MRP-1-3-06-0-18570414-P-0391.xml

|

Nr. 391 Ministerkonferenz, Wien, 14. April 1857 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Buol-Schauenstein; BdE. und anw. (Buol 14. 4.), gesehen Bach, gesehen Thun, K. Krauß, Toggenburg, Bruck, Kellner; abw. Kempen.

MRZ. – KZ. 1274 –

Protokoll der zu Wien am 14. April 1857 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministers des Äußern und des kaiserlichen Hauses Grafen v. Buol-Schauenstein.

I. Kirchenbau in der Leopoldstadt zu Pest

Nachdem auf Ah. Befehl Sr. Majestät der Bau der Kirche in der Leopoldstadt zu Pest1, welche unter der Leitung der städtischen Kommission durch den Baumeister Hild2 seit dem Jahr 1846 in Angriff genommen worden, seither aber ins Stocken geraten ist, wegen des dringenden Bedürfnisses der dortigen Bevölkerung nunmehr mit möglichster Beschleunigung wieder aufgenommen und beendigt werden soll, hat der Kultusminister nach Einsicht der Vorverhandlungen und der bisherigen Ergebnisse gegen den Finanzminister die Absicht ausgesprochen, daß die Bauführung von der Regierung selbst in die Hand genommen und zur einstweiligen Deckung der ersten Bedürfnisse, mit Vorbehalt der Entscheidung über die Beischaffung der noch weiters erforderlichen Geldmittel, ein Betrag von 100.000 f. aus dem ungrischen Religionsfonds angewiesen werde3.

Über den vom Finanzminister erhobenen Zweifel, ob der Religionsfonds diese Summe entbehren könne, und ob nicht weitere Anforderungen an den Staatsschatz selbst gestellt werden würden, war der Kultusminister in der Lage zu versichern, daß der ungrische Religionsfonds einen baren Kassastand von 120.000 f. darbiete, also jenen Beitrag, der überdies nicht auf einmal angesprochen werden würde, allerdings leisten könne. Der Bau wird natürlich viel mehr kosten, da aber die Stadtgemeinde außerstand ist, für denselben etwas zu tun, die Sammlungen nur geringen Ertrag erwarten lassen und die ganze Angelegenheit unter der bisherigen ganz unzweckmäßigen Leitung nicht belassen werden kann, wenn zu einem Resultate gelangt werden soll, so erachtete der Kultusminister, daß Se. Majestät zu bitten wären auszusprechen, daß die Stadtgemeinde von der Bauführung enthoben, diese letztere samt dem bereits vorhandenen Gemäuer, Materiale und Baufonds einer von Sr. Majestät einzusetzenden Kommission übergeben und die Kommission angewiesen werde, mit Zuziehung eines tüchtigen Architekten das Bauprojekt einer genauen Prüfung und mit Rücksicht auf die bereits ausgeführten Teile einer Umarbeitung zu unterwerfen, ordentliche Überschläge zu verfassen und das Gutachten zu erstatten, ob dem Baumeister Hild die Ausführung des Baues weiters überlassen werden könne.

|| S. 54 PDF || Der Finanzminister besorgte, daß durch einen solchen Ausspruch der ganze Bau dem Ärar zur Last fallen werde. Er glaubte daher, darauf hindeuten zu sollen, daß, nachdem Se. Majestät die 900.000 f., welche für den Schloßbau in Ofen bestimmt waren4, zur Verwendung für Landeszwecke sich vorzubehalten geruht haben, hieraus die Mittel für den in Rede stehenden Kirchenbau genommen werden dürften.

Der Minister des Inneren fand es prinzipiell bedenklich, Gelder, welche, wie obige 900.000 f., aus Landesmitteln aufgebracht, einen Bestandteil des Landesfonds bilden, zu einem Kirchenbaue zu verwenden, da Kirchenbauten nach dem bestehenden System niemals aus Landesmitteln, sondern aus den durch die Gesetze hierzu besonders vorgezeichneten Quellen bestritten werden5.

