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Nr. 354 Ministerkonferenz, Wien, 5. Juli 1856 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Buol-Schauenstein; BdE. und anw. (Buol 5./14. 7.), Bach 10. 7., Thun 11. 7., K. Krauß, Toggenburg, Bruck.

MRZ. – KZ. 2301 –

Protokoll der zu Wien am 5. Julius 1856 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministers des Äußern und des kaiserlichen Hauses Grafen v. Buol-Schauenstein.

I. Regulierung der Tabakverschleißpreise

Der Finanzminister erbat sich und erhielt die Zustimmung der Konferenz zu nachstehenden, im Verfolg seines Ah. resolvierten Vortrags1 über die Regulierung der Tabakverschleißtarife zu stellenden Anträge: 1. wegen Erhöhung des Preises des Kautabaks in Tirol von 16 auf 24 Kreuzer, in Vorarlberg von 10 auf 15 Kreuzer, dann des Kübeltabaks in Tirol von 7 auf 13 Kreuzer, womit auch Se. k.k. Hoheit der Herr Erzherzog Statthalter2 vollkommen einverstanden war; 2. wegen Gleichstellung des Preises gewisser Tabaksorten a(extrafein und mittelfein, Dreikönig- und echter türkischer Rauchtabak)a und Zigarren Lit. K und L in Dalmatien mit jenem in den übrigen Kronländern, bdann Erhöhung des ordinär-türkischen von 1 f. 52 Kreuzer auf 3 f. 6 Kreuzerb, wogegen sich zwar der Statthalter erklärt hat, wofür aber die Finanzlandesbehörden nicht nur die Angemessenheit der diesfälligen Gleichförmigkeit, sondern auch den Umstand geltend machen, daß die Tabakverschleißer auch nach der Gleichstellung der Preise ihren entsprechenden Nutzen finden werden; 3. wegen Erhöhung des Preises des ordinären geschnittenen Tabaks in den neuen Monopolsgebieten, d. i. Ungern etc. per 19 Kreuzer (in den altmonopolisierten Ländern kostet er 29 Kreuzer), um dem Ärar für die Erhöhung der Tabakeinlösungspreise eine Entschädigung zu verschaffen. Se. k. k. Hoheit der Herr Erzherzog Generalgouverneur3 bemerkten hierüber, daß eine Erhöhung gerade die ärmere Volksklasse hart treffen würde; indessen stellen es Höchstdieselben dem Ermessen des Finanzministers anheim, ob die an sich billige Gleichstellung der Tabakpreise in Ungern mit jenen in den übrigen Kronländern etwa sukzessive bewirkt werden könne, wenn es mit den finanziellen Rücksichten vereinbar ist. Der Finanzminister beantragte demzufolge, vorderhand auch nur die Erhöhung des Preises von 19 auf 24 Kreuzer, nicht auf 29 Kreuzer, wie solcher anderwärts besteht. 4. Wegen Verminderung des Gewichts der Pakete des ordinären geschnittenen Tabaks in Galizien von 1 1/2 auf 1 1/4 Lot, nachdem sie anderwärts nur 1 Lot wiegen. 5. Wegen Aufhebung der Konzession zum Tabakbau für den eigenen Gebrauch in Ungern, Siebenbürgen, Woiwodina || S. 140 PDF || und Kroatien, nachdem diese Lizenzen dem Ärar einen nachgewiesenen Entgang von 660.000 f. beim Tabakgefälle verursacht, außerdem aber zu beständigen Plackereien sowohl der Parteien selbst, als auch der überwachenden Organe Anlaß gegeben haben, und nachdem bezüglich Ungerns die Mehrzahl der Finanz- und politischen Behörden, selbst Se. k. k. Hoheit damit einverstanden sind; in Siebenbürgen zwar nur die Hermannstädter und Brooser Bezirksdirektion schon itzt dafür stimmten, die andern aber für gegenwärtig es noch nicht angemessen hielten, in der Woiwodina und Kroatien endlich die Finanzlandesdirektionen unbedingt dafür gestimmt haben4.

II. Pensionserhöhung für den Kanzlistenwaisen Fortunato Uliani

In der zwischen dem Minister des Inneren zeuge seines Vortrags vom 30. Juni d. J., KZ. 2515, MCZ. 2314, und dem Finanzminister obwaltenden Meinungsdifferenz über die beantragte Pensions­erhöhung für den Kanzlistenswaisen Fortunato Uliani hat sich der Kultusminister für die strengere Ansicht des Finanzministers ausgesprochen, während der Justiz- und der Handelsminister einstimmig mit dem Minister des Inneren den Antrag auf Erhöhung der Pension um 30 f. der Ah. Gnade Sr. Majestät empfehlen zu dürfen erachteten5.

