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Nr. 344 Ministerkonferenz, Wien, 2. Juni 1856 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Ransonnet; VS. Kaiser; BdE. und anw. (Buol 6. 6.), Bach 4. 6., Thun, K. Krauß, Toggenburg, Bruck, Kempen.

MRZ. – KZ. 1823 –

Protokoll der zu Wien am 2. Junius 1856 unter dem Ah. Vorsitze Sr. k. k. apost. Majestät abgehaltenen Ministerkonferenz.

I. Gnadenakt bezüglich des konfiszierten Vermögens verurteilter Revolutionäre aus Ungarn und seinen ehemaligen Nebenländern

Se. Majestät der Kaiser geruhten als den Gegenstand der heutigen Beratung zu bezeichnen: die Frage über die Behandlung des konfiszierten Vermögens verurteilter Hochverräter aus Ungarn und seinen ehemaligen Nebenländern.

Es stelle sich nämlich vom politischen, administrativen und finanziellen Standpunkte aus als zweckmäßig dar, die ungemein zahlreichen Konfiskationen von ganz kleinen oder auch größeren, aber sehr verschuldeten und dem Konkurs entgegengehenden Vermögenschaften nicht völlig durchzuführen, sondern den diesfälligen, ungemein verwickelten, zahllose Interessen Unschuldiger verletzenden und einen großenteils unproduktiven Aufwand von Zeit, Mühe und Geld verursachenden Verhandlungen durch einen, nur wenige Ausnahmen statuierenden, Gnadenakt ein Ende zu machen, welcher vielleicht an das bevorstehende Ereignis der Entbindung Ihrer Majestät der Kaiserin geknüpft werden könnte. aNachdem bei dieser Maßregel nicht das fiskalische Interesse als Richtschnur zu dienen hat, wären die Ausnahmen nura auf die am schwersten gravierten Individuen zu beschränken; da jedoch mehrere derselben zu den Reichsten des Landes gehörten, so würden noch immer der Konfiskation sehr bedeutende Besitztümer vorbehalten, aus denen ein Fonds zu Landeszwecken (Ablösung der Pester Kettenbrücke) gebildet werden könnte. Der Finanzminister referierte hierauf in Kürze über die bisherigen finanziellen Resultate der Konfiskation, von welcher Maßregel sehr viele Privatvermögen aller Art, mit Aktiven im Wert von mehreren Millionen bis zu 20 fl. herab getroffen wurden.

In Ungarn seien Aktiva im Gesamtbetrage von 14 Millionen fl. der Konfiskation verfallen. Darauf seien jedoch 7 Millionen [fl.] Passiva angemeldet, worunter etwa 3 Millionen bereits liquidiert und der Rest streitig oder noch in Verhandlung [sind]. Auf Rechnung des reinen Aktivums von ungefähr 6,800.000 fl. seien bereits 1,300.000 fl. an verschiedenen Entschädigungen angewiesen worden. Der größte Teil des Aktivrestes rühre von dem Vermögen der Grafen Ludwig und Kasimir Batthyány, Teleki, Baron Jeszenák, Paul Almásy, Kiss v. Ellemér und Pulszky her, welche insgesamt zu den am schwersten gravierten Hochverrätern gehören. Von der überwiegenden Mehrheit aller anderen Konfiskationen sei wenig oder gar kein finanzieller Erfolg zu erwarten.

In Siebenbürgen betrage das Aktivum der konfiszierten Güter 575.000 fl., worauf 65.000 fl. Passiven haften. Mit Ausnahme der konfiszierten Güter der schwer gravierten || S. 59 PDF || Grafen Haller und Karacsay handelt es sich dort meist nur um unbedeutende Vermögenschaften, bei welchen wenig oder gar kein Aktivrest zu erwarten steht. Bei diesem Verhältnisse würde selbst ein auf wenig Ausnahmen beschränkter Ah. Gnadenakt die reinen Aktiven in Ungarn und Siebenbürgen nicht bedeutend schmälern und doch den Gerichts- und den finanziellen Administrativbehörden eine dringend benötigte Erleichterung ihrer Geschäftslast zuführen.

Der Finanzminister, welcher diesen Gegenstand bereits mit den Ministern des Inneren und der Justiz vorläufig besprochen hat, glaubte sich daher von Sr. Majestät die Ah. Ermächtigung erbitten zu sollen, daß er mit diesen Ministern und dem Chef der Obersten Polizeibehörde über die Modalitäten dieses Ah. Gnadenaktes und insbesondere über die dabei festzustellenden Kategorien und Ausnahmen in förmliche Beratung treten und die diesfälligen au. Anträge Allerhöchstenortes unterbreiten dürfe.