Weiters bemerkte der Handelsminister , daß ihm auch der vorläufige Ausspruch, den Bau von Seite der Staatsverwaltung zu übernehmen, nicht angemessen erscheine, weil ihr hiermit die ganze Patronatslast aufgebürdet würde, während doch zunächst die Gemeinde berufen scheint, für ihr kirchliches Bedürfnis selbst zu sorgen. Gegenwärtig ließe sich nicht einmal ermessen, was für eine Summe zu dem Bau erforderlich sei.

Es schien daher diesem Stimmführer sowohl als auch den übrigen Votanten notwendig, vorerst durch einen tüchtigen Fachmann den Stand der Sache an Ort und Stelle untersuchen zu lassen und über das Weitere erst dann zu beratschlagen, wenn erhoben ist, wie weit der Bau bisher gediehen, wie das Gebaute beschaffen und ob es, so wie das Projekt überhaupt, zur Ausführung geeignet, ob und was für ein Baufonds vorhanden und was zur Ausführung noch weiters erforderlich ist.

Der Kultusminister, diesem Beschlusse sich konformierend, wird sich wegen Benennung eines hierzu geeigneten Kunstverständigen mit dem Minister für öffentliche Bauten ins Einvernehmen setzen6.

II. Gehaltsregulierung des Lehrpersonals an der Musterhauptschule zu Prag

Der Unterrichtsminister referierte über die Meinungsdifferenz, welche zeuge seines Vortrags vom 12. April 1857, KZ. 1475, MCZ. 1342, zwischen ihm und dem Finanzminister über die beantragte Regulierung beziehungsweise Erhöhung der Gehalte des Direktors und der Lehrer an der k. k. Musterhauptschule in Prag obwaltet7.

Während der Finanzminister auf seiner Ansicht gegen die beabsichtigte Erhöhung der Gehalte vornehmlich aus der Rücksicht beharrte, daß die Direktoren in den Provinzialhauptstädten (Wien ausgenommen) nirgends mehr als 800 f., meist aber nur 700 und || S. 55 PDF || 600 f. haben, die Klassenlehrer aber selbst in Wien nur mit 600 f., anderwärts mit 500 und 400 f. besoldet sind, mithin bei der angetragenen Erhöhung des Gehalts des Direktors in Prag auf 900 f. und der Lehrer auf 700 f. von Seite des Lehrpersonals in den übrigen Kronländern ebenfalls Ansprüche auf Gehaltserhöhung hervorgerufen werden würden, die dann nicht wohl abgewiesen werden könnten, erachtete die Mehrheit der Konferenz doch dem Einraten des Unterrichtsministers beipflichten zu sollen, nachdem derselbe hervorgehoben hatte, daß einerseits die Lehrer in Wien gegenwärtig für den Präparanden-Unterricht8, der in Prag unentgeltlich gegeben wird, Remunerationen per 50 f. jährlich für jede Stunde wöchentlich beziehen, andererseits die Direktoren und Lehrer in anderen Kronlandshauptstädten weder in Beziehung auf den Umfang noch auf die Wichtigkeit des Unterrichts mit jenen in Prag auf gleiche Stufe sich stellen können9.

III. Restaurierung des St. Stephansdoms in Wien

Der Kultusminister hat aus Anlaß des ihm von Sr. Majestät übergebenen Gesuches des Wiener Erzbischofs um Bewilligung einer Subvention von jährlich 100.000 f. aus dem Staatsschatze zur Restaurierung des St. Stephansdomes, dann um Genehmigung der Errichtung eines Dombauvereins zu gleichem Zwecke, mit dem Finanzminister Rücksprache gepflogen, von diesem aber mit Berufung auf den Stand der Finanzen für dermal eine ablehnende Antwort erhalten. Inzwischen wurden sowohl vom Statthalter als vom Chef der Obersten Polizeibehörde über den Gefahr drohenden Baustand der Kirche Mitteilung gemacht, welche es als dringend nötig erscheinen lassen, daß hierwegen eine Vorsorge getroffen werde10.

