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Nr. 422 Ministerkonferenz, Wien, 10. Dezember 1857 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Buol-Schauenstein; BdE. und anw. (Buol 10./19. 12.), vidit Bach, Thun (bei I-III abw.), Toggenburg, Bruck, Nádasdy, gesehen Kempen 15. 12., Für Se. Exzellenz den Herrn Ersten Generaladjutanten Sr. Majestät des Kaisers Kellner 16. 12.

MRZ. – KZ. 5000 –

Protokoll der zu Wien am 10. Dezember 1857 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministers des kaiserlichen Hauses und des Äußern Grafen v. Buol-Schauenstein.

I. Erweiterung des Wirkungskreises Sr. k. k. Hoheit des Herrn Erzherzogs Generalgouverneurs des lombardisch-venezianischen Königreichs

Der Minister des Inneren referierte seinen Antrag vom 3. Dezember 1857, KZ. 5321, MCZ. 4691, wegen Erweiterung des Wirkungskreises Sr. k. k. Hoheit des Herrn Erzherzogs Generalgouverneurs des lombardisch-venezianischen Königreiches auf die Bewilligung nicht normalmäßiger Ruhegenüsse und Gnadengaben an Angestellte von Gemeinden und an deren Witwen und Waisen bis zu dem von der Gemeindevertretung angetragenen Belaufe, dann auf die Bewilligung ebensolcher Genüsse aus dem Vermögen oder Einkommen der unter der Tutel der Staatsverwaltung stehenden Stiftungen und Wohltätigkeitsanstalten auf Grundlage übereinstimmender Anträge der Behörden.

Die Konferenz war mit diesem Antrage einverstanden1.

II. Rückkehrbewilligung für die politischen Flüchtlinge Paul v. Hajnik und Ludwig Cornides

Handelt es sich um eine Differenz zwischen den Ministern des Äußern, des Inneren, der Finanzen und der Justiz einer-, dann dem Chef der Obersten Polizeibehörde andererseits in betreff der Bewilligung der straffreien Rückkehr für die politischen Flüchtlinge Paul v. Hajnik und Ludwig Cornides.

Bezüglich des Hajnik haben sich sowohl die vorgenannten Minister als auch die übrigen Stimmen der Konferenz der Ansicht des Chefs der Obersten Polizeibehörde konformiert, daß demselben dermal die straffreie Rückkehr nicht zu bewilligen sei, weil er nach verläßlichen Notizen mit der revolutionären Emigration nicht nur nicht gebrochen, asondern bis Endea August 1857 regelmäßig an Kossuth relationiert habe, auch anderweitigen Parteiumtrieben nicht fremd geblieben sei.

|| S. 231 PDF || Was den Cornides anbelangt, so beharrte der Chef der Obersten Polizeibehörde ebenfalls auf dessen Zurückweisung, weil er als Bürgermeister nicht nur ein Bataillon Guerillas organisiert, sondern auch sich an dessen Spitze gestellt, in hervorragend militärischer Stellung zum großen Nachteile der k. k. Truppen auch in terroristischer Weise gewirkt und einen k. k. Soldaten hat erschießen lassen, sodaß das Generalgouvernement noch im September 1856 sich gegen dessen Zulassung erklärte und erst jetzt, ohne daß eine wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten wäre, auf dessen Begnadigung anträgt.

Alle übrigen Stimmen der Konferenz erklärten sich aber für die Begnadigung, nachdem Cornides sich nach dem Vorausgeschickten einer umfassenderen revolutionären Tätigkeit als so viele andere, die bereits begnadigt wurden, nicht schuldig gemacht hat, zu den Häuptern der Revolution nicht gerechnet werden kann und es bedenklich wäre, von dem zum Abschlusse dieser leidigen Angelegenheit angenommenen Prinzip durch Vervielfältigung der Kategorien der Flüchtlinge abzugehen. FML. Freiherr v. Kellner stimmte für Cornides’ Begnadigung insbesondere aus dem Grunde, weil diese auch dem Haupturheber der Guerillas, Beniczky, bwelcher sämtliche Guerillas Oberungarns organisierte, deren Chef war, als solcher die kaiserlichen Truppen 1849 bei Losontz überfiel, kaiserliche Waffen raubte, kaiserliche Soldaten erschießen ließ und ganz Oberungarn durch längere Zeit unter revolutionärer Botmäßigkeit hielt, daher auch zum Tode durch den Strang und nur aus ganz besondern Rücksichten zu 20jährigem Festungsarrest in Eisen verurteilt worden warb, zuteil geworden ist2.

III. Aufhebung des gesetzlichen Wertes der Goldmünzen

Der Finanzminister referierte den mit seinem Vortrage vom 5. Dezember 1857, KZ. 5409, MCZ. 4759, vorgelegten Entwurf einer kaiserlichen Verordnung, womit in Gemäßheit des Münzvertrags vom 24. Jänner 1857 3 vom 1. Mai 1858 an für alle Goldstücke inländischen Gepräges die Eigenschaft einer gesetzlichen Landesmünze und der gesetzliche Wert in Silbermünze, dann der gesetzliche Umlauf der Goldmünzen ausländischen Gepräges aufzuhören hat und der Finanzminister ermächtigt wird, diejenigen im Betriebe des Staats befindlichen Verkehrs- und Gewerbsanstalten, bei denen künftig Goldstücke als Zahlung zuzulassen sind, sowie deren Sorten zu bestimmen und die Wertbeträge zu regeln, zu welchen sie statt Silber angenommen werden. Die Konferenz fand dagegen nichts zu erinnern4,c .