Se. Majestät der Kaiser geruhten diese Ermächtigung Ag. zu erteilen und zugleich die Beratung über die Hauptgrundsätze zu eröffnen, welche bei jener ministeriellen Vorverhandlung im Auge zu behalten wären. Vor allem geruhten Allerhöchstdieselben die Willensmeinung auszusprechen, daß der Gnadenakt der Konfiskationsaufhebung ganz unabhängig von dem Vollzuge oder der Nachsicht der übrigen gegen einen Hochverräter kriegsgerichtlich ausgesprochenen Strafen eintrete, daß er somit demjenigen, der diese anderen Strafen bereits ausgestanden hat oder noch im Festungsarrest befindlich ist, ebenso zuteil werde wie jenen, denen die Todes- oder Freiheitsstrafe aus Gnade nachgesehen worden ist. Im Laufe der hierauf gefolgten Erörterung las der Justizminister die Kategorien der Würdenträger aus der ungarischen Revolutionsepoche, welche, seinem Ermessen nach, bals die am schwersten Graviertenb von dem Gnadenakte ausgeschlossen werden dürften; doch wurden diese Ausnahmen von mehreren Seiten als zu weit gehend befunden. Der Minister des Inneren glaubte, daß in der Publikation seinerzeit nicht sowohl die Kategorien der Begnadigten c(welche nur als Richtschnur pro foro interno zu dienen hätten)c auszusprechen, sondern bloß die Namen der einzelnen begnadigten Individuen bekannt zu machen wären. Der Minister des Äußern glaubte, daß man am schnellsten zu einem Resultate gelangen dürfte, wenn man sich vor allem über die wenigen auszunehmenden Verbrecher individuell verständigt und daraus die gesuchten Kategorien ermittelt. Auf die Bemerkung des Kultusministers , daß die Widmung des Aktivrestes für einen Landeszweck vielleicht mit der ursprünglichen Widmung des konfiszierten Vermögens zur Entschädigung von Verlusten Treugebliebener nicht vereinbarlich sein dürfte, wurde von den Ministern des Inneren und der Finanzen entgegnet, daß bis jetzt nur 1,300.000 fl. an Entschädigungen zuerkannt worden seien und erhebliche anderweitige Billigkeitsansprüche dieser Art nur noch von Seite der Grafen Szirmay und Szécsen bestünden, worüber Sr. Majestät au. Anträge werden erstattet werden.

Nach längerer Beratung geruhten Se. k. k. apost. Majestät folgende Hauptgrundsätze für die demnächst zu beginnende kommissionelle Erörterung zu reassumieren:

|| S. 60 PDF || 1. die völlige Trennung des Gnadenaktes der Vermögenszurückstellung von der Frage über die sonstige Strafe oder Begnadigung des Individuums;

2. die Beschränkung der Ausnahmen bei den in den k. k. Staaten befindlichen auf die am schwersten gravierten Hochverräter;

3. die vorläufige gänzliche Ausschließung der im Auslande lebenden Hochverräter, jedoch mit der Aussicht auf individuelle Gnadenakte für diejenigen unter ihnen, welche darum bitten und nach Österreich zurückkehren wollen. Doch ist bei den Anträgen auf die Behandlung der im Ausland befindlichen geflüchteten Ungarn auch das Verfahren, welches man den im Ausland lebenden lombardisch-venezianischen Flüchtlingen gegenüber beobachtet1, angemessen zu berücksichtigen.

4. Nachdem das konfiszierte Gut Kis-Bér bereits eine definitive Widmung für die Militärverwaltung erhalten hat, so könne dessen Verwendung für einen Landeszweck nicht mehr Platz greifen2.

II. Gründung einer Bank und Bau von Eisenbahnen in den Donaufürstentümern

Se. Majestät geruhten über den Stand der Verhandlungen wegen Gründung einer Bank, dann wegen des Baues von Eisenbahnen in den Donaufürstentümern Auskünfte zu begehren. Der Finanzminister brachte hierauf zur Ah. Kenntnis, daß nachdem FML. Graf Coronini3 die Absendung eines Bevollmächtigten zu diesem Ende als wünschenswert bezeichnet hatte, nächstens djemand dahin werde abgesendet werden. In betreff der Bankfrage werde Bankier Weikersheim in diesen Tagen zurückerwartetd jemand dahin werde abgesendet werden. In betreff der Bankfrage werde Bankier Weikersheim4 in diesen Tagen zurückerwartet. Der Handelsminister machte auf die Schwierigkeiten aufmerksam, welche der Konzession der Eisenbahnen in der Walachei dadurch im Wege stehen, daß man den Ausgangspunkt der Bahnen von der österreichischen Grenze noch nicht bestimmen kann, somit über die Trasse ganz ungewiß ist. Es scheine nötig, daß man sich vorher über den siebenbürgischen Grenzpaß einige, an den die österreichische Bahn geführt werden soll. In der Moldau ist die Richtung der Eisenbahn durch das diesseitige Ziel Czernowitz wenigstens im allgemeinen festgestellt.

Der Minister des Äußern bemerkte, daß einem Abschlusse in diesem Augenblick, nebst der Ungewißheit über die Trasse in der Walachei, noch die prekäre Stellung der beiden Hospodare hinderlich ist, worauf der Finanzminister erwiderte, daß diese Stellung für die Fürsten kein Hindernis bilde, Konzessionen zu verleihen, die als gültig anerkannt werden müssen, und das ist es, was man anstrebt5.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Laxenburg, 7. Juni 1856.