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Nr. 366 Ministerkonferenz, Wien, 15. Oktober 1856 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Buol-Schauenstein; BdE. und anw. (Buol 15. 10.), Bach 18. 10., Thun, K. Krauß, Toggenburg; abw. Bruck.

MRZ. – KZ. 2970 –

Protokoll der zu Wien am 15. Oktober 1856 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministers des Äußern und des kaiserlichen Hauses Grafen v. Buol-Schauenstein.

I. Wappen und Titel Sr. Majestät des Kaisers

Der Minister des Inneren referierte über das neue Wappen und den Titel Sr. Majestät nach seinem Vortrage vom 27. Julius 1856, KZ. 3059, MCZ. 2793.

In merito war die Konferenz mit dem Entwurfe des Titels und Wappens – bis auf einen einzigen Punkt – vollkommen einverstanden. Dieser Punkt ist die Annahme des Titels „Herr der Militärgrenzlande“ und des für dieselben ausgesonnenen Wappens. Nach dem Erachten der Minister für Kultus und Unterricht, der Justiz und für Handel, Gewerbe und öffentliche Bauten sollte dieser Titel und dieses Wappen nicht aufgenommen werden, weil beide – ungeachtet des hundertjährigen Bestandes der Militärgrenze und der seitdem mehrmals eingetretenen Regentenwechsel – noch nie geführt wurden; weil ferner die Militärgrenze nicht ein eigenes Land, sondern nur ein in administrativer Beziehung von den Kronländern Kroatien, Slawonien, dem Banate und (als die sieben-bürgische Militärgrenze bestand) von Siebenbürgen ausgeschiedener Grenzgebietsteil ist, wofür auch die geschichtliche Akquisition der bezeichneten Gebiete spricht; auch diese allein – nicht aber eine bloß administrative Verwaltungsform – bei Bestimmung des Titels und Wappens zu berücksichtigen sein dürfte; weil endlich die Aufnahme dieses neuen Titels und Wappens einer etwaigen spätem administrativen Reform, Vorschiebung der Militärgrenze oder Aufhebung der ganzen Institution präjudizieren oder doch die Notwendigkeit einer abermaligen Änderung des Titels und Wappens zur Folge haben würde. Der Minister des Inneren glaubte nichtsdestoweniger auf seinem Antrage für Annahme dieses Titels und Wappens beharren zu sollen, weil die Militärgrenze von Seite der obersten Militärverwaltung stets als ein von dem Provinziale gänzlich ausgeschiedenes Territorium angesehen und behandelt wird, und zum Teil, namentlich bezüglich der banatischen Grenze, schon bei der Akquisition außer allem Verband mit dem Zivillandesteile gesetzt worden ist. Auch der tg. gefertigte Vorsitzende nahm keinen Anstand, sich dem Antrage des Minister des Inneren anzuschließen, nachdem auch für andere, von den vormaligen Erbländern in jüngster Zeit abgetrennte Gebietsteile, als für die serbische Woiwodschaft und das Temescher Banat, die Bukowina etc. besondere Titel und Wappen angenommen wurden, und wenn in der Folge weitere Trennungen stattfinden sollten, konsequent für die abgetrennten Teile auch neue Titel und Wappen geschaffen werden müßten.

Rücksichtlich der Form der Verlautbarung des neuen Titels und Wappens erklärten sich alle Stimmen für die mittelst Patents, und zwar mit dem einzuschaltenden üblichen Beisatze: „Nach Vernehmung Unserer Minister und Anhörung Unseres Reichsrates“1.

II. Erbauung einer Eisenbahn in Serbien durch die Gesellschaft der Kaiser Franz Joseph-Orientbahn

Der Handelsminister referierte über einige Begehren der Kaiser Franz Joseph-Orientbahngesellschaft in betreff der in Serbien zu erbauenden Eisenbahn von Belgrad bis Alexinacz.