Es kann auch nicht zweifelhaft sein, daß dieses herrliche Denkmal gotischer Baukunst nicht dem Verfalle preisgegeben werden dürfe, dem es bei dem bisherigen stückweisen und planlosen Ausbessern entgegen ginge. Mit Rücksicht auf die nicht zu verkennenden finanziellen Schwierigkeiten glaubte der Kultusminister erwägen zu müssen, wie weit in dieser Sache zu gehen sei. Das Projekt des Erzbischofs bezielt, außer der Herstellung des guten Baustandes, die vollständige Restaurierung des Inneren der Kirche und den Ausbau des zweiten Turms. Ob letzterer möglich ist, darüber läßt sich gegenwärtig noch gar nicht entscheiden. Die innere Restaurierung und Ausschmückung der Kirche ist ein Bedürfnis, das verschoben werden kann. Wahrhaft unvermeidlich aber ist gegenwärtig die Herstellung des guten und sicheren Baustands, und zwar in umfassender und durchgreifender Weise. Der Kultusminister wäre daher der Meinung, daß lediglich zu diesem Behufe ein Beitrag von 60.000 f. jährlich aus dem Staatsschatze, vorläufig auf fünf Jahre, zu bewilligen, unter dem Vorsitze des Erzbischofs ein besonderes Baukomitee zu bestellen, die Leitung des Baues dem als tüchtigen Architekten und Kenner der gotischen Bauart bekannten Kranner11 zu übertragen und das Komitee anzuweisen wäre, nach vorläufiger genauer || S. 56 PDF || Erhebung des gegenwärtigen Baustandes das zur Konservierung dringend Notwendige sogleich vorzukehren, rücksichtlich alles übrigen, dann wegen Restaurierung des Inneren sowie wegen Ausbau des zweiten Turms die weiteren Anträge zu erstatten. Endlich wäre die Errichtung eines Dombauvereins in thesi zu genehmigen und der Erzbischof aufzufordern, dessen Statuten vorzulegen.

In der Hauptsache war die Konferenz mit dem Antrage des Kultusministers einverstanden. Was den aus dem Staatsschatze zu bewilligenden Beitrag betrifft, so vereinigte man sich, da der Finanzminister anfänglich nur für 40.000 f., das Doppelte der für die Markuskirche in Venedig Ah. bewilligten Dotation12, stimmte, schließlich in dem Mittelbetrage von 50.000 f. Bezüglich der Übertragung der Bauführung an den Architekten Kranner erachtete die Mehrheit der Konferenz, nach dem Antrage des Minister des Inneren , daß dagegen zwar nicht der geringste Anstand obwalten, daß jedoch diese Bestimmung kein Gegenstand der Ah. Entscheidung Sr. Majestät sein, sondern von Allerhöchstdemselben dem Minister des Kultus anach Einvernehmung des diesfalls zu bildenden Baukomiteesa überlassen werden dürfte.

In Ansehung des Dombauvereins endlich äußerte der Handelsminister , daß ihm die Gründung eines solchen zu dem Zwecke, um durch Kollekten die Restaurationskosten aufzubringen, weder der Würde der Staatsverwaltung noch dem großen Zwecke selbst zu entsprechen scheine. Es handelt sich um die Erhaltung des größten und herrlichsten Monuments der Residenzstadt eines großen Reiches, um einen Dom, in dem seit Jahrhunderten die kirchliche Feier der wichtigsten Staatsereignisse stattfindet, dessen Patron der Landesfürst ist, und ein solches Werk sollte auf die Opfergaben der Gläubigen angewiesen werden? Der Mailänder Dom hat eine fixe bedeutende Jahresdotation13, ein protestantischer König widmet dem Ausbau einer katholischen Kirche außerhalb seiner Residenz einen Jahresbeitrag von 50.000 Talern14.

