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Nr. 359 Ministerkonferenz, Wien, 22. Juli 1856 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Buol-Schauenstein: BdE. und anw. (Buol 22. 7./12. 8.), Thun, Toggenburg; außerdem anw. Bach; abw. K. Krauß; abw. und BdE. Bruck (7. 8.).

MRZ. – KZ. 2965 –

Protokoll der zu Wien am 22. Juli 1856 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministers des Äußern und des kaiserlichen Hauses Grafen v. Buol-Schauenstein.

I. Befugnis [im öffentlichen Dienst] Angestellter zum Studieren an öffentlichen Lehranstalten

Der Unterrichtsminister referierte den nach Einvernehmen mit den Zentralstellen ausgearbeiteten Entwurf einer Verordnung in betreff des Studierens der im öffentlichen Dienste Angestellten. Nach demselben kann allen im lf. Dienste bleibend oder provisorisch, mit oder ohne Gehalt verwendeten Personen die Aufnahme in eine öffentliche Lehranstalt zum ordentlichen oder außerordentlichen Studium, wenn sie sonst dazu geeignet sind und es ohne Beeinträchtigung des Dienstes geschehen kann, gegen Beibringung der schriftlichen Bewilligung des Amtsvorstehers zugestanden werden, welche Bewilligung in der Regel auf ein Jahr erteilt wird, nach Bedarf aber auch verlängert werden darf.

In der Hauptsache war die Konferenz mit dem Antrage einverstanden. Rücksichtlich einiger Detailbestimmungen aber hatten sich schon bei der schriftlichen Verhandlung einige Differenzen ergeben, und zwar a) wollten das Armeeoberkommando und die Oberste Rechnungskontrollbehörde die Bewilligung zum Studium nicht dem betreffenden Amtsvorstande des Bewerbers sondern sich selbst vorbehalten wissen. Der Unterrichtsminister hätte dagegen nichts einzuwenden; nur glaubte er, daß die diesfällige Bestimmung nicht in den Verordnungsentwurf, sondern in eine von den genannten Zentralstellen den ihnen unterstehenden Amtsvorständen zu erteilende Instruktion gehöre, nachdem es zunächst nur darauf ankommt, daß der Universitäts- oder Lehranstaltsbehörde von dem ohnehin in demselben Orte sich befindlichen unmittelbaren Amtsvorsteher des Aufzunehmenden die schriftliche Bewilligung produziert werde. Der Minister des Inneren war insbesondere gegen den Vorbehalt einer höheren Genehmigung, weil der unmittelbare Amtsvorstand am besten zu beurteilen vermag, ob ein Angestellter ohne Beeinträchtigung des Dienstes zum Studium zugelassen werden kann oder nicht. Der Handelsminister endlich glaubte die Besorgnis nicht unterdrücken zu können, daß zu viele solche Bewilligungen vorkommen dürften, und daß daher eine strenge Weisung an die Amtsvorstände notwendig sein wird, um nicht einen Zustand zur Regel zu machen, der nur Ausnahme sein soll, welche Besorgnis jedoch weder der Unterrichtsminister noch der Minister des Inneren nach der bisherigen Erfahrung, wo das Studieren der Angestellten seit 1848 ganz frei war, teilten1.

|| S. 163 PDF || b) Die Minister des Inneren und der Finanzena wollten die Verordnung nur auf das ordentliche, zum Eintritt in den Konzeptsdienst erforderliche Studium beschränken; außerordentliche Kollegien zu hören, sollte jedem Beamten unbenommen bleiben, und [es] würde die Einholung der Bewilligung des Amtsvorstandes hierzu nicht als notwendig sich darstellen, indem einzelne außerordentliche Studien nicht leicht, sondern nur das Hören der förmlichen Berufsstudienfächer mit der ungestörten Erfüllung der Amtspflichten in Kollision kommen dürften. Dieser, auch heute vom Minister des Inneren vertretenen Ansicht schloß sich der Handelsminister an, wogegen der Unterrichtsminister auf der Ausdehnung der Vorschrift auf das ordentliche und außerordentliche Studium beharrte, nachdem es sich hier nur um die Ausweisung einer persönlichen Berechtigung des Beamten gegenüber dem aufnehmenden Universitätsvorstande handelt und bei dem Kollegienbesuche bloß als außerordentlicher Hörer eine Kollision mit den Amtspflichten zwar nicht so leicht eintreten dürfte, dieselbe aber doch noch immerhin möglich ist, also eine Vorsichtsmaßregel dagegen rätlich erscheint2.

II. Erweiterung des Wirkungskreises der lombardisch-venezianischen Zentralkongregationen

Der Minister des Inneren referierte den Entwurf einer kaiserlichen Verordnung, wodurch nachträglich zu der mit Ah. Entschließung vom 17. Juli 1855 erfolgten Aktivierung der Zentralkongregationen des lombardisch-venezianischen Königreichs der Wirkungskreis derselben erweitert wird, nachdem dies durch die in Kraft verbleibende Erweiterung des Wirkungskreises der Provinzialkongregationen (Verordnung vom 4. und 10. August 1848), dann durch die Kreierung der Landesfonds in diesem Königreiche notwendig geworden ist.

Gegen den vorgelesenen Inhalt der kaiserlichen Verordnung fand die Konferenz nichts zu erinnern3.

III. Aufwand für die lombardisch-venezianischen Kongregationen

Bis zum Jahr 1848 war der Aufwand für die lombardisch-venezianischen Zentralkongregationen aus dem Staatsschatze bestritten worden; dafür flossen auch die zu diesem Zwecke erhobenen, sogenannten Territorialzuschläge zu den direkten Steuern in den Staatsschatz. Unter jenem Aufwande war auch die Dotation für die öffentlichen || S. 164 PDF || Wohltätigkeitsanstalten begriffen. Schon im Jahre 1852 verlangte das Finanzministerium die Einziehung der Staatsdotation für die Kongregationen; wollte auch nach der Wiederaktivierung der letzteren, deren Aufwand auf das Land, bezüglich auf den Landesfonds überweisen und keinesfalls mehr als die früher bemessenen Summen zu diesem Zwecke verwenden4,b .

Nach der Ansicht des Minister des Inneren beruht jedoch die Dotation der Kongregationen aus dem Staatsschatze auf einem Übereinkommen und auf der Erhebung der Territorialzuschläge für das Kameralärar. Solange daher diese letztern noch für den Staatsschatz erhoben werden, kann weder von einer Einziehung der Kameraldotation der Kongregationen, noch von einer willkürlichen Pauschalierung derselben, wie sie das Finanzministerium in der Beschränkung auf die bisher geleisteten Summen beabsichtigt, die Rede sein; es muß vielmehr der ganze wirkliche Bedarf der Kongregationen aus dem Staatsschatz bedeckt werden. Sollte in Ansehung der erwähnten Territorialzuschläge eine Änderung oder Regelung erfolgen, so bliebe auch eine entsprechende Änderung in der Erfolgung der fraglichen Staatsdotation vorbehalten.

Der Handelsminister erklärte sich mit dieser Ansicht des Minister des Inneren, der hiernach Vortrag an Se. Majestät erstatten wird, vollkommen einverstanden und auch die übrigen anwesenden Minister fanden dagegen nichts einzuwenden5.

Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Wien, den 4. November 1856.