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Nr. 372 Ministerkonferenz, Wien, 5. November 1856 – Protokoll II - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Buol-Schauenstein; BdE. und anw. (Buol 5./12. 11.), Bach, Thun, K. Krauß, Toggenburg, Bruck.

MRZ. – KZ. 4155 –

Protokoll II der zu Wien am 5. November 1856 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministers des Äußern und des kaiserlichen Hauses Grafen v. Buol-Schauenstein.

I. Erziehungsbeitrag für die v. Forsterschen Waisen

Der Minister des Inneren referierte über die laut seines Vortrags vom 28. Oktober 1856, KZ. 4192, MCZ. 3845, zwischen ihm und dem Finanzminister obwaltende Meinungsdifferenz in betreff der Bewilligung von Erziehungsbeiträgen von je 50 f. für die vier Kinder der Komitatsvorstandswitwe Wilhelmine v. Forster und erachtete, seinen günstigeren Antrag aus dem im Vortrage geltend gemachten Rücksichten der Ah. Gnade Sr. Majestät empfehlen zu dürfen1.

II. Erziehungsbeitrag für die Kreisarztwaise Franz Stephan Kratter

Die Differenz zwischen den Ministern des Inneren und der Finanzen über die Ziffer des für den Sohn der Kreisarztwitwe Anna Kratter unterm 30. Oktober 1856, KZ. 4240, MCZ. 3889, beantragten Erziehungsbeitrags wurde durch die Vereinigung beider Minister in dem Einraten auf jährlich 60 fr. behoben.

III. Unterstützung für die Lehrerswitwe Josepha Jehlicka

Der Unterrichtsminister glaubte seinen mit Vortrag vom 28. Oktober 1856, KZ. 4263, MCZ. 3908, gegen die Einsprache des Finanzministers gestellten Antrag auf eine Unterstützung der Gymnasiallehrerswitwe Josepha Jehlicka mit 150 fr. aus den dort angeführten Motiven der Ah. Gnade Sr. Majestät empfehlen zu können2.

IV. Gehaltsbemessung für Professor Jakob Głowacki

In der zwischen dem Unterrichtsminister zeuge Vortrags vom 17. Oktober 1856, KZ. 4075, MCZ. 3746, und dem Finanzminister bestehenden Meinungsverschiedenheit über die Modalität der dem Professor der ruthenischen Sprache in Lemberg Jakob Głowacki zu gewährenden Erhöhung seiner Bezüge haben sich die mehreren Stimmen der Konferenz dem Einraten des Unterrichtsministers aus der von demselben hervorgehobenen Rücksicht angeschlossen, daß Głowacki als ordentlicher Professor an der Universität bestellt ist.

V. Ersatz der aus der Depositenkasse in Görz entwendeten Gelder

Der Justizminister brachte die in seinem Vortrage vom 29. Oktober 1856, KZ. 4258, MCZ, 3906, auseinandergesetzte Meinungsverschiedenheit zum Vortrage, welche zwischen ihm und dem Finanzministerium in bezug auf den Ersatz der aus der Kreisgerichtskasse in Görz entwendeten Depositen im Betrage von 519 f. 55 2/3 Kreuzer aus dem Staatsschatze besteht.

Indem der Finanzminister auf der Ansicht beharrte, daß der Ersatz dieser Gelder, deren Entwendung durch Außerachtlassung der Vorschrift vom 16. Juni 1854 von Seite der betreffenden Beamten erleichtert wurde, dem Staatsschatze nicht zur Last fallen könne, weil derselbe für ein Verschulden seiner Beamten nur dann haftet, wenn er durch ein besonderes Gesetz hierzu verpflichtet ist, welche Verpflichtung im Falle der Frage durch kein Gesetz ausgesprochen wird, traten adie Minister des Inneren, des Unterrichts und des Handelsa dem Antrage des Justizministers bei, weil sie annahmen, daß den Parteien gegenüber, welche in ihren Angelegenheiten sich der vom Staate bestellten Beamten und Einrichtungen unterwerfen müssen, zunächst nur der Staat, freilich gegen Regreß an die eigentlich Schuldtragenden, verantwortlich sei3.

