Aufblühens der Landeskultur nicht so sehr in dem Mangel an Kapitalien als vielmehr in der unverhältnismäßigen Ausdehnung der Grundkomplexe selbst und in dem Mangel an Ansiedelungen zu suchen sei, so glaubte der Kultusminister auf diesem seinem Antrage nicht weiter bestehen und sich auch in diesem Punkte der Ansicht des Justizministers konformieren zu sollen.

Der Generaladjutant Sr. Majestät FML. Freiherr v. Kellner erklärte, sich dem vom Armeeoberkommando bei der diesfälligen Verhandlung abgegebenen Votum bezüglich der Militärgrenze anzuschließen, und der Chef der Obersten Polizeibehörde , pachdem er während des Ganges der vorangegangenen Verhandlung mit dem Justizministerium dieselben Ansichten vertrat, schloß sich auch itzt ebenfalls der Meinung des Justizministers anp .

Der tg. gefertigte Vorsitzende endlich erklärte sich ebenfalls für die Meinung des Justizministers, indem er bei dem Umstande, daß in reichen und in der Kultur entwickelten Ländern ein niedriger, in den minder entwickelten ein höherer Zinsfuß besteht, die Erhöhung des Zinsfußes in einem Staate für ein Armutszeugnis ansehen müßte und sich der Hoffnung überläßt, daß die Zeit, wo man in Österreich Geld zu 4½ % auf Hypotheken leicht bekommen konnte, wiederkehren werde, sobald die unter besonderen Einflüssen entstandene, derzeit noch überwiegende Neigung der Kapitalisten, sich an Kreditpapieren aller Art in so ausgedehntem Maße zu beteiligen, infolge der vom Finanzminister in Aussicht gestellten Konjunkturen und Maßregeln in das rechte Geleise wird zurückgeführt worden sein. Jedenfalls würde er aber eine angemessene Revision der Wuchergesetze und sonach deren Einführung in den Kronländern, wo sie nicht bestehen, befürworten.

|| S. 305 PDF || Sonach hat sich die Mehrheit der Konferenz mit den Anträgen des Justizministers ad 1.–4. vereinigt; die Konferenz ist ferner dem Antrage ad 5. einstimmig beigetreten und hat gegen den Vorbehalt ad 6. gegenwärtig nichts zu erinnern gefunden13.

II. Gehaltserhöhung für die Professoren der Staatsrechnungswissenschaft in Padua und Pavia

Der Unterrichtsminister referierte über die zeuge seines Vortrags vom 12. Februar 1858, KZ. 643, MCZ. 564, zwischen ihm und dem Finanzminister obwaltende Meinungsdifferenz in betreff der Erhöhung der Gehalte für die Professoren der Staatsrechnungswissenschaft an den Universitäten zu Pavia und Padua von 1000 auf 1200 f. und glaubte, diesen hierauf abzielenden, im Geiste der mit der kaiserlichen Verordnung vom 23. Oktober 1857 ausgesprochenen Gleichstellung des Lehrpersonals an den italienischen Universitäten mit jenen der anderen [Universitäten]14 liegenden Antrag gegen die Einsprache des Finanzministers der Ah. Genehmigung Sr. Majestät empfehlen zu dürfen15.

Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Wien, den 2. Mai 1858.