Wegen dieses Bahnbaus steht die genannte Gesellschaft mit der serbischen Regierung in Unterhandlung, und es ist bereits eine Punktation zustandegekommen, welche adie letztere anzunehmen geneigt scheinta,2. Die Gesellschah bittet nun 1. um die Ermächtigung, mit der serbischen Regierung behufs des definitiven Abschlusses unmittelbar unterhandeln zu dürfen, und 2. um die Vermittlung einer verbindlichen Erklärung der genannten Regierung der k. k. Regierung gegenüber, daß sie die der Gesellschaft zugesicherten Bedingungen, insonderheit die Garantie eines 7%igen Ertrags etc., einhalten werde. Was die Bitte ad 1. betrifft, so handelt es sich dabei um die Frage, ob die Konzession zum Bau jener Bahn von der serbischen Regierung allein erteilt werden kann, oder ob hierzu auch die Genehmigung der Pforte erforderlich ist3. Nach dem einstimmigen Erachten des Handelsministers und des tg. gefertigten Minister des Äußern unterliegt es keinem Anstande, daß die Gesellschaft unmittelbar mit dem Fürsten von Serbien hierwegen unterhandle. Die k. k. Regierung, welche ein wesentliches Interesse daran hat, daß die in Rede stehende Bahn einer österreichischen Gesellschaft überlassen und jedem fremden Einflusse entzogen werde, würde sich in dieser Beziehung vorderhand auf die Erklärung zu beschränken haben, daß sie das Unternehmen billige, welche Erklärung nicht nur der Gesellschaft, sondern auch dem k. k. Konsulate in Serbien zur geeigneten Gebrauchsnahme bei der dortigen Regierung zu geben wäre. Welche weitern Schritte durch die k. k. Internuntiatur in Konstantinopel bei der Pforte zu machen wären, hinge von dem Ergebnisse der direkten Unterhandlung der Gesellschaft mit der serbischen Regierung ab. Nur wenn hier alles vollkommen festgestellt sein wird, könnte auch dort mit Erfolg gewirkt werden.

ad 2. Eine verbindliche Erklärung der serbischen gegenüber der k. k. Regierung in betreff der Einhaltung der Konzessionsbedingnisse würde eine Gegenerklärung der k. k. Regierung zur Folge haben müssen, daß diese ihrerseits die österreichische Gesellschaft zur Erfüllung der von derselben übernommenen Verpflichtungen verhalten werde.

|| S. 183 PDF || Unmittelbar zwischen den beiden Regierungen ausgewechselt, nähmen sie den Charakter eines Staatsvertrages an, welcher jedoch nach dem ebenfalls einstimmigen Erachten des Ministers des Äußern und des Handelsministers mit Rücksicht auf das staatsrechtliche Verhältnis Serbiens zur Pforte mit der Regierung des erstern direkte nicht abgeschlossen werden kann. Es wäre daher auf dieses Begehren insofern nicht einzugehen, als es darauf gerichtet ist, daß die fragliche Erklärung der serbischen unmittelbar von der k. k. Regierung provoziert werde. Wohl aber könnte es der Gesellschaft überlassen werden, bei ihrer Unterhandlung mit der serbischen Regierung zu erwirken, daß diese eine derartige Erklärung an die k. k. Regierung gelangen lasse, welche sodann von der letzteren mit der Gegenerklärung einer Garantie der Erfüllung der von der Gesellschaft übernommenen Verpflichtungen erwidert werden würde. Die k. k. Regierung hätte sich übrigens ihrerseits von der Gesellschaft die nötige Sicherstellung leisten zu lassen, um der serbischen Regierung gegenüber jene Verbindlichkeit übernehmen zu können. In diesem Sinne würde sonach der Handelsminister die Eingabe der Gesellschaft erledigen und behufs der weiteren Einleitungen die Mitteilung an den Minister des Äußern gelangen lassen. Die Konferenz fand hiergegen nichts zu erinnern – nur in Ansehung der von der k. k. Regierung zu übernehmenden Garantie der Erfüllung der Verpflichtungen der Gesellschaft gegenüber der serbischen Regierung sprach sich der Justizminister dahin aus, daß ihm solche nicht rätlich zu sein scheine, weil weder die Tragweite derselben noch die Mittel bekannt sind, durch welche die k. k. Regierung die Gesellschaft zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten in einem fremden Lande zu verhalten vermöchte.

Bei diesem Anlasse brachte der Handelsminister auch die Jurisdiktionsfrage zur Sprache. In den türkischen Provinzen genießen bekanntlich die k. k. Untertanen das privilegierte Forum bei den k. k. Konsulaten4. Dieses Privilegium auf die österreichische Eisenbahngesellschaft unbedingt angewendet, würde der fürstlichen Regierung die Verfolgung ihrer Rechte und Aufrechthaltung der Ordnung sehr erschweren. Der Handelsminister erachtete daher, daß, nach dem Beispiele anderer Unternehmungen, die genannte Gesellschaft als moralische Person den Landesgesetzen unterworfen, den Individuen derselben aber, sofern sie k. k. Untertanen sind und individuell belangt werden, das Konsulatsforum vorbehalten sein soll. Hiermit war die Konferenz einverstanden5.

Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Ischl, am 24. Oktober 1856.