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Nr. 356 Ministerkonferenz, Wien, 12. Julius 1856 – Protokoll I - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Buol-Schauenstein; BdE. und amv. (Buol 12. 7.), Bach 17. 7., Thun 23. 7., K. Krauß (anstelle Krauß’ bestätigte Lichtenfels die Einsicht mit dem Vermerk: In Abwesenheit des Herrn Justizministers 23. 7. Lichtenfels), Toggenburg; abw. Bruck.

MRZ. – KZ. 99/ [1857] –

[Tagesordnungspunkte]

Protokoll I der zu Wien am 12. Julius 1856 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministers des kaiserlichen Hauses und des Äußern Grafen v. Buol-Schauenstein.

I. Landgemeindeordnung

Gegenstand der Beratung war der beiliegende Entwurf der Landgemeindeordnung1. Hierüber wurde bemerkt: Zum § 18 wünschte der Justizminister , daß deutlich bestimmt werde, wann den Landgemeindenvorstehern zur Besorgung ihrer Geschäfte das nötige Personale beizugeben ist. Die Klausel: „Insoweit es überhaupt erforderlich ist“, wie es im Eingang des Paragraphes heißt, ist zu unbestimmt, und da es viele Gemeindenvorsteher, namentlich in Galizien und andern slawischen Ländern gibt, welche weder lesen noch schreiben können, also nicht imstande sein werden, die ihnen §§ 70 und ff. zugedachten Amtsverrichtungen zu besorgen, so wäre die Verpflichtung zur Bestellung von Gemeindeämtern oder Amtmännern für diejenige Gemeinde oder für mehrere zusammen auszusprechen, in welchen der Vorstand die Geschäfte zu besorgen nicht imstande ist. Für Gemeinden, die zu arm sind, dieser Bestimmung zu entsprechen, müßte vom Staate durch Bestellung eines solchen Amtmannes gesorgt werden. Die Bezirksämter zur Aushilfe für Gemeindegeschäfte in Anspruch zu nehmen, wäre bei ihrer Stellung zu den Gemeinden und bei ihrer schon itzt unerschwinglichen Last von Geschäften ganz unausführbar.

Der Minister des Inneren glaubte, daß die Geschäfte der kleineren Gemeinden von der Art seien, um – wie bisher – so auch künftig von jedem Ortsrichter ohne Anstand versehen werden zu können. Man lese die Posten 1–10 des § 79 zur Bestätigung des Angeführten. Solche Gemeinden werden in der Regel einer Beihilfe nicht bedürfen. Sie ist ihnen aber auch nicht verwehrt, wie der Eingang des § 18 zeigt, sondern dem Bedürfnisse vorbehalten. Darum erscheint ein weiterer Zwang hierbei nicht erforderlich, der den ärmeren Gemeinden hart fallen würde, nachdem auf eine Übernahme der Kosten der Bestellung der Gemeindeämter auf den Staatsschatz wohl nicht zu rechnen sein dürfte. Der Minister des Inneren und mit ihm die Mehrheit der Konferenz beharrte daher auf dem Texte des Entwurfs und nur der tg. Gefertigte || S. 154 PDF || glaubte, daß die Eingangsklausel: „Insofern es überhaupt erforderlich ist“ – nach der Andeutung des Justizministers abgeändert lauten dürfte: „Insoweit der Gemeindevorstand die ihm obliegenden Geschäfte zu besorgen nicht imstande ist, ist ihm etc.“

Zu § 17, 2. Absatz, wünschte der Kultusminister , daß die infolge des Gemeindegesetzes von 18492 aufgenommene Benennung „Bürgermeister“ bei den Dorfrichtern abgeschafft und zu der Benennung zurückgekehrt werde, die vor jenem Jahre üblich war. Der Minister des Inneren gab die Versicherung, daß dies auch im allgemeinen in der Absicht liege, jedoch der Durchführung des Gemeindegesetzes in den einzelnen Kronländern vorbehalten bleibe.

Im § 27, 2. Absatz, 2. Satz, muß es statt: „Sonst haben sie sich aus einem von ihnen etc“. heißen: „von einem aus ihnen“.

Bei § 37. Daß die Geistlichen in den Städten von der aÜbernahme von Gemeindeämter ausgeschlossen sind, hat mit Rücksicht auf die beiderseitigen Amtspflichten in einer Stadta, seinen guten Grund. In Landgemeinden tritt dieser nicht bim gleichen Maße ein; in dieser ist es immerhin möglich, daßb der Geistliche die Zeit hat, ein Gemeindeamt zu versehen, und der Gemeinde selbst ist damit gedient. Es wurde daher der § 37, 1. Satz, auf Anregung des Kultusministers cdahin geändert, daß Geistliche nur mit Genehmigung ihrer geistlichen Oberbehörde das Amt eines Gemeindevorstehers oder Beigeordneten in der Landgemeinde bekleiden können; der zweite Absatzc dahin geändert, daß Geistliche nur mit Genehmigung ihrer geistlichen Oberbehörde das Amt eines Gemeindevorstehers oder Beigeordneten in der Landgemeinde bekleiden können; der zweite Absatz entfällt nach dem, was zu dem einschlägigen § 51 der Städteordnung gesagt worden.

Überhaupt werden die Bemerkungen, welche zu einigen Bestimmungen der Städteordnung gemacht worden sind, bei denen der Landgemeindeordnung, soweit sie die ganz gleich lautenden enthalten, berücksichtigt werden, um sie in Einklang miteinander zu bringen.

Im § 47 hat bei dem Umstande, wo der Gemeindevorsteher auch von dem zweiten Beigeordneten vertreten werden kann, das Wort „ersten“ zu entfallen.

§ 71, 3. Absatz. Mit der unmittelbaren Unterordnung der katholischen Geistlichen unter das Bezirksamt war der Kultusminister einverstanden, doch wünschte er die Worte „der drei katholischen Ritus“3 durch die Worte „der katholischen Kirche“ zu substituieren, was auch angenommen wurde. Was die Unterordnung der Seelsorger und Religionslehrer der übrigen etc. Religionsgesellschaften betrifft, so wäre seines Erachtens wohl kein Anstand, den jüdischen Rabbiner dem Gemeindevorstande zu unterordnen. Indessen will er auch gegen die Exemtion desselben keine Einwendung machen. Auf die Anfrage des Ministers des Inneren , ob etwa den lf. Beamten und Schullehrern eine gleiche Exemtion zuzugestehen sei, antwortete die Konferenz übereinstimmend mit seinem Antrage mit: Nein.

§ 89. Hier und bei dem gleichlautenden § 131 der Städteordnung dürfte, nach der Meinung des Kultusministers auch der Modalität des Verkaufes mittelst || S. 155 PDF || Offerte erwähnt werden. Es ist dies wohl eine Art von öffentlicher Versteigerung, doch behielt sich der Minister des Inneren vor, diesen Antrag zu berücksichtigen.

§ 99 wird in Gemäßheit der zum § 141 der Städteordnung gegebenen Aufklärung modifiziert werden.

Schließlich behielt sich der Minister des Inneren vor, das Einführungspatent zu entwerfen, womit das Gesetz über den ausgeschiedenen herrschaftlichen Grundbesitz, dann die beiden Gemeindeordnungen publiziert werden sollten, mit denen dann gleichzeitig, aber in einem abgesonderten Patente das Heimatgesetz zu erscheinen hätte4.

Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Wien, 24. April 1859 5.