IV. Entwurf des Patents zur Durchführung der Münzregulierung

Der Finanzminister referierte über den Entwurf eines Patentes zur Durchführung des neuen Münzpatents vom 19. September 1857 5. Dieser Entwurf ist bei dem Finanzministerium von einer aus Abgeordneten aller Ministerien zusammengesetzten Kommission einstimmig angenommen worden6.

Nur bezüglich der Teilung des Guldens hat sich eine Differenz darin ergeben, daß der Abgeordnete des Justizministeriums dessen Teilung in 300 Teile beantragte. Nachdem jedoch schon im Patente vom 19. September 1857 die Teilung in 100 Teile ausgesprochen worden, glaubte der Finanzminister und sohin die Konferenz, hierauf nicht weiter eingehen zu sollen7.

Ferner ist sich noch über die Benennung auszusprechen, welche der neuen Kupferscheidemünze zu geben sei. Der Finanz- und der Justizminister, dann der tg. gefertigte Präsident der Konferenz erklärten sich für die Benennung „Cent“, weil dieselbe dem vorgestellten Teilbetrage entspricht, sich an die in anderen Staaten übliche Benennungen der kleinsten Scheidemünze anschließt und geeignet ist, die Gleichförmigkeit der Benennung in der ganzen Monarchie mit Inbegriff des lombardisch-venezianischen Königreichs herzustellen, wenn dort, wo man sich kaum an die Benennung „Kreuzer“ gewöhnen wird, der alte „Centesimo“ und in den übrigen Kronländern der alte „Kreuzer“ aus dem Verkehre verschwunden sein wird. Alle übrigen (5) Stimmen der Konferenz waren aber für den Namen „Neukreuzer“, weil dieser der überwiegend größeren Mehrzahl des Volks mundrecht und geläufiger sein wird, als das ganz fremde Wort „Cent“, und nach dem Verschwinden des alten Kreuzers es (gleich wie es bei dem Wiener Währung Kupfergelde der Fall war) bei der gewohnten Benennung „Kreuzer“ schlechthin verbleiben kann. FML. Freiherr v. Kellner stimmte insbesondere auch darum für „Neukreuzer“, damit nicht durch die Verwechslung des Cent mit dem gegenwärtigen Centesimo im lombardisch-venezianischen Königreiche beim Kleinverkehr Irrungen veranlaßt werden8.

Was den übrigen Inhalt des Patententwurfs betrifft, so wurden gegen einzelne Bestimmungen desselben von den Ministern für Kultus und Unterricht und für Handel, Gewerbe und öffentliche Bauten Anstände und Bedenken erhoben, welche dden Finanzminister veranlaßten, darauf anzutragen, daß solche durch die eingangs erwähnte Kommission vorher erörtert würdend den Finanzminister || S. 233 PDF || . Zu diesem Ende lud er die Minister ein, ihre Abgeordneten in geeigneter Weise zu instruieren und die Beratung in der Ministerkonferenz einstweilen auszusetzen, womit man sich allerseits einverstanden erklärte9.

V. Darlehen für den Hamburger Senat

Der Finanzminister brachte zur Kenntnis der Konferenz, daß mit Ah. Genehmigung Sr. Majestät aus den Silbervorräten der Nationalbank dem Hamburger Senate ein Darleihen von 10 Millionen Mark B[anco]10 zugesichert worden sei, um der dortigen Geldkrise abzuhelfen11.

VI. Zulage für den Kreisgerichtspräses Emerich Potochnjak

Der Justizminister referierte über die zwischen ihm und dem Finanzminister obwaltende Differenz in betreff der Beteilung des Kreisgerichtspräses in Cattaro, Emerich Potochnjak, mit einer Personalzulage jährlicher 400 fr. (Vortrag vom 27. November 1857, KZ. 5251, MCZ. 4627) und glaubte seinen Antrag auf deren Gewährung, gegen die Einsprache des Finanzministers, in der Rücksicht der Ah. Genehmigung empfehlen zu dürfen, daß hierin ein wesentliches Mittel liegt, dem Ah. Dienste auf dem so wenig anziehenden und so geringe Vorteile darbietenden Posten in Cattaro einen tüchtigen und zuverlässigen Gerichtsvorsteher zu erhalten12.

VII. Gesetz über die Privatrechtsverhältnisse der Aktiengesellschaften

Der Justizminister referierte über die zufolge Ah. Kabinettschreibens vom 15. März 1857 13 mit den Ministern des Inneren, der Finanzen und des Handels gepflogene Verhandlung über die Notwendigkeit eines Gesetzes wegen der Privatrechtsverhältnisse der Aktienerwerbsgesellschaften und erhielt zu seinem, in Übereinstimmung mit den genannten Ministern gestellten Antrage vom 2. Dezember 1857, KZ. 5312, MCZ. 4681, die Ausarbeitung eines solchen Gesetzes vorderhand bis zur Einführung eines allgemeinen || S. 234 PDF || Handelsrechts auf sich beruhen zu lassen, die Zustimmung auch der übrigen Votanten der Konferenz14.

Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Wien, 20. Dezember 1857.