III. Privilegierte Exekution für die Aktiengesellschaft „Austria“

Zeuge des Vortrags der Minister des Inneren und der Finanzen vom 27. Juni 1856, KZ. 2488, MCZ. 2288, wegen Genehmigung der unter der Benennung „Austria“ gegründeten Aktiengesellschaft für landwirtschaftliche Unternehmungen besteht rücksichtlich des im § 47 der Statuten angesprochenen privilegierten Exekutionsverfahrens, wornach sich die Gesellschaft aus den Geldern, Effekten oder Produkten, die ihr verpfändet etc. wurden, vor allen anderen Gläubigern ohne gerichtliche Dazwischenkunft zahlhaft machen kann, und nur bei vom börsenmäßigen Verkehr ausgeschlossenen Gegenständen die Versteigerung beim Wiener Handelsgerichte anzusuchen haben soll, eine Meinungsdifferenz zwischen den Mitgliedern der ständigen Kommission in Vereinsangelegenheiten. Während nämlich der Abgeordnete des Justizministeriums gegen die Gewährung dieses Privilegiums stimmte, haben die übrigen sowie die beiden Vortrag erstattenden Minister sich dafür erklärt.

Der Justizminister trat der Ansicht seines Abgeordneten bei, weil eine Ausnahme von den Gesetzen nur dann zulässig ist, wenn sie durch einen überwiegenden Vorteil für das allgemeine Beste gerechtfertigt wird, welcher aber hier nicht nachgewiesen erscheint; weil ferner eine solche Ausnahme nicht notwendig ist, indem sich die Parteien nur das summarische Verfahren stipulieren dürfen, um im wesentlichen denselben Effekt zu erzielen; weil die Bestimmung: „vor allen andern Gläubigern“ die Rechte dieser, wenn sie etwa früher als die Gesellschaft ein Pfandrecht auf die der letztern übergebenen Gegenstände erworben hätten, beeinträchtigen, und auch die Befugnis zur Erwirkung der Versteigerung beim Wiener Handelsgerichte mit einer wesentlichen Erschwerung der Anwendung möglicher Rechtsmittel von Seite des auswärtigen Schuldners verbunden sein würde.

|| S. 141 PDF || Die beiden Vortrag erstattenden Minister bemerkten dagegen, daß, nachdem der Zweck der Gesellschaft auf die Hebung der Landeskultur und landwirtschaftlichen Industrie, also auf die Beförderung der allgemeinen Wohlfahrt gerichtet ist, die angetragene Begünstigung umso mehr als gerechtfertigt sich darstelle, als ohne dieselbe die Gesellschaft, wie bereits im Kommissionsprotokolle und im Vortrage gezeigt worden, nicht imstande wäre, die zum Besten der Produktion beabsichtigten Vorschußgeschäfte zu machen. Ihrer Ansicht traten sofort die übrigen Votanten der Konferenz bei.

IV. Verkauf von Staatsrealitäten an Protestanten in Tirol

Der Kultusminister , von Sr. Majestät beauftragt, seine Anträge über einen Vortrag Sr. k. k. Hoheit des Herrn Erzherzog Statthalters in Tirol6 wegen Ausschließung der Protestanten von der Ansiedlung in diesem Kronlande zu erstatten, hat in Erfahrung gebracht, daß mittlerweile ein ärarisches Montanwerk an einen Unternehmer verkauft worden, welcher dort lauter Protestanten angestellt habe. Da es bei Aufrechthaltung des Grundsatzes der Ausschließung der Protestanten von Tirol nicht angemessen wäre, wenn die Regierung selbst zur Veräußerung von Eigentum an solche die Hand bieten würde, so stellte er die Anfrage an den Finanzminister, ob und wie die Sache sich verhalte.

Dieser cgab die Auskunft, daßc nur das ärarische Messingwerk zu Achenrain im Versteigerungswege ausgeboten und von einem gewissen Neufersd [?] aus Wien erstanden worden ist. Über dessen und seiner Angestellten Konfessionsverhältnisse ist dem Finanzminister nichts bekannt. Bei diesem Anlasse bemerkte der Minister des Inneren , daß auch bei ihm zwei Rekurse anhängig sind, welche von zwei protestantischen Ausländern, welche Realitäten in Tirol gekauft und die bücherliche Anschreibung erwirkt haben, gegen die ihnen von Sr. k. k. Hoheit aufgetragene Erwirkung der Dispens zu dem Besitze derselben ergriffen haben. Der Kultusminister behielt sich vor, seinerzeit, wenn es sich um die Erstattung der eingangs erwähnten Anträge handeln wird, auch auf diese Umstände zurückzukommen7.

Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Laxenburg, 16. Juli 1856.