VI. Personalvermehrung bei den lombardisch-venezianischen Statthaltereien

Der Minister des Inneren referierte über die abweichenden Ansichten des Finanzministers in der mit Vortrag vom 19. Oktober 1856, KZ. 4040, MCZ. 3708, zur Ah. Entscheidung vorgelegten Verhandlung über die Personalvermehrung bei den Statthaltereien zu Mailand und Venedig, und zwar: 1. wegen bleibender Bestellung der Vizepräsidenten. In diesem Punkte konformierte sich der Finanzminister dem wohlbegründeten Antrage des Ministers des Inneren; 2. wegen Einführung der niedrigsten Gehaltsstufe von 2000 fr. für die Statthaltereiräte. Gegen diesen Antrag ward vom Minister des Inneren geltend gemacht, daß die gedachte Gehaltskategorie bei den lombardisch-venezianischen Statthaltereien niemals bestand, selbst bei der letzten Organisierung nicht eingeführt wurde, mithin auch gegenwärtig aus Anlaß einer so geringen, auf das äußerste Diensterfordernis beschränkten Vermehrung um zwei Räte umso weniger eingeführt werden dürfte, als sie selbst in dienstlicher Beziehung nicht unbedenklich ist. Denn, da nach dem natürlichen Stufengange das Avancement vom Vizedelegaten oder Hof- beziehungsweise Ministerialsekretär zum Statthaltereirate erfolgt, beide Kategorien aber in der höhern systemisierten Gehaltsstufe mit 2000 f. besoldet sind, so würde die beabsichtigte Beförderung eines tüchtigen Beamten aus dieser Klasse an der Schwierigkeit scheitern, einen solchen auf einen Statthaltereiposten zu befördern, bei dem er nichts an Gehalt gewinnt und noch die Übersiedlung bestreiten muß. Die Erfahrung hat dies schon bestätigt bei den anderen Statthaltereien, wo die Ratsstufe mit 2000 f. systemisiert ist. Endlich ist zu erwägen, daß der italienische Beamte in der Regel auf das Avancement im Lande beschränkt ist, daher eine Schmälerung hierin schwer empfinden würde4.

Der Finanzminister entgegnete: So sehr er geneigt wäre, zur Verbesserung der || S. 205 PDF || Lage der Staatsbeamten beizutragen, so erlaubte ihm doch der Stand der Voranschläge nicht, auf alle nur darauf abzielende Anträge einzugehen. Nachdem die Kategorie von 2000 f. bei den Statthaltereien der anderen Kronländer besteht, so sei kein Grund vorhanden, selbe bei den lombardisch-venezianischen bei Gelegenheit einer im Verhältnis zum Status von sechs Räten nicht unerheblichen Vermehrung um zwei nicht ebenfalls einzuführen. Die Einwendung wegen des erschwerten Avancements dürfte durch die sukzessive Vorrückung der Räte aus 2000 f. in die höheren Stufen behoben sein, und was die Beschränkung auf das Avancement im Lande betrifft, so liegt die Schuld davon lediglich in den italienischen Beamten selbst5. Ihm pflichtete der tg. gefertigte Vorsitzende in der Rücksicht bei, weil die Abstufung in mehrere Gehaltsklassen den Diensteifer der Beamten anspornt und die Einführung der bisher nicht bestandenen Stufe von 2000 fr. keinen der vorhandenen Räte beeinträchtigt, indem nur die neu zu Ernennenden – und zwar mit dem Vorrückungsrechte in die höheren Stufen – in dieselbe eintreten würden. Die Stimmenmehrheit der Konferenz vereinigte sich dagegen mit der Ansicht des Ministers des Inneren.

3. Einführung von Dienersgehilfen mit 216 fr. und 4. Verschmelzung der Registranten und Kanzlisten in eine Kategorie der „Offiziale“.