Wohl besteht auch für diesen ein Dombauverein, aber seine Zuflüsse sind zumeist auf obige Dotation und die Beiträge eines andern deutschen Königs beschränkt, während der Ertrag der Kollekten in steter Abnahme begriffen ist. Bei den unablässigen Ansprüchen, die von allen Seiten an die öffentliche Wohltätigkeit gemacht werden, ist auch eine lebhafte und nachhaltige Beteiligung der Bevölkerung für die Restauration der Stephanskirche kaum zu erwarten. Der Handelsminister würde daher statt eines Vereins die Einsetzung einer lf. Dombaukommission beantragen, welche den Bau zu leiten und zu überwachen und außer der Staatsdotation allenfalls noch die Mitleidenschaft der Stadtgemeinde im Wege einer ordentlichen Verhandlung in Anspruch zu nehmen hätte. Freiwillige Gaben von Privaten würden nicht ausgeschlossen sein. Auch der tg. gefertigte Minister || S. 57 PDF || des Äußern fand Bauvereine überhaupt und insbesondere mit Rücksicht auf deren Ausbreitung über das Ausland nicht angemessen. Nachdem jedoch der Kultusminister bemerkt hatte, daß bei dem lebhaften Interesse, das sich für diese Angelegenheit im Publikum kundgibt, die Bildung eines Vereins zu dem gedachten Zwecke sich kaum werde hindern lassen, durch den Vorbehalt der Prüfung der Statuten aber Gelegenheit geboten ist, die zweckdienlich scheinenden Einschränkungen vorzunehmen, vereinigte sich die Mehrheit der Konferenz in dem Antrage auf Zulassung des Dombauvereins gegen dem, daß dessen Wirksamkeit auf das Innere der Monarchie beschränkt, jeder direkte oder indirekte Zwang durch Kollekten oder Einladungen von Haus zu Haus ausgeschlossen und das Vereinsstatut zur Ah. Genehmigung vorgelegt werde15.

IV. Aufzahlung an den Bauunternehmer Benedikt Perwög für die Finstermünzer Straße

In der Meinungsdifferenz, welche zwischen dem Handelsminister zeuge seines Vortrags vom 14. März 1857, KZ. 1012, MCZ. 920, und dem Finanzministerium in betreff einer Aufzahlung von 5394 f. 24 Kreuzer an Benedikt Perwög für die bei dem Finstermünzer Straßenbau16 vorgekommenen und ziffernmäßig nachgewiesenen Mehrleistungen obwaltet, hat sich die Mehrheit der Konferenz gegen die Einsprache des Finanzministers aus den vom Handelsminister im Vortrage dargestellten Billigkeitsrücksichten für die Ah. Gewährung jener Aufzahlung im Gnadenwege ausgesprochen17.

V. Mautkonzession für die Ofener Tunnelaktiengesellschaft

Der Handelsminister referierte über das Einschreiten der Aktiengesellschaft des Tunnelbaues in Ofen um Erhöhung des Prozents und der Dauer ihres Mautprivilegiums. Das Prozent wurde mit 5 % des Anlagekapitals, die Dauer mit 50 Jahren nach dem Einraten der Statthaltereiabteilung vom Handelsministerium beantragt. Hiergegen ist die Vorstellung der Gesellschaft gerichtet, welche ersteres auf 10%, letztere auf 90 Jahre erhöht haben will. Der Minister des Inneren unterstützte dieses Begehren, und der Finanzminister war mit ihm einverstanden18.

Auch der Handelsminister erklärte gegenwärtig, daß er den Mauttarif auf Grundlage der 5% des Anlagekapitals zu beschränkt finde und sich daher dem Einraten der beiden Minister auf dessen Erhöhung bis 10% umso mehr anschließe, als die Benützung des Tunnels lediglich von dem Belieben der Passanten abhängt, die sich daher eine beträchtliche Wegabkürzung wohl durch eine höhere Zahlung erkaufen können. Was dagegen die Dauer der Mautkonzession betrifft, so bemerkte der Handelsminister, daß bei einem Objekte, das im ganzen nur 300.000 f. kostete, ein 50jähriger Mautbezug bei dem erhöhten || S. 58 PDF || Tarif mehr als hinlänglich sein dürfte, um alle Interessen zu befriedigen, daß ferner 50 Jahre in der Regel das Maximum sind, das für derlei Unternehmungen bewilligt zu werden pflegt und eine Überschreitung desselben nur bei den größten Bauten, wie z. B. bei der Pester Kettenbrücke, die sechs Millionen kostete, zugestanden wird. Es hätte daher bei den 50 Jahren zu verbleiben. Der Minister des Inneren war hiermit gegen dem einverstanden, daß, wenn sich nach Ablauf dieser Konzessionsdauer zeigen sollte, daß nicht alle Aktien zurückgezahlt werden konnten, eine angemessene Verlängerung der Mautkonzession eintreten werde.

Gegen diesen Vorbehalt fand der Handelsminister nichts einzuwenden, und die Konferenz trat sonach einstimmig diesen Anträgen bei19.

Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Wien, den 23. April 1857.