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Nr. 400 Ministerkonferenz, Wien, 19. Mai 1857 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Buol-Schauenstein; BdE. und anw. (Buol 19. 5.), Bach 26. 5., Thun, K. Krauß (BdE. fehlt) a , Toggenburg, Bruck, Kempen 26. 5.; abw. Schlitter.

MRZ. – KZ. 1890 –

Protokoll der zu Wien am 19. Mai 1857 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministers des kaiserlichen Hauses und des Äußern Grafen v. Buol-Schauenstein.

I. Vorarbeiten für verschiedene Eisenbahnprojekte betreffend

Der Handelsminister brachte mit Beziehung auf die Konferenzberatung vom 13. d. M. (ad I.) über den Antrag wegen Einstellung der Konzessionserteilungen zu Eisenbahnunternehmungen zur Kenntnis der Konferenz, daß

1. ein Ah. bezeichnetes Gesuch des Grafen Königsegg um die Bewilligung zur Vornahme der Vorarbeiten für eine Eisenbahn von Tyrnau durch das Waagtal nach Oswiecim, dann über Szent Miklos bis gegen Kaschau, unterm 5. d. M. Sr. Majestät mit dem Einraten auf Ah. Bewilligung unter der Bedingung vorgelegt worden sei, daß der Bittsteller auch Studien über die durch das Olsatal über Jablunkau und Teschen führende Linie vornehmen lasse, und mit dem Bedeuten, daß ihm diese Bewilligung zu den Vorarbeiten kein Recht auf die definitive Konzession gebe, auch eine Zinsengarantie von Seite des Staats nicht in Aussicht gestellt werden könne1.

2. daß der Handelsminister weiters ein Ah. bezeichnetes Gesuch mehrerer Unternehmer wegen Erteilung der vorläufigen Konzession zu den Vorarbeiten für eine Bahn von Bologna über Ferrara und Rovigo nach Padua Sr. Majestät mit dem Antrage unterlegen werde, die Bittsteller bescheiden zu dürfen, wienach unter den gegenwärtigen Verhältnissen ihrem Ansuchen nicht willfahrt werden könne2, endlich

3. daß er ein Gesuch mehrerer Unternehmer zur Vornahme der Studien für eine von Monza nach Lecco zu führende Eisenbahn in seinem Wirkungskreise abweislich zu bescheiden gedenke.

II. Attest über die Befähigung großherzoglich Badenscher Untertanen zum Realitätenbesitz in Österreich

bEine hiesige Hausbesitzerinb hat beim Ministerium des Inneren behufs der Durchsetzung eines Rechtes im Großherzogtume Baden um ein Zeugnis gebeten, worin bestätigt || S. 100 PDF || wird, daß großherzoglich Badensche Untertanen in Österreich unbewegliche Güter erwerben können. Bei der Gremialberatung im Ministerium war man der Meinung, dieses Einschreiten abweisen zu sollen, nachdem ein gleiches, früher beim Justizministerium überreichtes Gesuch von diesem war zurückgewiesen worden.

Diese Zurückweisung erfolgte jedoch, wie der Justizminister bemerkte, aus dem Grunde, weil es sich um eine Bestätigung vornehmlich über den Bestand politischer Gesetze handelte und weil die im Patente vom 9. August 1854 dem Justizminister übertragene Bestätigung des Bestandes von Gesetzen sich nur auf Justizgesetze beziehen kann3. Die im vorliegenden Falle maßgebenden Gesetze sind 1. die Deutsche Bundesakte, welche bestimmt, daß die Untertanen deutscher Bundesstaaten in allen Ländern des deutschen Bundes Grundeigentum erwerben können, ohne darum höheren Abgaben als die eigenen Untertanen des betreffenden Bundesstaates unterworfen zu werden4, 2. das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, welches den Ausländern in der Regel gleiche Rechte wie den Inländern zusichert, endlich 3. das Hofdekret von 1825, wornach Untertanen der deutschen Bundesstaaten Rustikalgründe in Österreich besitzen können5.

Der Minister des Inneren war der Ansicht, daß dem Bittsteller [sic!] die Bestätigung über das Bestehen dieser Gesetze ohne Anstand erteilt werden dürfte. Es bestehen wohl in konfessioneller Beziehung einige Beschränkungen, indem die Possessionsfähigkeit der Juden der besondern Ah. Schlußfassung Sr. Majestät vorbehalten6 und die Frage über die Zulässigkeit der Niederlassung der Protestanten in Tirol noch nicht ausgetragen ist7. Indessen sind dies Beschränkungen, welche auch die Inländer treffen und auf Partikulargesetzen beruhen, deren Aufrechthaltung auch in der Bundesakte reserviert ist. Der Minister des Inneren würde daher glauben, daß die von ihm der bittstellenden Partei hinauszugebende Bestätigung sich lediglich über den Bestand der oben 1 – 3 zitierten Gesetze zu verbreiten, von jenen Partikularbeschränkungen aber keine Erwähnung zu machen hätte. Die Konferenz war hiermit vollkommen einverstanden8.

Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Laxenburg, den 1. Juni 1857.