Auch diese beiden Anträge unterstützte der Finanzminister vornehmlich mit dem Gleichheitsprinzipe, da diese beiden Einrichtungen bei den Statthaltereien der übrigen Kronländer bestehen. Aber der Minister des Inneren mit der Mehrheit der Konferenz erklärte sich gegen dieselben, weil die erstere wegen Unzulänglichkeit des Gehalts von 216 f. auch in den andern Kronländern hart empfunden wird, und die letztere weder einen finanziellen noch einen dienstlichen Vorteil gewähren würde, die Erfahrung in den andern Kronländern vielmehr gelehrt hat, daß das Zusammenwerfen der Kanzlisten und Registranten in einen Status bei der wesentlichen Verschiedenheit ihrer Dienstesverrichtungen keine gute Wirkung getan hat6.

VII. Tihanyischer Fideikommiß

Der Minister des Inneren glaubte, seinen Antrag vom 20. Oktober 1856, KZ. 4041, MCZ. 3709, wegen Bewilligung für Franz v. Tihanyi auf Errichtung von drei Fideikommissen – gegen die Ansicht des Obersten Gerichtshofs und des Justizministeriums wegen Beschränkung auf eines – durch die Rücksicht begründen zu können, daß Se. Majestät die Errichtung von Fideikommissen in Ungern überhaupt begünstigt wissen wollen, und daß die Haupteinwendung des Justizministeriums über die große Anzahl der bereits bewilligten und noch weiters angesuchten Fideikommißerrichtungen nicht in dem vorausgesetzten Umfange bestehe. Unter diesen Verhältnissen erklärte der Justizminister , auf seiner von dem Antrage des Ministers des Inneren abweichenden Ansicht nicht weiter verharren zu wollen7.

VIII. Verkauf des Gebäudes degli Eremiti in Venedig

Der Unterrichtsminister referierte über den Vortrag des Finanzministers vom 16. Oktober 1856, KZ. 4068, MCZ. 3740, wegen Veräußerung des der Amortisationskasse8 gehörigen, bisher von den Brüdern Cavanis für die Scuola di Carità benützten Gebäudes degli Eremiti in Venedig.

Nachdem der Finanzminister darin den Antrag stellt, die Veräußerung des genannten Gebäudes zu sistieren, wenn die Gemeinde den Mietzins samt Steuern und Reparaturen übernimmt, nachdem er sich ferner damit einverstanden erklärt, den bisherigen Beitrag von 200 f. aus dem Studienfonds bis zur Besserung der ökonomischen Verhältnisse der Stadt zu belassen, so fand der Unterrichtsminister, dem es vornehmlich um den Fortbestand des Instituts der Scuola di carità in den bisherigen Verhältnissen zu tun ist, gegen diesen Antrag umso weniger etwas einzuwenden, als auch der Handelsminister bestätigte, daß die Stadt die gedachten Auslagen zu übernehmen berufen und geeignet sei9.

IX. Besetzung eines Teuffenbach’schen Stiftplatzes im Theresianum

Über die zwischen dem Minister für Kultus und Unterricht, dann dem Minister des Inneren laut des Vortrags vom 9. Oktober 1856, KZ. 3917, MCZ. 3590, obwaltende Meinungsdifferenz in betreff der Besetzung eines Teuffenbachschen Stiftungsplatzes niederösterreichischer Abteilung in der Theresianischen Akademie hat der Unterrichtsminister die jenem Vortrage beigelegte umständliche schriftliche Äußerung abgegeben10.

Im Grundsatze erklärten sich alle Stimmführer der Konferenz mit der darin entwickelten Ansicht über die Auslegung der Stiftungsurkunden einverstanden. Nachdem aber darin auch zugegeben wird, daß eine Abweichung von dem Vorschlage der Stände unter besonders rücksichtswürdigen Umständen zulässig sei, so glaubte der Minister || S. 207 PDF || des Inneren aus den schon in seinem obzitierten Vortrage dargestellten Gründen dem Kandidaten Pohlberg den Vorzug vor Weiss einräumen zu müssen, und der Justizminister trat ihm umso mehr bei, als ihm die ausgezeichneten 50jährigen Dienste des Vaters des Kandidaten, welcher selbst in Österreich geboren ist, sowie die Verhältnisse der Familie bekannt sind, die bei dem Alter und der Kränklichkeit der Mutter wahrscheinlich sehr bald dieser Stütze beraubt werden wird.

Dagegen erklärte der Unterrichtsminister unter Beziehung auf sein schriftliches Votum11 diese Verhältnisse nicht für so geartet ansehen zu können, um von dem ebenfalls wohl begründeten Vorschlage der Stände abzugehen, und die übrigen, also mehreren Stimmen, vereinigten sich mit seinem Antrage12.

X. Verbot der Bücherentlehnung aus der k. k. Hofbibliothek

Aus einer Eingabe des Akademikers Freiherr v. Hammer-Purgstall13 hat der Minister für Kultus und Unterricht ersehen, daß die k. k. Hofbibliothek durch das Verbot, orientalische Werke aus ihrer Sammlung selbst an Gelehrte zur Benützung außer den Lesezimmern zu verabfolgen, eine Repressalie von Seite der kaiserlich französischen Bibliothek hervorgerufen hat, was, bdie Richtigkeit der Tatsache vorausgesetztb, im Interesse der Wissenschaft jedenfalls sehr zu beklagen ist.

Der Unterrichtsminister glaubte daher die Aufmerksamkeit der Konferenz und insbesondere des tg. gefertigten Vorsitzenden Ministers des kaiserlichen Hauses und des Äußern auf diesen von der Praxis der k. k. Universitätsbibliothek ganz abweichenden Vorgang lenken und um die Veranlassung der Abstellung desselben, die dann auch die Zurücknahme der Repressalie herbeiführen dürfte, ersuchen zu sollen. Unter beifälliger Zustimmung sämtlicher übrigen Minister erklärte der Minister des Äußern , welcher übrigens schon in dem Falle war, ähnliche Begehren bei dem k. k. Obersthofmeisteramtec – jedoch vergeblich – zu unterstützen, daß er bereit sei, auf eine sofort von dem Unterrichtsminister an ihn zu richtende schriftliche Mitteilung derneute Vorstellungen in dieser Beziehung zu machend,14.

XI. Gebührenzahlung von Seite der Oedenburg-Wiener Neustädter-Eisenbahngesellschaft

Der Handelsminister referierte über die Verschiedenheit der Ansichten, welche zeuge des Vortrags vom 16. Oktober 1856, KZ. 4065, MCZ. 3737, zwischen ihm und dem Finanzministerium darüber besteht, ob die bestandene Oedenburg-Wiener Neustädter-Eisenbahngesellschaft für die Überlassung der benannten Eisenbahn an die Staatsverwaltung außer der im § 13 des diesfälligen Vertrags stipulierten Stempelgebühr von 15 Kreuzern per Bogen des einen Kontraktexemplares noch irgendwelche Perzentualgebühr zu entrichten habe. Nachdem es, wie der Handelsminister bemerkte, weder beim Abschlusse des Vertrags noch bei Erstattung des diesfälligen || S. 208 PDF || Vortrags vom 31. Juli 1854 15 in der Absicht lag, die Gesellschaft einer anderen Abgabe als der erwähnten Stempelgebühr zu unterwerfen, ihr auch in diesem Sinne mit Vorwissen des damaligen Handels- und Finanzministers16 ausdrückliche Zusicherungen gemacht worden sind, so erklärte der Finanzminister gegen den im Sinne seines Amtsvorgängers gestellten gegenwärtigen Antrag des Handelsministers auf Loszählung der Gesellschaft von der ihr später angesonnenen Gebührenentrichtung nichts mehr einwenden zu wollen. Jedenfalls müsse jedoch die Ah. Genehmigung Sr. Majestät dazu erbeten werden17.

Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Wien, 13. November 1856.